Hannah Arendt |
Zeit ihres Lebens war Hannah Arendt eine
unorthodoxe und umstrittene Denkerin, die – tief verwurzelt in den Traditionen der
Antike und der Aufklärung -, ihre radikaldemokratischen und zugleich
antimarxistischen Anschauungen vehement verteidigte.
In der ersten Hälfte ihres Lebens wurde sie vor allem von der Existenzphilosophie Martin Heideggers und Karl Jaspers beeinflusst, bei denen sie studierte. Mit Heidegger verband sie eine kurze und leidenschaftliche Liebesbeziehung.
Ab 1941 lebte sie in den USA, deren Staatsbürgerschaft sie 10 Jahre später erhielt. Mit vielen zeitgenössischen, aus Deutschland stammenden Philosophen teilte sie das Schicksal der Emigration und des Exils.
Die Erfahrung der nationalsozialistischen Judenverfolgung brachte sie dazu, sich ihrer eigenen jüdischen Identität bewusst zu werden und sich Fragen der politischen Philosophie zuzuwenden. Ihre Gedanken mündeten schließlich in eines ihrer wichtigsten Werke, die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951).
Sieben Jahre später veröffentlichte Arendt ihr philosophisches Hauptwerk „Vita activa oder Vom tätigen Leben.“ Darin beschreibt sie nicht mehr und nicht weniger als eine Theorie des politischen Handelns vor dem Hintergrund der Geschichte politischer Freiheit und selbstverantwortlicher aktiver Mitwirkung der Bürger am öffentlichen Leben.
Arendt zufolge habe jedes Individuum die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei stehen dem Menschen drei „Grundtätigkeiten“ zur Verfügung: Arbeiten, Herstellen und Handeln (griech. πόνος, ποίησις und πρãξις).
Die Tätigkeit der Arbeit als dem ersten Bestandteil der Vita activa „entspricht dem biologischen Prozess des menschlichen Körpers, der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und Verfall sich von Naturdingen nährt, welche die Arbeit erzeugt und zubereitet, um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebendigen Organismus zuzuführen. Die Grundbedingung, unter der die Tätigkeit des Arbeitens steht, ist das Leben selbst“ (16).
In der ersten Hälfte ihres Lebens wurde sie vor allem von der Existenzphilosophie Martin Heideggers und Karl Jaspers beeinflusst, bei denen sie studierte. Mit Heidegger verband sie eine kurze und leidenschaftliche Liebesbeziehung.
Ab 1941 lebte sie in den USA, deren Staatsbürgerschaft sie 10 Jahre später erhielt. Mit vielen zeitgenössischen, aus Deutschland stammenden Philosophen teilte sie das Schicksal der Emigration und des Exils.
Die Erfahrung der nationalsozialistischen Judenverfolgung brachte sie dazu, sich ihrer eigenen jüdischen Identität bewusst zu werden und sich Fragen der politischen Philosophie zuzuwenden. Ihre Gedanken mündeten schließlich in eines ihrer wichtigsten Werke, die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951).
Sieben Jahre später veröffentlichte Arendt ihr philosophisches Hauptwerk „Vita activa oder Vom tätigen Leben.“ Darin beschreibt sie nicht mehr und nicht weniger als eine Theorie des politischen Handelns vor dem Hintergrund der Geschichte politischer Freiheit und selbstverantwortlicher aktiver Mitwirkung der Bürger am öffentlichen Leben.
Arendt zufolge habe jedes Individuum die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei stehen dem Menschen drei „Grundtätigkeiten“ zur Verfügung: Arbeiten, Herstellen und Handeln (griech. πόνος, ποίησις und πρãξις).
Die Tätigkeit der Arbeit als dem ersten Bestandteil der Vita activa „entspricht dem biologischen Prozess des menschlichen Körpers, der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und Verfall sich von Naturdingen nährt, welche die Arbeit erzeugt und zubereitet, um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebendigen Organismus zuzuführen. Die Grundbedingung, unter der die Tätigkeit des Arbeitens steht, ist das Leben selbst“ (16).
Emile Othon Friesz: Arbeiten im Herbst |
Die Arbeit sichert primär „das
Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung“ (18). Sie
gehört notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen
Lebewesens. Arbeit ist, so sieht es Arendt, nicht mit Freiheit verbunden,
sondern muss verstanden werden als ein Zwang zur Erhaltung des Lebens, dem der
Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.
Im klassischen Altertum galt ursprünglich die Verachtung nur den Tätigkeiten, „die unmittelbar mit der Notdurft des Lebens verbunden waren und daher keine Spuren hinterlassen, kein Denkmal, kein Werk, kein Ding von Bestand“ (100).
Arendt zufolge weitete sich innerhalb der Polis die Verachtung bald auf alle Tätigkeiten aus, „die nicht direkt dem Politischen galten“, bis sie schließlich alles einschloss, „was nur überhaupt eine größere körperliche Anstrengung verlangte“ (ebd.). Alle griechischen Autoren dieser Zeit sind sich einig in der Einschätzung, dass „körperliche Arbeit sklavisch ist, weil sie durch die Notdurft des Körpers erzwungen ist“ (101).
So unterschied man beispielsweise kaum zwischen den Sklaven einerseits, also Gefangenen, die zum Beuteeigentum des Siegers wurden und in dessen Haushalt arbeiteten mussten, und den Werkleuten und Banausen (gr. Βάναυσοι) andererseits. Dies waren Leute, die nur an dem Handwerk interessiert und daher „gleichgültig gegen öffentliche Angelegenheiten“ waren.
Ein Grund für die Geringschätzung der Arbeit in der Antike lag für Arendt zudem darin begründet, dass die Produkte der Arbeit Konsumgüter sind, die nur einen geringen Grad an Beständigkeit besitzen, weil sie schnell durch Verbrauch verzehrt werden.
Es ist eben offensichtlich und zugleich in gewisser Weise tragisch, dass die Arbeit „nichts objektiv Greifbares hinterlässt, dass das Resultat ihrer Mühe gleich wieder verzehrt wird und sie nur um ein sehr Geringes überdauert“ (104):
„Nach kurzem Aufenthalt in der Welt kehren sie in den Schoß der Natur zurück, die sie hervorgebracht hat, sei es, dass der Prozess des menschlichen Lebewesens sie verzehrt hat oder dass sie ohne dieses Zwischenstadium in das Wesen und Verwesen der Natur zurückfallen (…) Sie brauchen nicht eigentlich erzeugt, sondern nur zubereitet und präpariert zu werden, und als solche Natur in der Welt kommen und gehen sie im Einklang mit der immer wiederkehrenden, kreisenden Bewegung des Natürlichen. Kreisend wie die Natur sind auch die Vorgänge des lebenden Organismus und des menschlichen Körpers, so lange nämlich, als er dem Prozess standhalten kann, der ihn durchdringt und zugleich aufreibt und am Leben erhält“ (115).
Arbeit – verstanden als Mühe und Plage – kann also aus dem menschlichen Leben nicht entfernt werden, ohne dass die menschliche Existenz selbst dadurch gefährdet würde. So wird alles Leben unter dem Joch der Arbeit zur Knechtschaft - „Omnis vita servitium est“, wie Seneca meinte (De tranquilitate animae, II, 3).
Im klassischen Altertum galt ursprünglich die Verachtung nur den Tätigkeiten, „die unmittelbar mit der Notdurft des Lebens verbunden waren und daher keine Spuren hinterlassen, kein Denkmal, kein Werk, kein Ding von Bestand“ (100).
Arendt zufolge weitete sich innerhalb der Polis die Verachtung bald auf alle Tätigkeiten aus, „die nicht direkt dem Politischen galten“, bis sie schließlich alles einschloss, „was nur überhaupt eine größere körperliche Anstrengung verlangte“ (ebd.). Alle griechischen Autoren dieser Zeit sind sich einig in der Einschätzung, dass „körperliche Arbeit sklavisch ist, weil sie durch die Notdurft des Körpers erzwungen ist“ (101).
So unterschied man beispielsweise kaum zwischen den Sklaven einerseits, also Gefangenen, die zum Beuteeigentum des Siegers wurden und in dessen Haushalt arbeiteten mussten, und den Werkleuten und Banausen (gr. Βάναυσοι) andererseits. Dies waren Leute, die nur an dem Handwerk interessiert und daher „gleichgültig gegen öffentliche Angelegenheiten“ waren.
Ein Grund für die Geringschätzung der Arbeit in der Antike lag für Arendt zudem darin begründet, dass die Produkte der Arbeit Konsumgüter sind, die nur einen geringen Grad an Beständigkeit besitzen, weil sie schnell durch Verbrauch verzehrt werden.
Es ist eben offensichtlich und zugleich in gewisser Weise tragisch, dass die Arbeit „nichts objektiv Greifbares hinterlässt, dass das Resultat ihrer Mühe gleich wieder verzehrt wird und sie nur um ein sehr Geringes überdauert“ (104):
„Nach kurzem Aufenthalt in der Welt kehren sie in den Schoß der Natur zurück, die sie hervorgebracht hat, sei es, dass der Prozess des menschlichen Lebewesens sie verzehrt hat oder dass sie ohne dieses Zwischenstadium in das Wesen und Verwesen der Natur zurückfallen (…) Sie brauchen nicht eigentlich erzeugt, sondern nur zubereitet und präpariert zu werden, und als solche Natur in der Welt kommen und gehen sie im Einklang mit der immer wiederkehrenden, kreisenden Bewegung des Natürlichen. Kreisend wie die Natur sind auch die Vorgänge des lebenden Organismus und des menschlichen Körpers, so lange nämlich, als er dem Prozess standhalten kann, der ihn durchdringt und zugleich aufreibt und am Leben erhält“ (115).
Arbeit – verstanden als Mühe und Plage – kann also aus dem menschlichen Leben nicht entfernt werden, ohne dass die menschliche Existenz selbst dadurch gefährdet würde. So wird alles Leben unter dem Joch der Arbeit zur Knechtschaft - „Omnis vita servitium est“, wie Seneca meinte (De tranquilitate animae, II, 3).
Der Ursprung der Arbeit als Mühsal: Die Vertreibung aus dem Paradies (Marc Chagall) |
Erst in der Neuzeit findet ein plötzlicher
Aufstieg der Arbeit „von der untersten und verachtetsten Stufe zum Rang der
höchstgeschätzten aller Tätigkeiten“. Diese Wende im Verständnis der Arbeit
begann damit, „dass Locke entdeckte, dass sie die Quelle des Eigentums sei. Der
nächste entscheidende Schritt war getan, als Adam Smith in ihr die Quelle des Reichtums
ermittelte; und auf den Höhepunkt kam sie in Marx´ `System der Arbeit`, wo sie
die Quelle aller Produktivität und zum Ausdruck der Menschlichkeit des Menschen
selbst wird“ (119f).
Trotz der Hochschätzung der Arbeit bei Marx war seine Stellung zur Arbeit Arendt zufolge immer zweideutig. Obwohl für Marx die Arbeit eigentlich die menschliche und produktivste aller Tätigkeiten ist, „hat die Revolution doch nach Marx nicht etwa die Aufgabe, die arbeitende Klasse zu emanzipieren, sondern die Menschen von der Arbeit zu befreien. Denn das `Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört´ (Das Kapital, 3. Buch)“ (123).
So besteht einer der - vielen - eklatanten Widersprüche in der Theorie von Marx darin, dass Marx immer davon ausgeht, „den Menschen als ein Animal laborans zu definieren, um dann dies arbeitende Lebewesen in eine ideale Gesellschaftsordnung zu führen, in der gerade sein größtes und menschlichstes Vermögen brachliegen würde“ (ebd.).
Für Hannah Arendt dagegen ist die Arbeit gerade kein Symptom für ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und Natur bzw. zwischen Mensch und Welt, sondern in der Arbeit zeigt sich „die Art und Weise, in welcher das Leben selbst mitsamt der Notwendigkeit, an die es gebunden ist, sich kundgibt“ (141).
So ist die Mühsal der Arbeit, „die so gar nichts Dauerndes zustande bringt, in ihrer Vergeblichkeit von einer unüberbietbaren Dringlichkeit, und ihre Aufgaben gegen allen anderen Aufgaben vor, weil von ihrer Erfüllung das Leben selbst abhängt“ (104).
Trotz der Hochschätzung der Arbeit bei Marx war seine Stellung zur Arbeit Arendt zufolge immer zweideutig. Obwohl für Marx die Arbeit eigentlich die menschliche und produktivste aller Tätigkeiten ist, „hat die Revolution doch nach Marx nicht etwa die Aufgabe, die arbeitende Klasse zu emanzipieren, sondern die Menschen von der Arbeit zu befreien. Denn das `Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört´ (Das Kapital, 3. Buch)“ (123).
So besteht einer der - vielen - eklatanten Widersprüche in der Theorie von Marx darin, dass Marx immer davon ausgeht, „den Menschen als ein Animal laborans zu definieren, um dann dies arbeitende Lebewesen in eine ideale Gesellschaftsordnung zu führen, in der gerade sein größtes und menschlichstes Vermögen brachliegen würde“ (ebd.).
Für Hannah Arendt dagegen ist die Arbeit gerade kein Symptom für ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und Natur bzw. zwischen Mensch und Welt, sondern in der Arbeit zeigt sich „die Art und Weise, in welcher das Leben selbst mitsamt der Notwendigkeit, an die es gebunden ist, sich kundgibt“ (141).
So ist die Mühsal der Arbeit, „die so gar nichts Dauerndes zustande bringt, in ihrer Vergeblichkeit von einer unüberbietbaren Dringlichkeit, und ihre Aufgaben gegen allen anderen Aufgaben vor, weil von ihrer Erfüllung das Leben selbst abhängt“ (104).
Zitate aus: Hannah Arendt: Vita activa oder Vom
tätigen Leben, München 2010 (piper)