Adam Smith |
Im Jahre 1776 erscheint „Der Wohlstand der
Nationen“ des schottischen Moralphilosophen und Nationalökonomen Adam Smith. Einer der zentralen Angelpunkte
seiner Wirtschaftstheorie ist der Gedanke der Arbeitsteilung, den Smith gleich
in den ersten beiden Kapiteln des Werkes ausarbeitet. Ohne Arbeitsteilung kann
die Produktivität der Arbeit und damit auch der Wohlstand eines Landes nicht
gesteigert werden.
Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Arbeitsteilung“
die Aufteilung eines Arbeitsprozesses unter mehreren Menschen. Konkret versteht
Smith unter Arbeitsteilung die betriebliche Arbeitszerlegung, d.h. die Aufteilung
eines einzelnen Produktionsprozesses in verschiedene Teilprozesse, die
innerhalb einer einzelnen Produktionsstätte von spezialisierten Arbeitskräften
wahrgenommen werden. Während bei der Arbeitsteilung jeder Einzelne nur einen Teil
der Arbeitsabläufe übernimmt, führen alle Beteiligten bei der Mengenteilung alle
Arbeitsabläufe durch.
Die erhöhte Produktivität, die die Menschen
infolge der Arbeitsteilung leisten, hängt Smith zufolge von drei verschiedenen
Faktoren ab: „(1) der größeren Geschicklichkeit jedes einzelnen Arbeiters, (2)
der Ersparnis an Zeit, die gewöhnlich verlorengeht und (3) der Erfindung einer Reihe
von Maschinen, welche die Arbeit erleichtern, die Arbeitszeit verkürzen und den
einzelnen in den Stand setzen, die Arbeit vieler zu leisten“ (12).
Diese Spezialisierung bewirkt, dass sich der
Arbeiter auf die Teiltätigkeiten des gesamten Produktionsprozesses
konzentrieren kann, in denen er besonders produktiv ist. Dies erläutert Smith
in seinem bekannten Stecknadel-Beispiel:
„Ein Arbeiter, der noch niemals Stecknadeln
gemacht hat, und auch nicht dazu angelernt ist, so dass er auch mit den dazu
eingesetzten Maschinen nicht vertraut ist, könnte, selbst wenn er fleißig ist,
täglich höchstens eine, sicherlich aber keine zwanzig Nadeln herstellen.
Aber so, wie die Herstellung von Stecknadeln
heute betrieben wird, zerfällt sie in eine Reihe getrennter Arbeitsgänge, die
zumeist zur fachlichen Spezialisierung geführt haben. Der eine Arbeiter zieht
den Draht, der andere streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter
spitzt ihn zu, ein fünfter schlieft das obere Ende, damit der Kopf gesetzt
werden kann. Auch die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei getrennte
Arbeitsgänge. Das Ansetzen des Kopfes ist eine eigene Tätigkeit, ebenso das
Weißglühen der Nadel, ja selbst das Verpacken der Nadeln ist eine Arbeit für
sich.
Die Herstellung von Stecknadeln ist gar nicht so einfach ... |
Um eine Stecknadel anzufertigen, sind somit
etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, die in einigen Fabriken jeweils
verschiedene Arbeiter besorgen, während in anderen ein einzelner zwei oder drei
davon ausführt.
Ich selbst habe eine kleine Manufaktur dieser
Art gesehen, in der nur 10 Leute beschäftigt waren, so dass einige von ihnen
zwei oder drei solcher Arbeiten übernehmen mussten. Obwohl sie nun sehr arm und
nur recht und schlecht mit dem benötigten Werkzeug ausgerüstet waren, konnten
sie zusammen am Tage doch etwa 12 Pfund Stecknadeln fertigen …, etwa 48 000
Nadeln.
Hätten sie indes alle einzeln und unabhängig
voneinander gearbeitet, noch dazu ohne besondere Ausbildung, so hätte der
einzelne gewiss nicht einmal 20, vielleicht sogar keine einzige Nadel am Tag
zustande gebracht“ (9f)
Spezialisierung führt nach Smith nicht nur zu
höherer Geschicklichkeit bei der Arbeit, sondern zudem auch zu Ersparnis an
Zeit und sie erleichtert den Einsatz und die Erfindung von Maschinen durch den
Arbeiter oder Handwerker selbst.
So wird Arbeitsteilung bei Smith zum
eigentlichen Motor der Entwicklung, vom Selbstinteresse des Individuums
angetrieben und eng verknüpft mit den technischen Fortschritt und den Investitionen.
Spezialisierung und Arbeitsteilung stoßen
jeweils dort an ihre Grenzen, wo der Markt nicht mehr ausgeweitet werden kann.
Denn ohne Gelegenheit zum Handeln und Tauschen verliert die Steigerung der
Produktion ihren wirklichen Sinn (19ff).
Interessant sind auch Smith anthropologische
Prämissen, die er im Zweiten Kapitel des Buches erläutert. So sei die
Arbeitsteilung, „die so viele Vorteile mit sich bringt, in ihrem Ursprung nicht
etwa das Ergebnis menschlicher Erkenntnis, welche den allgemeinen Wohlstand, zu
dem erstere führt, voraussieht und anstrebt. Sie entsteht vielmehr
zwangsläufig, wenn auch langsam und schrittweise, aus einer natürlichen Neigung
des Menschen, zu handeln und Dinge gegenseitig auszutauschen“ (16).
Diese Eigenschaft findet sich nur unter den Menschen
gemeinsam, aber nirgends in der Tierwelt. „Niemand hat je erlebt, dass ein Hund
mit einem anderen einen Knochen redlich und mit Bedacht gegen einen anderen
Knochen ausgetauscht hätte“ (16).
Arbeitsteilung gründet jedoch nicht auf
freier Entscheidung. „In einer zivilisierten Gesellschaft ist der Mensch
ständig und in hohem Maß auf die Mitarbeit und Hilfe anderer angewiesen …,
wobei er jedoch kaum erwarten kann, dass er sie allein durch das Wohlwollen der
Mitmenschen erhalten wird“ (16f)
Aus diesem Grund wird der Mensch „sein ziel
wahrscheinlich viel eher erreichen, wenn er die Eigenliebe der Mitmenschen zu
seinen Gunsten zu nutzen versteht, indem er ihnen zeigt, dass es in ihrem
eigenen Interesse liegt, das für ihn zu tun, was er von ihnen wünscht: Gib ir,
was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst“ (17).
Denn „nicht vom Wohlwollen des Metzgers,
Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern
davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an
ihre Mensch- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen
Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil“ (17).
Smith übersieht keinesfalls die Gefahren, die
mit Arbeitsteilung und Spezialisierung verbunden sind. Er ist sich darüber im
Klaren, dass sie zu einer „Entseelung“ bzw. „Monotonie“ der Arbeit oder zur
Verdummung des Menschen führen kann, weil durch die Ausübung nur eines
einzelnen Handgriffes die geistigen und psychischen Fähigkeiten des Menschen
verkümmern.
Herstellung von Kleineisenzeug (Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel) |
Der Marxismus wird später diese Auswirkung der Arbeitsteilung zum Zentrum
seiner Kapitalismuskritik machen – irrigerweise, weil es auch in der kommunistischen Wirtschaftsordnung Arbeitsteilung und
Technik und damit monotone Arbeit an einer Maschine gibt.
Smith dagegen betont immer wieder eine öffentlich geförderte Erziehung und Bildung breiter Schichten als wirksames Gegenmittel, um Langeweile und Eintönigkeit zu verhindern, aber
auch um die Menschen vor religiösen und politischen Rattenfängern zu schützen.
Grundsätzlich sei der „Unterschied in den
Begabungen der einzelnen Menschen in Wirklichkeit weit geringer, als uns
bewusst ist, und die verschiedenen Talente, welche erwachsene Menschen unterschiedlichster
Berufe auszuzeichnen scheinen, sind meist mehr Folge als Ursache der
Arbeitsteilung.
So scheint zum Beispiel die Verschiedenheit zwischen
zwei auffallend unähnlichen Berufen, einem Philosophen und einem Lastenträger,
weniger aus Veranlagung als aus Lebensweise, Gewohnheit und Erziehung entstanden.
Bei ihrer Geburt und in den ersten sechs oder acht Lebensjahren waren sie sich
vielleicht ziemlich ähnlich, und weder Eltern noch Spielgefährten dürften einen
auffallenden Unterschied bemerkt haben“ (18).
Weil in diesem Alter etwa begann, die beiden
Jungen sehr verschiedenen auszubilden und zu beschäftigen, „kommen auch die
unterschiedlichen Talente zum Vorschein, prägen sich nach und nach aus, bis
schließlich der Philosoph in seiner Überheblichkeit kaum noch eine Ähnlichkeit
mit dem Lastenträger zugeben wird“ (18).
Smith Modell der Arbeitsteilung funktioniert
selbstredend nur unter der Bedingung, dass „natürliche Freiheit“ in einem Land
herrscht, dass das moralische Gewissen im Volk intakt ist und eine stabile undanerkannte Rechtsordnung das ökonomische Verhalten der Individuen disziplinieren. Wie
stets im Liberalismus verbinden sich also auch hier individuelle Freiheit und kollektives
Wohlergehen.
Zitate
aus: Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und
seiner Ursachen, München 2009 (dtv)