Donnerstag, 14. Februar 2013

Ludwig von Mises und der Liberalismus

Ludwig von Mises (1881 - 1973)
Ludwig Heinrich Edler von Mises (1881 – 1973) gehört zu den wichtigsten Theoretikern des Liberalismus im 20. Jahrhundert. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaft wurde Mises Leiter der Finanzabteilung der Handels- und Gewerbekammer in Wien. 1918 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Wien. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Friedrich August von Hayek war von Mises einer der wichtigen Wirtschaftsberater der österreichischen Regierung.

1940 emigrierte von Mises in die USA und wurde sechs Jahre später us-amerikanischer Staatsbürger. Bis 1969 unterrichtete er an der New York University. Er war zudem Mitglied der Mont Pelerin Society, dem Think Tank des Liberalismus.

In den 20er Jahren, in einer Zeit, in viele in Europa den Glauben an Freiheit und Demokratie verloren hatten, gehörte von Mises zu den wenigen Intellektuellen, die das Ideal des Liberalismus entschieden verteidigten. Sein Buch "Liberalismus" aus dem Jahre 1927 ist ein klares Plädoyer für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, das von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.

Von Mises geht davon aus, dass der Liberalismus keine abgeschlossene Lehre, kein starres Dogma ist, vielmehr sei er genau das Gegenteil von all dem – und zwar „die Anwendung der Lehren der Wissenschaft auf das gesellschaftliche Leben der Menschen.“

Für von Mises ist der Liberalismus vor allem eine Lehre, die auf „die Förderung der äußeren, der materiellen Wohlfahrt der Menschen“ abzielt. Ganz bewusst kümmere sich der Liberalismus nicht um die inneren, seelischen und metaphysischen Bedürfnisse der Menschen. „Er verspricht den Menschen auch nicht Glück und Zufriedenheit, sondern nichts anderes als möglichst reichliche Befriedigung aller jener Wünsche, die durch Bereitstellung von Dingen der Außenwelt befriedigt werden können.“

Zwar sei dem Liberalismus genau diese scheinbar materialistische Einstellung vielfach zum Vorwurf gemacht worden, von Mises kehrt das Argument um: Es seien gerade diese Kritiker, die vom „Höheren und Edleren“ eine sehr unvollkommene und sehr materialistische Vorstellung haben:

„Mit den Mitteln, die der menschlichen Politik zur Verfügung stehen, kann man wohl die Menschen reich oder arm machen, aber man kann nie dazu gelangen, sie glücklich zu machen und ihr innerstes und tiefstes Sehnen zu befriedigen. Da versagen alle äußeren Hilfsmittel.

Alles, was die Politik machen kann, besteht darin, die äußeren Ursachen von Schmerz und Leid beheben; sie kann ein System fördern, das die Hungernden sättigt, die Nackten kleidet und die Obdachlosen behaust.

Aber Glück und Zufriedenheit hängen nicht an Nahrung, Kleidung und Wohnung, sondern vor allem an dem, was der Mensch in seinem Innern hegt. Nicht aus Geringschätzung der seelischen Güter richtet der Liberalismus sein Augenmerk ausschließlich auf das Materielle, sondern weil er der Überzeugung ist, daß das Höchste und Tiefste im Menschen durch äußere Regelung nicht berührt werden können. Er sucht nur äußeren Wohlstand zu schaffen, weil er weiß, daß der innere, der seelische Reichtum dem Menschen nicht von außen kommen kann, sondern nur aus der eigenen Brust. Er will nichts anderes schaffen als die äußeren Vorbedingungen für die Entfaltung des inneren Lebens.“

Es kommt darauf an, Vernunft in die Politik zu bringen ...
Ein weiterer Vorwurf, mit dem sich der Liberalismus konfrontiert sieht, besagt, daß er rationalistisch sei. Er wolle alles vernünftig regeln und verkenne dabei, daß im menschlichen Dasein die Gefühle und überhaupt das Irrationale - das Unvernünftige - einen großen Spielraum einnehmen und wohl auch einnehmen müssen.

Von Mises setzt dagegen, daß der Liberalismus natürlich nicht verkenne, daß die Menschen auch unvernünftig handeln. „Der Liberalismus sagt nicht: die Menschen handeln immer klug, sondern: sie sollten - in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse - stets klug handeln.“ Nur in der Politik solle es, meinen die Kritiker, anders sein. Hier solle nicht die Vernunft entscheiden, sondern Gefühle und Impulse.

Von Mises erläutert seinen Standpunkt mit einem sehr einfachen Beispiel: „Wenn jemand seinem Arzte, der ihm vernünftige Lebensweise empfiehlt, zur Antwort gibt: `Ich weiß, daß Ihre Ratschläge vernünftig sind; meine Gefühle verbieten es mir aber, sie zu befolgen; ich will eben - mag es auch unvernünftig sein - gerade das tun, was meiner Gesundheit schädlich ist´, dann wird es wohl kaum jemand geben, der dem Lob spenden wird. Was immer mir auch im Leben anfangen, um ein Ziel, das wir uns gesetzt haben, zu erreichen, wir werden trachten, es vernünftig zu tun.“

So besteht das Wesen des Liberalismus gerade darin, daß er die Vernunft in der Politik zu der Geltung bringen will, die man ihr unbestritten auf allen anderen Gebieten menschlichen Handelns einräumt.“

Schließlich sei die Einrichtung der menschlichen Gesellschaft nach einem möglichst zweckmäßigen Schema ist „eine ganz prosaische und nüchterne Sache.“

Die Staats- und Regierungsangelegenheiten seien zwar wichtiger als alle anderen Fragen der menschlichen Betätigung, „weil die gesellschaftliche Ordnung die Grundlage für alles Übrige abgibt und gedeihliches Wirken eines jeden einzelnen nur in einer zweckmäßig gebildeten Gemeinschaft möglich ist“, aber letztlich seien auch sie nur „Menschenwerk und sind daher nach den Regeln der menschlichen Vernunft zu beurteilen.

Wie in allen übrigen Dingen unseres Handelns, so sei auch in Dingen der Politik Mystik nur von Übel. „Unser Fassungsvermögen ist sehr beschränkt; wir dürfen nicht hoffen, jemals die letzten und tiefsten Weltgeheimnisse zu entschleiern.“

Der Neurotiker aber, und dazu zählt von Mises beispielsweise alle Verteidiger der sozialistischen Utopie, „flüchte sich in eine Wahnidee. Die Wahnidee ist, nach Freud, `selbst etwas Erwünschtes, eine Art Tröstung´; sie ist gekennzeichnet durch `ihre Resistenz gegen logische und reale Angriffe´.“

So sei es kein Zufall, dass „die sozialistischen Schriftsteller nicht nur Reichtum für alle versprechen, sondern auch Liebesglück, volle Entwicklung der seelischen und körperlichen Persönlichkeit, Entfaltung großer künstlerischer und wissenschaftlicher Fähigkeiten usf. für alle. Trotzki hat erst vor kurzem in einer Schrift die Behauptung aufgestellt, in der sozialistischen Gesellschaft werde `der menschliche Durchschnitt´ sich `bis zum Niveau eines Aristoteles, Goethe, Marx erheben´. Das sozialistische Paradies wird das Reich der Vollendung sein, bevölkert von lauter restlos glücklichen Übermenschen.“
 
Diese Haltung ist für von Mises blanker Unsinn. Doch auch, wenn wir „über Sinn und Zweck unseres Daseins nie ins Klare kommen können“, dürfe uns dies nicht daran hindern, „die Gesellschaft so zu gestalten, daß die irdischen Ziele, die wir anstreben, am zweckmäßigsten erreicht werden können. Auch Staat und Rechtsordnung, Regierung und Verwaltung sind nicht zu hoch, zu gut, zu vornehm, als daß wir sie nicht in den Kreis unseres vernünftigen Denkens ziehen sollten.“

Die Probleme der Politik sind für von Mises „Probleme der gesellschaftlichen Technik, und ihre Lösung muß auf demselben Wege und mit denselben Mitteln versucht werden, die uns bei der Lösung anderer technischer Aufgaben zur Verfügung stehen: durch vernünftige Überlegung und durch Erforschung der gegebenen Bedingungen.“

„Alles, was der Mensch ist und was ihn über das Tier hinaushebt, dankt er der Vernunft. Warum sollte er gerade in der Politik auf den Gebrauch der Vernunft verzichten und sich dunkeln und unklaren Gefühlen und Impulsen anvertrauen?“

Für von Mises ist die Frage zwischen Liberalismus und Antiliberalismus auch eine psychologische. So habe der Mensch immer die Möglichkeit, auf zweifache Art auf sein Schicksal zu reagieren: „Den einen Weg weist die Lebensweisheit Goethes. `Wähntest du etwa, ich sollte das Leben hassen, in Wüsten fliehen, weil nicht alle Blütenträume reiften?´ ruft sein Prometheus. Und Faust erkennt im `höchsten Augenblick´, daß `der Weisheit letzter Schluß´ sei: `Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß´.

Solchem Willen und Geist kann kein irdisches Mißgeschick etwas anhaben; wer das Leben nimmt, wie es ist, und sich nie von ihm niederwerfen läßt, bedarf nicht des Trostes durch eine Lebenslüge, zu der sein gebrochenes Selbstbewußtsein flüchtet. Wenn der ersehnte Erfolg sich nicht einstellt, wenn Schicksalsschläge das mühsam in langer Arbeit Erreichte im Handumdrehen vernichten, dann vervielfacht er seine Anstrengungen. Er kann dem Unheil ins Auge schauen, ohne zu zagen.“ 

Es mag sein, dass genau in diesem Gedanken bis heute die ungeheure Kraft liberaler Ideen verborgen liegt.

Zitate aus: Ludwig von Mises: Liberalismus. Jena 1927 - Sehr hörenswert auch "Das Philosophische Radio" (WDR 5) vom 02. März 2012 mit Norbert Bolz über die ungeliebte Freiheit. 

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