Jules Fernand Henri Léger (1881 – 1955) war ein
leidenschaftlicher Anhänger der modernen Technik, die ihn wegen ihrer übermenschlichen Kraft und faszinierenden Schönheit begeisterte. Dementsprechend
verwendete er für sein künstlerisches Schaffen Symbole der industriellen Welt
und stellte die von ihm ausgewählten Objekte und Menschen maschinenähnlich
dar.
Fernand Léger: Les Constructeurs (1950) |
Seit Beginn der 50er Jahr stand für Léger die
Arbeitswelt des Menschen im Zentrum seines Interesses. Ein Hauptwerk aus dieser
Zeit ist "Les Constructeurs". Légers Bild bietet zugleich eine gute Möglichkeit, den
anthropologischen Ansatz Arnold Gehlens (1904 – 1976) zu verfolgen.
Als Vertreter der modernen philosophischen
Anthropologie besteht Gehlens Anliegen darin, die Frage nach der Sonderstellung
des Menschen in der Natur zu beantworten.
Gehlen geht davon aus, dass die erste
Besonderheit des Menschen allein schon darin besteht, dass er „nicht festgestellt“ ist,
dass er sich selbst noch Aufgabe ist, d.h. die Notwendigkeit vorfindet, seine
eigene menschliche Existenz zu deuten. Dies sei nicht nur ein theoretisches
Bedürfnis, denn „ob sich der Mensch als Geschöpf Gottes versteht oder als
arrivierten Affen, wird einen großen Unterschied in seinem Verhalten ausmachen.“
Das Deuten interpretiert Gehlen also bereits als Handeln.
Arnold Gehlen |
Die zweite Besonderheit sieht Gehlen darin,
dass der Mensch morphologisch im Gegensatz zu allen höheren Säugetieren
hauptsächlich durch Mängel bestimmt ist, die er als Unangepasstheit und
Unspezialisiertheit beschreibt:
„Es fehlt das Haarkleid und damit der
natürliche Schutz gegen Wind und Kälte; es fehlen natürliche Angriffsorgane,
aber auch eine zur Flucht geeignete Körperbildung; der Mensch wird von den
meisten Tieren an Schärfe der Sinne übertroffen, er hat einen geradezu
lebensgefährlichen Mangel an echten Instinkten. Bereits während der Säuglings-
und Kinderzeit unterliegt er im Vergleich zu anderen Tieren einer
unvergleichlich langfristigen Schutzbedürftigkeit. Mit anderen Worten:
Innerhalb natürlicher Bedingungen würde er schon längst ausgerottet sein.“
So ist der Mensch von einer „einzigartigen
biologischen Mittellosigkeit.“ Aber diesen Mangel kann er durch seine
Arbeitsfähigkeit, d.h. durch seine Hände und seine Intelligenz ausgleichen.
Zwar ist der Mensch organisch ein „Mängelwesen“
und als solches in der Natur nicht überlebensfähig, aber er erschafft sich eine
zweite Natur, „eine künstliche und passend gemachte Ersatzwelt.“ In dieser
Kulturwelt kann er sich deuten, kann er handeln, und zwar als Kulturwesen.
Wir begegnen dem Menschen überall auf der
Welt, weil er überall leben kann. „Man
muss die Resultate seiner Hand- und Verstandesarbeit zu den physischen Existenzbedingungen des Menschen hinzunehmen, und diese Aussage
gilt für kein Tier. Ein Vogelnest ist niemals vorausschauend geplant sondern immer
nur rein instinktiv.“
Der Mensch dagegen hat gar keine andere
Chance, als sich als Kulturwesen zu verstehen. So beginnt er, Werkzeuge und
Technik zu entwickeln, die er benötigt, um die Natur um seiner Vorteile willen
zu nutzen, manchmal auch auszunutzen. In jedem Fall fühlt der Mensch sich in
dieser Technikwelt, die Léger so meisterlich dargestellt hat, ausgesprochen
wohl.
So ist der Mensch für Gehlen einerseits zwar
Mängelwesen, andererseits hat es gleichwohl „einen exakten und guten Sinn“, ihn
auch als Prometheus zu bezeichnen.
Zitate
aus: Arnold Gehlen: Der Mensch. Seine Natur und Stellung in der Welt, Wiesbaden
2003 (Aula) – ders.: Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung und
Selbstentdeckung des Menschen, Reinbeck 1961 (Rowohlt)
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