Marcus Tullius Cicero (106 - 43 v.Chr.) |
Im
Herbst 44 v.Chr. schrieb Marcus Tullius Cicero – Politiker, Rechtsanwalt,
Schriftsteller und Philosoph – eines der schönsten Werke über die Freundschaft:
„Laelius de amicitia“.
„Amicitia“ war in der Rom gewöhnlich der
Begriff, mit dem man alle Freundschaften im philosophischen, sozialen und politischen
Bereich bezeichnete. Zur Beschreibung einer persönlichen Freundschaft dagegen
verwendete man den Terminus „familiaritas“.
Vor
allem in der römischen Republik waren die politisch-freundschaftlichen
Beziehungen zwischen hochgestellten Personen wichtig, um sich gegenseitig bei
Wahlen oder Prozessen zu unterstützen. Eine ähnliche Funktion besaß auch der
Patron als amicus seiner Klienten.
„Für eine gute Herrschaft gibt es keine bessere Hälfte als verlässliche und
verständige Freunde“, schreibt Tacitus (Historien, IV,7).
Aufschlussreich
ist die Tatsache, dass eine politische Freundschaft nicht notwendig zugleich
auch eine persönliche sein musste. Cicero beispielsweise nannte Quintus Fufius
Calenus einen amicus, obwohl er ihn
persönlich nicht ausstehen konnte (Briefe an Atticus, 15,4,1).
In
der Kaiserzeit galten alle hohen Funktionsträger als amici augusti. Ein „kaiserlicher Freund“ hatte zwar einen hohen
sozialen und politischen Stand, der Verlust der kaiserlichen Freundschaft
hingegen bedeutete für nicht Wenige den sicheren Tod.
Vor
diesem Hintergrund schreibt Cicero seinen Laelius
und verteidigt eine philosophische Sicht der amicitia.
Das Werk hat die Form eines Dialoges, an dem Gaius Laelius und seine beiden
Schwiegersöhne Quintus Mucius Scaevola und Gaius Fannius teilnehmen.
Laelius
selbst war Staatsmann (Konsul 140 v.Chr.) und Offizier, aber auch ein
angesehener Redner. Er pflegte einen regen Umgang mit Schriftstellern, hatte
vielfältige philosophische Interessen und war berühmt für seine klugen Gedanken,
was ihm den Beiname sapiens
einbrachte. Das Gespräch spielt im Jahr 129 v.Chr., kurz nach dem Tod von
Scipio Aemilianus, mit dem Laelius eine tiefe und beispielhafte Freundschaft
verband.
Das
Werk ist klar gegliedert: Das Proömium und das abschließende Lob auf die Tugend
umrahmen den Hauptteil, in dem vier Aspekte des Themas behandelt werden: Der
Wert der Freundschaft, das Wesen der Freundschaft, die Freundschaft zwischen
Waisen und gewöhnliche Freundschaften.
Handschrift aus der Biblioteca Palatina (Heidelberg, 15. Jh.) |
Cicero
beginnt seine Schrift unter der Prämisse, dass die Freundschaft den Vorzug vor
allen irdischen Gütern verdient. Sie setze vollkommene Übereinstimmung zwischen
zwei Menschen in allen göttlichen und menschlichen Dingen voraus, verbunden mit
Wohlwollen und Liebe. Freundschaft ist somit als das höchste aller äußeren
Güter zu betrachten, denn während alle anderen äußeren Güter nur einzelnen
Zwecken dienen, verbreitet sich die Freundschaft über die meisten
Lebensverhältnisse und ist immer angenehm (18ff).
Der
Grund wahrer Freundschaft ist die auf Tugend beruhende Liebe, nicht Hilfsbedürftigkeit.
Wird diese auf Tugend beruhende Liebe durch gegenseitige Leistungen und durch
persönliche Zuneigung befestigt, so erreicht Freundschaft ihre wahre
Vollkommenheit und ist geschützt gegen alle Gefahren.
Freundschaft
ist für Cicero untrennbar verbunden mit der Tugend, denn die Tugend ist nicht
nur der Ursprung aller Freundschaft, sondern ohne sie kann keine Freundschaft
bestehen (23).
So
dürfe man weder von dem Freunde etwas Unsittliches verlangen, noch dem Freunde
gewähren. Für Cicero besteht dabei das Unsittliche im Sinne eines römischen
Staatsmannes in allem , was dem Staat nachteilig sein kann. Eine Freundschaft
zu jemandem, der eine feindliche Gesinnung gegen die römische Republik hegt, ist
somit sofort wieder aufzulösen (36ff).
Zur
Freundschaft gehöre auch ein gemeinsames Bemühen um ein vorbildliches Leben,
bei dem jeder des anderen Kritiker sein sollte. So sei es die Pflicht der
Freunde, auch unaufgefordert im Sinne der Tugend dem Freunde mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen, sowie auch dessen wohlmeinenden Ermahnungen Folge zu
leisten.
In
diesem Zusammenhang sind die Eigenschaften eines Freundes für Cicero von
entscheidender Bedeutung, darunter Charakterfestigkeit, Treue und, damit
verbunden, Aufrichtigkeit, Umgänglichkeit und Gleichheit der Gesinnung. Zu
diesen Eigenschaften muss aber auch eine gewisse Liebenswürdigkeit des Wesens
als Würze der Freundschaft hinzutreten (62ff). So ist Cicero auch der Ansicht,
dass „wahre Freundschaft mit hohen Ehren- und Machtpositionen schwerlich zu
vereinen ist“ (64).
Was
aber, wenn keine Gleichheit zwischen zwei Freunden vorliegt? Dann müsse eben
Gleichheit hergestellt werden, indem es für die Höherstehenden eine Pflicht ist,
sich zu den Niedrigeren herabzulassen und sich ihnen gleichzustellen. Für die
Niedrigeren aber besteht die Pflicht darin, sich moralisch zu erheben und über
die Vorzüge des anderen nicht verdrießlich zu werden (71ff).
Grundsätzlich
gilt, dass man vom Freunde nicht verlangen darf, was man selbst nicht sein und
leisten kann: Sei zuerst selbst gut, sodann suche einen dir einen dir Ähnlichen!
Die Freundschaft ist dem Menschen von der Natur nicht als Gefährtin zum Laster,
sondern als Gehilfin der Tugend gegeben. Die Tugend in Gemeinschaft mit der
Freundschaft ist fähig das höchste Ziel zu erreichen, das heißt die auf
Vernünftigkeit und Sittlichkeit beruhende Glückseligkeit (83ff).
Von
solcher Art war die Freundschaft zwischen Laelius und Scipio, von solcher Art
sollte jede Freundschaft sein.
Zitate
aus: Cicero: Laelius. Über die Freundschaft, Stuttgart 1986 (Reclam) -- Der
lateinische Text ist online zu finden bei Wikisource, oder auch, teilweise mit deutscher Übersetzung,
im Oracle Think Quest,
ansonsten auch beim Projekt Gutenberg.
Weitere
Literatur: Karl Büchner: Der Laelius Ciceros, in: Museum Helveticum, Bd. 9, 1952, S. 88ff -- Alexander Demandt: Das Privatleben der römischen Kaiser, München 1997 (C.H.Beck)
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