"The legitimate object of government
is to do for a community of
people whatever they need to have done
but cannot do at all, or cannot so well do for themselves
in their separate and individual capacities.
In all that the people can individually do as well for
themselves,
government ought not to interfere.“
(Abraham Lincoln, 1809–1865)
Das Gemeinwohl ist dann erfolgversprechend
eingerichtet, wenn die Individuen in größtmöglicher Freiheit und
Mitverantwortung an den gesellschaftlichen Prozessen beteiligt sind. Was das Individuum aus eigener Kraft vollbringen können, das darf ihm nicht entzogen und übergeordneten Stellen zugewiesen werden. Vielmehr
müssen sämtlichen Aufgaben dort erledigt werden, wo sie anfallen. Wenn dabei
Probleme auftauchen, dann müssen sie zunächst auf jener Ebene aus dem Weg
geräumt werden, auf der sie auch entstanden sind. Erst wenn dies nicht zu
bewältigen ist, darf durch Hilfe "von oben“ eingegriffen werden. Letztlich
geht es darum, das Individuum (oder die gesellschaftliche Teilgruppe) in ihren
selbstverantwortlichen Mitwirkungsmöglichkeiten vor Bevormundung zu schützen.
Neben diesen personalen Aspekten ist das
Subsidiaritätsprinzip aber auch aus staatsrechtlicher, ökonomischer,
politischer und verwaltungstechnischer Sicht betrachtet mehr als sinnvoll.
Staatsrechtlich betrachtet bedeutet
Subsidiarität, dass im Staat die Ebenen mit selbstverantwortlicher
Entscheidungsbefugnis (Gemeinde, Kreis, Regierungsbezirk, Provinz, Land, Bund, EU)
von unten nach oben eingerichtet sind, und zwar nach dem Grundsatz stufenweiser,
föderativer Gliederung.
Subsidiarität |
Das bedeutet, dass die die öffentlichen Aufgaben
in Bezug auf die jeweilige sachliche und räumliche Reichweite der staatlichen
Institutionen abgegrenzt werden. Aufgaben, die in unteren Stufen verrichtet
werden können, dürfen von oberen Ebenen nicht an sich gezogen und dort erfüllt
werden.
Gleichwohl müssen die oberen Stufen im Falle
vorübergehender Schwierigkeiten den nachgeordneten Einheiten bei ihrer
Aufgabenerfüllung im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe beistehen. Bestimmte
Angelegenheit, die aus Gründen des Gesamtinteresses von einer oberen Ebene
grundsätzlich geregelt werden muss, können in Einzelfällen zur Durchführung im
einzelnen auf die unteren Stufen rückgelagert werden.
Im Hinblick auf die ökonomischen Aspekte der
Subsidiarität ist vom Grundsatz der Privatinitiative auszugehen. Demnach
schafft der Staat durch eine Markt- und Wettbewerbsordnung die
Rahmenbedingungen dafür, dass die Bürger Güter produzieren und vertreiben
können. Zugleich sichert der Staat den Bestand und das Gelingen
privatwirtschaftlicher Produktion und Distribution.
Staatliche Betätigung in der Wirtschaft ist letztlich
nur dort zulässig, wo öffentliche Güter
bereitgestellt werden müssen – etwa im Küstenschutz oder bei der äußeren
Sicherheit. In jedem Fall muss der Einsatz wirtschaftspolitischer Mittel marktkonform
sein und darf nicht zur Verunsicherung privater Erwartungen über zukünftige
ökonomische Verhältnisse führen.
Daher sind wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Verantwortlichkeit
der Wirtschaftssubjekte fördern – beispielsweise können die Eltern selbst
entscheiden, in welche öffentliche oder private Schule ihr Kind gehen soll –
anderen, zwangsrechtlichen Maßnahmen – jedes Kind wird durch behördliche
Entscheidung einer bestimmten Schule zugewiesen – vorzuziehen. Wie schon auf
staatsrechtlicher Ebene sollten staatliche Unterstützungsmaßnahmen in der
Wirtschaft ausschließlich auf die Erhaltung der Fähigkeit zur Selbsthilfe ausgerichtet
sein. Sie dürfen nur zeitlich befristet bei stetig sinkender Finanzhilfe, grundsätzlich
nicht auf Dauer gewährt werden.
Der Staat als "Tax Eater" (Honoré Daumier, 1831) |
Politisch betrachtet führt die Aufgliederung und
Dezentralisierung politischer Aufgaben zu einer angemessenen Befriedigung der
Wünsche und Bedürfnisse, je verschiedenartiger die Präferenzen der Bürger sind.
Auf diese Weise kann auch Forderung nach
fiskalischer Äquivalenz am besten erfüllt werden. Nach diesem Grundsatz sollen
die geleisteten Steuerzahlungen der Bürger in einem angemessenen Verhältnis zu
den in Anspruch genommenen Staatsleistungen stehen.
Jeder Bürger ist bekanntlich Steuerzahler und
zugleich –empfänger, „taxpayer“ und „taxeater“, wie die Amerikaner sagen. Je
weiter entfernter der Staat, desto eher glaubt der Bürger, dass es eine anonyme
„Gesellschaft“ ist, die da gute Gaben gibt, und nicht etwa konkrete Mitbürger,
denen in die Tasche gegriffen wird. Der „taxeater“ gewinnt die Oberhand. Je
näher die Gemeinschaft ist, desto mehr werden die Transfers auch von deren
Ethos oder Gemeinsinn definiert und begrenzt. Nach dem Subsidiaritätsprinzip kann
jeder Bürger bei den anstehenden Aufgaben und Lösungen persönlich und mitgestaltend
eingebunden werden, als „taxpayer“ und als „taxeater“.
Zusätzlich fördert ein geordneter Wettbewerb der
dezentral gegliederten Einheiten untereinander die ständige Innovationsbereitschaft
und bewirkt dadurch auch eine laufende Steigerung der Qualität öffentlicher
Leistungen.
So ist der Wettbewerb Gordon Tullock zufolge „eines
der grundlegendsten Merkmale des Föderalismus. Vom Standpunkt des Bürgers ist
es eine gute Sache, wenn Städte und Staaten in einem Wettbewerb stehen und
immer bessere Leistungen mit weniger Steuern anbieten können. Solch ein
Wettbewerb, Menschen anzulocken, mag den Sozialisten und jenen, die etwas gegen
die Marktwirtschaft haben, Kummer bereiten. Auch Beamte mögen es nicht, unter
Wettbewerb zu arbeiten. Aber für diejenigen, denen es um das Wohlergehen der
Mitbürger geht, funktioniert ein Staat gut, in dem Beamte unter diese Art von
Druck gestellt werden.“
Natürlich bleibt eines Zentralisierung von
Aufgaben dort sinnvoll, wo sie zu einer Einsparung behördlicher Fixkosten führen.
Aber: Je höher die politischen Integrationskosten, also die Summe aus
Konsensfindungskosten, Durchsetzungskosten und Frustrationskosten, ausfallen,
um so eher sollte eine Aufgabe nach unten verlagert, dezentralisiert werden.
Dergleichen sollte eine Aufgabe nach unten
verlagert werden, je höher die Informations- und Kontrollkosten bei einer
öffentlichen Aufgabenerfüllung ausfallen, denn die geringere Entfernung zum
Bürger bedingt bessere Durchsicht, und die lokale Verwaltungsbehörde vermag
Gegebenheiten vor Ort eher zu erkennen und darauf rascher einzugehen.
Schließlich sollte unter verwaltungstechnischen
Gesichtspunkten der Staat nur dort Aufgaben regeln, wo die Bürger, Privathaushalte
ebenso wie Unternehmen, diese Angelegenheiten nicht selbst besorgen können.
Regelungsumfang und Regelrungsdichte - leider häufig noch ein Problem! |
Der Regelungsumfang und die Regelungsdichte
zentralstaatlicher Maßnahmen muss dabei auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt
werden. Rahmenregelungen und Mindestvorschriften sind hierbei stets Detailregelungen
vorzuziehen.
Selbst wenn zentralstaatliche Maßnahmen
getroffen werden, so haben sie immer die finanzielle Eigenverantwortung unterer
Ebenen zu berücksichtigen. Die Einnahmeautonomie der kleineren Einheiten ist grundsätzlich
zu erhalten; ein Aufgabenzuwachs muss auch zur Anpassung der Finanzquellen führen.
Die unteren Ebenen müssen die Gelegenheit haben,
sich vor unberechtigten und willkürlichen Eingriffen höherer Ebenen und damit
vor Einschränkung ihres Zuständigkeitsbereichs zu schützen. Eine möglichst
mehrstufig gegliederte Verwaltungsgerichtsbarkeit hat daher die Einhaltung der
Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Ebenen des Staates zu sichern.
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