Isaiah Berlin |
Positive Freiheit, Freiheit
zu oder auch Freiheit, sein eigener
Herr zu sein (211), beschreibt die Möglichkeit der Selbstverwirklichung des Menschen und
wird insbesondere verstanden als Freiheit zur individuellen politischen
Teilnahme im Rahmen eines demokratisch verfassten Staates.
Es fällt also relativ leicht zu sagen, dass eine
demokratische Gesellschaft zugleich auch eine freie ist, weil jeder Bürger
dieser Gesellschaft frei ist am politischen Prozess zu partizipieren. Gleichwohl stellt
sich die Frage, ob der Staat überhaupt durch sein politisches Handeln die positive
Freiheit der Bürger verwirklichen kann und soll und wenn ja, mit welchen Mitteln
er sie erreichen will und in welchem Maße der Einsatz von Zwang dabei erlaubt
ist.
Negative Freiheit, Freiheit
von oder auch Freiheit als ungestörtes,
ungehindertes Tun ohne die Einmischung von außen, „bezeichnet den Bereich,
in dem sich ein Mensch ungehindert durch andere betätigen kann“ (201), in dem also
keine von einer Regierung, der Gesellschaft oder anderen Menschen ausgehenden
Zwänge ein individuelles Verhalten erschweren oder verhindern.
Besonders interessant ist die Unterscheidung von negativer
und positiver Freiheit im Hinblick auf die historische Entwicklung des
Freiheitsbegriffes, denn „historisch betrachtet haben sich der `positive´ und
der `negative´ Freiheitsbegriff … in entgegengesetzte Richtungen entwickelt,
bis sie zuletzt direkt in Konflikt miteinander gerieten“ (211).
So war die Aufklärung im Verbund mit dem Rationalismus und
der Wissenschaft in ihren Grundzügen eine Bewegung der positiv verstandenen Freiheit. Für die Anhänger der positiven
Freiheit ist das Problem der Macht zentral, stets geht es um die Frage wer
herrscht und wie man die Staatsgewalt in die Hand bekommen kann. Sie glauben zudem
alles über das Wesen des Menschen zu wissen, wer und was der Mensch ist und
worin der Zweck seines Lebens besteht - und sie waren meistens auch bereit, ihr
Menschenbild mit Macht und Gewalt durchzusetzen.
Diese Bewegung ist bereits in ihren Anfängen unter der totalitären
Herrschaft Robespierres in Terror
umgeschlagen. Später wird es der „proletarische Zwang“ sein, der „in all seinen
Formen, von der Exekution bis zur Zwangsarbeit, so paradox das klingen mag, die
Methode ist, mit der … die kommunistische Menschheit geformt wird.“ (Safranski,
181).
Der Liberalismus, die andere geistige Haltung des 18.
Jahrhunderts, wurzelt dagegen im negativen Freiheitsbegriff. Seine Anhänger
stehen der Frage der Herrschaft grundsätzlich skeptisch gegenüber, weil sie
wissen, dass Macht stets missbraucht werden kann.
Statue of Liberty |
Das Prinzip der Gewaltenteilung gilt auch für das Verhältnis
zwischen Staat und Bürger. Hier findet der negative Freiheitsbegriff seine
klassische Anwendung. Theoretiker wie Locke,
Mill und Toqueville waren der Ansicht,
„dass es einen bestimmten persönlichen Freiraum geben müsse, der unter keinen
Umständen verletzt werden dürfe; andernfalls fehle dem Individuum jenes
Mindestmaß an Platz, das notwendig ist, um jene natürlichen Fähigkeiten zu
entwickeln, die es ihm überhaupt erst ermöglichen, die verschiedenen Zwecke,
die Menschen für gut, richtig oder heilig halten, zu verfolgen oder auch nur zu
erkennen“ (203).
Die Formulierungen der Freiheits- und Menschenrechte dienen daher dem Zweck, einen individuellen
Bereich zu definieren, der vor Eingriffen der politischen Gewalt geschützt
werden soll. Der negative Begriff der Freiheit zielt auf die Verteidigung von
Grundfreiheiten und definiert Freiheit vorrangig als politisches Freiheitsrecht, als Schutz gegen politische
Eingriffe, als Freiheit von der
Politik.
Jeder solle vielmehr nach
seiner Facon selig werden können. Die existentiellen Fragen der Individuen,
Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Moral oder der Religion bleiben der
Freiheit und Entscheidungsgewalt des Einzelnen überlassen. Kein Staat hat das
Recht, den Menschen auf eine bestimmte Identität, auf eine bestimmte Form der
Glückseligkeit oder ein bestimmtes Lebensziel festzulegen, wie wohlwollend und
positiv besetzt sie auch sein mögen.
Zitate
aus: Isaiah Berlin: Freiheit. Vier Versuche, Frankfurt am Main 2006 (fischer)
Weitere
Literatur: Rüdiger Safranski: Das Böse oder Das Drama der Freiheit, Frankfurt
am Main 2004 (fischer)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen