Ludwig von Mises: Liberalismus |
„Wer über Produktionsmittel verfügt, die sein
Eigentum sind, oder die ihm von den Eigentümern gegen Entgelt geliehen wurden, muss
stets darauf bedacht sein, die Produktionsmittel so zu verwenden, daß der unter
den gegebenen Verhältnissen dringendste gesellschaftliche Bedarf durch sie
befriedigt wird.
Tut er dies nicht, dann arbeitet er mit
Verlust und wird in seiner Eigentümer- und Unternehmerstellung zunächst
beschränkt und schließlich aus ihr ganz verdrängt. Er hört auf, Eigentümer und
Unternehmer zu sein.“
Mit diesen wenigen Worten beschreibt Ludwig
von Mises das gesamte Wesen der freien Marktwirtschaft. Man tut gut daran, sich
dieser Worte zu erinnern, nicht zuletzt, weil eine der Ursachen der
gegenwärtigen Finanzierungsprobleme vieler Staaten in ihren maßlos aufgeblähten
Strukturen zu finden ist. Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Strukturen besteht
in öffentlichen Unternehmen, Betrieben und Verwaltungen.
Für von Mises ist das charakteristische
Merkmal dieser staatlichen Struktur, daß ihr „die Richtschnur der
Rentabilitätsrechnung zur Beurteilung des Geschäftserfolges in seinem
Verhältnis zum Aufwand fehlt und daß sie daher genötigt ist, zur - wenn auch
höchst unvollkommenen Wettmachung dieses Mangels - die Abwicklung der Geschäfte
und die Einstellung des Personals an formale Vorschriften zu binden.“
Rentabilitätsrechnung - Der Schlüssel für nachhaltiges Wirtschaften ... |
Folgen dieses Grundmangels sind demnach alle
Übel, die man mit dem Staatsbetrieb verbindet: Seine Starrheit, seine
Erfindungsarmut und seine Hilflosigkeit gegenüber Problemen, die im
kaufmännischen Leben leicht gelöst werden.“
Würde die Tätigkeit des Staatsapparates auf
jenes enge Gebiet beschränkt bleiben – zum Beispiel weist Adam Smith im 5. Buch seines Werkes „Der Wohlstand der Nationen“ dem Staat die folgenden drei Aufgaben zu: Landesverteidigung, Justizwesen und Öffentliche Anlagen bzw. Einrichtungen – würden
sich die Nachteile des öffentlichen Unternehmertums nicht allzu sehr bemerkbar
machen.
„Zum großen Problem der gesamten Wirtschaft
werden sie erst in dem Augenblick, in dem der Staat - und dasselbe gilt
natürlich auch von Gemeinden und Kommunalverbänden - dazu übergeht,
Produktionsmittel zu vergesellschaften und sich selbst aktiv in der Produktion
oder gar im Handel zu betätigen.“
Von Mises gibt zu, daß, auch mancher öffentliche
Betrieb auch unter dem Gesichtspunkt höchster Rentabilität geführt werden
könnte, solange ein freier Marktverkehr besteht und Marktpreise gebildet
werden.
Dennoch bleibt das Problem, „daß seine Leiter
- Organe des Staates - am Erfolg oder Mißerfolg der Geschäfte nicht in der
Weise interessiert sind, in der dies bei privaten Unternehmungen der Fall ist.
Man kann daher dem Leiter nicht die freie Entscheidung über einschneidende
Maßregeln überlassen; da er den Verlust, der sich unter Umständen als Folge
seiner Geschäftspolitik ergeben könnte, nicht trägt, könnte seine
Geschäftsführung allzu leicht geneigt sein, Wagnisse einzugehen, die ein wahrhaft
verantwortlicher - weil am Verlust beteiligter - Leiter nicht auf sich nehmen
würde.“
Aus diesem Grund muss die Entscheidungsgewalt
des Leiters eines Staatsbetriebes in gewissem Maße beschränkt werden. „Gleichviel
nun, ob man ihn an starre Normen oder an die Beschlüsse eines
Kontrollkollegiums oder an die Zustimmung einer vorgesetzten Behörde bindet,
die Gebarung des Betriebes erhält in jedem Fall jene Schwerfälligkeit und jenen
Mangel an Anpassungsfähigkeit, die den öffentlichen Betrieb überall von
Mißerfolg zu Mißerfolg geführt haben.“
So wird es in der Praxis selten vorkommen, daß
ein öffentlicher Betrieb auf der Grundlage von Rentabilität arbeitet. Im
Gegenteil - in der Regel wird vom öffentlichen Betrieb verlangt, daß er auf
bestimmte (partei-)politische und „pseudovolkswirtschaftliche“ Gesichtspunkte
Rücksicht nehme.
Estado S.A.- Eine aufschlussreiche Serie über öffentliche Unternehmen in Spanien |
So würde man beispielsweise fordern, „daß er
bei der Beschaffung und beim Verkaufe die inländische Erzeugung gegenüber der
ausländischen bevorzuge; von Eisenbahnen wird verlangt, daß sie in der
Tariferstellung im Dienste bestimmter handelspolitischer Interessen tätig
seien, daß sie Linien bauen und betreiben, die nicht rentabel gestaltet werden
können, um die Wirtschaft eines bestimmten Gebietes zur Entwicklung zu bringen,
daß sie wieder andere Linien aus strategischen und sonstigen Gründen betreiben.“
In dem Moment, in dem solche Kriterien die Geschäftsführung
bestimmen, sei jede Kontrolle durch die Rentabilitätsrechnung ausgeschlossen. „Wenn
der Staatsbahndirektor, der einen ungünstigen Jahresabschluss vorlegt, in der
Lage ist zu sagen: die mir anvertrauten Bahnstrecken haben freilich, unter dem
Gesichtspunkte der privatwirtschaftlichen Rentabilität betrachtet, ungünstig gearbeitet,
aber man darf nicht vergessen, daß sie volkswirtschaftlich, nationalpolitisch,
militärpolitisch und unter manchen anderen Gesichtspunkten noch vieles
geleistet haben, was in die Rentabilitätsrechnung nicht eingeht, so ist es
klar, daß unter solchen Umständen die Rentabilitätsrechnung jeglichen Wert für die
Beurteilung des Geschäftserfolges verloren hat, so daß der Betrieb - auch
abgesehen von anderen in derselben Richtung wirkenden Umständen -
notwendigerweise genau so bureaukratisch geführt werden muß wie etwa die
Verwaltung eines Gefängnisses oder eines Steueramtes.“
Im Gegensatz dazu kann ein nach
privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführtes Privatunternehmen - auch wenn
es noch so groß ist - durch das strenge Festhalten am Rentabilitätsprinzip
niemals „bureaukratisch“ werden, denn solange die Unternehmen nur auf den
Gewinn sehen, blieben sie von allen Schäden der Bureaukratisierung bewahrt.
„Dagegen besteht für die im
interventionistischen Staatswesen agierenden Unternehmen die Notwendigkeit, „sich
zur Vermeidung schwerer Nachteile den Wünschen der Staatsgewalt zu fügen.“ Dies
hat bewirkt, „daß solche und andere den Rentabilitätszielen der Unternehmungen
fremde Gesichtspunkte die Geschäftsführung immer mehr beeinflussen. Damit
schwindet die Bedeutung der exakten Kalkulation und Buchführung, und die
Unternehmungen beginnen immer mehr die unsachliche, an Formalprinzipien
orientierte Gebarungsweise öffentlicher Betriebe anzunehmen.
Die Einflussnahme des Staates auf die Geschäftsführung
großer Unternehmen „ist mithin keineswegs das Ergebnis einer in der Entwicklung
der kapitalistischen Wirtschaft gelegenen Notwendigkeit. Sie ist nichts als
eine Folgeerscheinung der interventionistischen Politik. Würden Staat und
andere gesellschaftliche Gewalten die Unternehmungen nicht behindern, dann
könnten auch die größten Betriebe genau so kaufmännisch arbeiten wie die
kleinen.“
Zitate
aus: Ludwig von Mises: Liberalismus. Jena 1927 (online unter: http://docs.mises.de/Mises/Mises_Liberalismus.pdf)