Adam Smith (1723 - 1790) |
Im 5. und letzten Buch seines Werkes „Der
Wohlstand der Nationen“ behandelt Adam Smith unter dem Titel „Die Finanzen des
Landesherren oder des Staates“ die drei klassischen Aufgaben des Staates: Landesverteidigung,
Justizwesen und Öffentliche Anlagen bzw. Einrichtungen.
Die Aufgaben des Staates ergeben sich nach
Smith aus der Beobachtung, dass der Mensch in seinem Verhalten seinen Mitmenschen
gegenüber nicht immer von sich aus die ethischen Normen beachtet, die für ein lebensfähiges
Gemeinwesen und ein friedliches Zusammenleben der Menschen notwendig sind.
Aus diesem Grund muss es in jedem Gemeinwesen
Einrichtungen geben, die die Macht haben, das Leben und das Eigentum nach außen
und nach innen zu schützen, Streit und Auseinandersetzungen gerecht zu
schlichten und den Menschen im Staat jene Güter und Dienstleistungen anzubieten,
die „ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug …
sein könnte, um die anfallenden Kosten zu decken“ (612).
Sicherlich lässt sich vielerorts bei Smith die
aus der Erfahrung gewonnene Skepsis erkennen, dass öffentliche Einrichtungen
dazu neigen, fremde Mittel nicht sinnvoll und sparsam zu verwenden, sie sogar nicht selten zu verschwenden, dennoch macht gerade dieses 5. Buch
deutlich, dass im System von Adam Smith der Staat keineswegs überflüssig ist.
Allein im Bereich der wirtschaftlichen
Tätigkeiten solle und müsse der Staat allerdings von der Aufgabe entbunden
sein, den Erwerbsfleiß der Bürger zu überwachen und zu lenken: „Ein Staatsmann,
der versuchen sollte, Privatleuten vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihr
Kapital investieren sollten, wurde sich damit nicht nur, höchst unnötig, eine
Last aufbürden, sondern sich auch gleichzeitig eine Autorität anmaßen, die man
nicht einmal einem Staatsrat oder Senat, geschweige denn einer einzelnen Person
getrost anvertrauen könnte … eine Autorität, die nirgendwo so gefährlich wäre
wie in der Hand eines Mannes, der, dumm und dünkelhaft genug, sich auch noch
für fähig hielte, sie ausüben zu können“ (371).
Ein bekannter Lehrer ... |
In anderen gesellschaftlichen Bereichen aber habe der Staat sehr wohl eine wichtige Funktion zu erfüllen. Smith positive Einstellung gegenüber den
öffentlichen Einrichtungen wird besonders deutlich am Beispiel der öffentlichen
Erziehung. Als Ökonom wendet Smith zwar stets eine Kosten-Nutzen-Analyse an,
die allerdings niemals nur auf die
finanziellen Ausgaben und Einnahmen abzielt - etwa bei der Frage der Besoldung
der Lehrer oder entsprechenden Leistungsanreizen - sondern selbstverständlich
auch die gesellschaftlichen Vorteile und Nachteile mit einbezieht.
Smith hat nur zu genau erkannt, dass das Prinzip der Arbeitsteilung auch soziale Gefährdungen enthält, weil „die Tätigkeit der überwiegenden
Mehrheit derjenigen, die von ihrer Arbeit leben … nach und nach auf einige
wenige Arbeitsgänge eingeengt“ wird. „Jemand, der tagtäglich nur wenige
einfache Handgriffe ausführt, die zudem immer das gleiche oder ein ähnliches Ergebnis
haben, hat keinerlei Gelegenheit, seinen Verstand zu üben … So ist es ganz
natürlich, dass der verlernt, seinen Verstand zu gebrauchen, und so
stumpfsinnig und einfältig wird“ (662).
Die Folge ist, dass dieser Mensch „die
wichtigen und weitreichenden Interessen seines Landes nicht beurteilen kann“
und schlimmer noch: „Ein solch monotones Dasein erstickt allen
Unternehmungsgeist“, so dass er schließlich die Fähigkeit verlernt, „seine
Kräfte mit Energie und Ausdauer für eine andere Tätigkeit als der erlernten
einzusetzen. Seine spezifisch berufliche Fertigkeit, so scheint es, hat er sich
auf Kosten seiner geistigen und sozialen Tauglichkeit erworben“ (662f).
Dies wäre die „Lage, in welche die Schicht
der Arbeiter, also die Masse des Volkes, in jeder entwickelten und
zivilisierten Gesellschaft unweigerlich gerät, wenn der Staat nichts
unternimmt, sie zu verhindern“ (663).
So spricht sich Smith klar für ein
öffentliches Schulwesen aus, in dem die Kinder schon früh „die elementaren
Grundlagen der Erziehung, nämlich Lesen, Schreiben und Rechnen“ erlernen mögen.
Auch wenn der Staat keinen unmittelbaren Vorteil aus der Schulausbildung der
breiten Volksschichten haben sollte, „so müsste er doch daran interessiert
sein, dass sie nicht Analphabeten bleiben“ (667).
Öffentliche Schule im 18. Jahrhundert |
Aber Smith geht es um mehr als nur um das Erlernen von Grundkompetenzen. Ziel der Erziehung müsse immer das kritische und selbstständige Denken sein: „Denn je gebildeter die Bürger sind, desto weniger sind sie Täuschungen, Schwärmerei und Aberglauben ausgesetzt, die in rückständigen Ländern häufig zu den schrecklichsten Wirren führen. Außerdem ist ein aufgeklärtes und kluges Volk stets zurückhaltender, ordentlicher und zuverlässiger als ein unwissendes und ungebildetes ... Er ist dann auch eher geneigt, die Ziele hinter dem Geschrei nach Zwietracht und Aufruhr kritisch zu prüfen und fähiger, sie zu durchschauen“ (667).
So schließt Smith diesen Abschnitt seines
Werkes mit einem Satz, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat: „In
freien Gemeinwesen, in denen der Bestand einer Regierung weitgehend von dem
zustimmenden Urteil abhängt, welches sich die Bevölkerung über ihre Politik
bilden mag, muss es ganz sicher von äußerster Wichtigkeit sein, dass die
Menschen nicht dazu neigen sollten, politische Entscheidungen voreilig oder
launenhaft zu beurteilen“ (668).
Adam Smith starb im Jahre 1790. Genau 80
Jahre später wurde in England die allgemeine Schulpflicht durch William Edward
Forsters Elementary Education Act 1870, eingeführt wurde – eine Forderung, die
auch John Stuart Mill in seiner Schrift „Über die Freiheit“ vehement vertreten hatte.
Zitate
aus: Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und
seiner Ursachen, München 2009 (dtv)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen