Donnerstag, 31. Mai 2012

Konfuzius und die Pflichten des Einzelnen


Konfuzius (551 - 479 v. Chr.)
Konfuzius, der großen Lehrer der chinesischen Philosophie, vertrat eine an der „Goldenen Regel“ orientierte Wohlwollensethik, die auch mit dem Begriff "Agapismus" bezeichnet wird. 

Das Ziel im Leben eines jeden Menschen bestehe nach Konfuzius darin, ruhig und besonnen leben, um auf diese Weise sein inneres Gleichgewicht zu finden, das wiederum mit dem Gleichgewicht in der Natur und im Kosmos korrespondiert.

In diesem Zusammenhang spielt die Lehre von den Pflichten bei Konfuzius eine entscheidende Rolle. Er unterscheidet hier zwischen den Pflichten des Einzelnen sich selbst gegenüber, den Pflichten in der Familie und den Pflichten in Staat und Gesellschaft.

Wenn Konfuzius vom Einzelnen spricht, dann meint er zunächst den „Edlen“ oder „Vollkommenen“. Ihm gegenüber steht „das Volk“ oder der „Gemeine“. Zwar spiegelt sich in diesen Begrifflichkeiten kein Klassenunterschied wider, wohl aber ein hierarchisches Denken. Denn der Edle steht kraft seiner Tugend und Bildung nach Konfuzius über dem Volk:

„Der Meister sprach:
Der Edle stellt Anforderungen an sich selbst, der Gemeine stellt Anforderungen an die anderen Menschen (158).
Der Edle liebt den inneren Wert, der Gemeine liebt das Irdische; der Edle leibt das Gesetz, der Gemeine sucht die Gunst (60).
Der Edle ist bewandert in der Pflicht, der Gemeine ist bewandert im Gewinn (61).

Im Gegenzug verlangt Konfuzius freilich viel vom Edlen: Er soll zunächst und vor allem Wohlwollen entwickeln. Er soll nichts Unrechtes tun, ein moralisches Vorbild sein, Selbstbeherrschung und Zurückhaltung üben und stets seine persönliche Würde bewahren.

„Der Meister sprach: Ein Edler, der eine umfassende Kenntnis der Literatur besitzt und sich nach den Regeln der Moral richtet, mag es wohl erreichen, Fehltritte zu vermeiden (79).

„Der Meister sprach: Zum Pfad des Edlen gehören drei Stücke: Sittlichkeit macht ihn frei von Leid, Weisheit macht ihn frei von Zweifeln, Entschlossenheit macht in frei von Furcht (148).

Konfuzius im Gespräch mit seinen Schülern

Darüber hinaus soll der Edle lernen und immer wieder lernen und dabei seine Fähigkeiten weiter ausbilden:

„Der Meister sprach:
Lerne, als hättest du es nicht erreicht, und dennoch fürchtend, es zu verlieren (95).
Ein Edler, der beim Essen nicht nach Sättigung fragt, beim Wohnen nicht nach Bequemlichkeit fragt, eifrig im Tun und vorsichtig im Reden, sich denen, die Grundsätze haben, naht, um sich zu bessern: der kann ein das Lernen Liebender genannt werden (41).

Der Edle spricht nicht viel, sondern er handelt – und zwar richtig:

„Der Meister sprach:
Der Edle liebt es, langsam im Wort und rasch im Tun zu sein. (63).
Er schämt sich davor, dass seine Worte seine Taten übertreffen (147).

Wichtig ist der Gedanke, dass der Einzelne bei Konfuzius stets im Kontext seiner sozialen Beziehungen gesehen wird. So ist das letzte Ziel der Sorge des Edlen für sich selbst auch die andren: Familie, Freunde, Regierende und somit das gesamte Volk.

Um ihnen allen möglichst viel Nutzen bringen zu können, vervollkommnet sich der Edle. So kann er schließlich auch mit der Erfüllung eines anderen Wunsches hoffen: auf Nachruhm.

„Der Meister sprach: Der Edle hasst den Gedanken, die Welt zu verlassen, ohne dass sein Name genannt wird“ (158).

Zitate aus: Kungfutse: Gespräche. Lun Yü, übersetzt und erläutert von Richard Wilhelm, München 1994 (Diederichs)


Donnerstag, 24. Mai 2012

Bertrand Russell und die Gerechtigkeit


In seinem Buch „Denker des Abendlandes. Eine Geschichte der Philosophie“ (1945) setzt sich Bertrand Russell unter anderem auch kritisch mit dem Begriff der Gerechtigkeit bei Platon auseinander.

Bertrand Russell (1872 - 1970)
Platon entwickelt die Idee der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Lehre vom idealen Staat in seinem Werk „Politeia“. Wie die meisten antiken Philosophen ging auch Platon von einer natürlichen Ungleichheit der Menschen aus, die direkt in einen ständischen Aufbau des Staates mündete:

So sind besonnene Bauern und Handwerker für die materielle Erhaltung des Staates verantwortlich, tapfere Krieger sorgen für den äußeren und inneren Frieden und weise Philosophen-Könige üben die Herrschaft aus, weil nur sie nach jahrelanger theoretischer und praktischer Ausbildung für diese Aufgaben hinreichend qualifiziert sind.

Für Platon ist Gerechtigkeit dann erreicht, wenn „jeder Einzelne von dem, was zum Staat gehört, nur ein einziges Geschäft treibt - und zwar jenes, für das seine Natur am geschicktesten angelegt sei“, wenn also „jeder das Seine tut und nicht vielerlei Dinge treibt.“ Für Platon ist „Vielgeschäftigkeit der drei verschiedenen Stände und ihr Umtauschen untereinander ein Verbrechen gegen den Staat". Gerechtigkeit als oberste Tugend könne nämlich erst dann entstehen, wenn die Mitglieder der drei Stände allein ihre Funktion einschließlich der ihr eigenen Tugend (Besonnenheit, Tapferkeit, Weisheit) ausüben: „Wenn der gelderwerbende, hilfeleistende, wachende Stand jeder seine Pflicht im Staat erfüllt, so wird diese Pflichterfüllung Gerechtigkeit sein und den Staat gerecht machen.“

Für Russell ist nun nicht das Prinzip der Arbeitsteilung an sich das Problem – „dass sich jeder um seine Arbeit kümmern sollte, ist zweifellos eine wunderbare Vorschrift“ -, sondern die Ableitung von Gerechtigkeit aus diesem Prinzip.

Auch das Prinzip der Eignung hat in bestimmten Fällen durchaus seine Berechtigung: „Niemand hält es für ungerecht, in einem Fußballkampf nur die Besten herauszustellen, obwohl sie dadurch eine große Überlegenheit gewinnen. Würde das Fußballspiel genauso demokratisch gehandhabt wie die Regierung in Athen, dann müssten Studenten, die für ihre Universität spielen, durch das Los bestimmt werden.“

Die Kritik Russells richtet sich vielmehr gegen die fehlende Anbindung des Gerechtigkeitsbegriffes an die Idee der Gleichheit: „Unter dem Einfluss der demokratischen Theorie sind wir dazu gelangt, Gerechtigkeit mit Gleichheit zu verbinden, während Platon diesen Zusammenhang nicht kennt.“

Russell versteht unter „Gleichheit“ vor allem „Chancengleichheit“, während Platons Definition von Gerechtigkeit vor allem ungleiche Machtverhältnisse und Vorrechte ermögliche, ohne dass damit für ihn Ungerechtigkeit verbunden wäre.

Vor allem aber kann es Platon zufolge niemandem selbst überlassen werden, sich den Beruf auszuwählen, „zu dem seine Natur am geschicktesten angelegt sei.“ Vielmehr müsse der Staat jedem Bürger eine seiner Eignung entsprechende Tätigkeit zuweisen. Bestimmte Tätigkeiten, die von den staatlichen Stellen als verderblich gehalten werden – Platon geht es hier vorrangig um Dichter – wären grundsätzlich für alle Menschen verboten. Ob es in Platons Staat überhaupt Kunst und Wissenschaft geben würde, bleibt daher mehr als ungewiss.

Ähnlich argumentiert Karl Raimund Popper, wenn er sagt: „Es ist diese Einstellung – die Ablehnung der Idee der Gleichberechtigung im politischen Leben, das heißt in dem Bereich, in dem es um die Gewalt von Menschen über andere Menschen geht – die ich für ein Verbrechen halte. Denn eine solche Einstellung liefert eine Rechtfertigung für die Idee, dass Menschen das Recht haben, andere als ihr Werkzeug zu verwenden.“

Die Erfahrung aus der Geschichte gibt Popper mehr als Recht: Platons Gerechtigkeitsprinzip „Jedem das Sein“ wurde von den Nationalsozialisten als zynische Begrüßung über dem Eingang zum Konzentrationslager Buchenwald angebracht …

Eingang zum Konzentrationslager Buchenwald


Zitate aus: Russell, Bertrand: Denker des Abendlandes. Eine Geschichte der Philosophie, Stuttgart 2005 (Gondrom)

Weitere Literatur. Platon: Der Staat, in: Platon: Werke in drei Bänden, Bd. 2, Heidelberg 1982 (Lambert Schneider), hier: 4. Buch (433A ff)  --  Karl Raimund Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 2, Tübingen 1992 (utb)


Freitag, 18. Mai 2012

Der "Retablo de la Vida Antigua" und die ästhetische Geschichtsschreibung

El "Retablo de la Vida Antigua" y la Historiografía estética


Alle Dinge haben ihre Philosophie! Auch Geschichtschreibung ist Philosophie – Philosophie des Geschehenen. Der Satz „Alle Dinge haben ihre Philosophie“ bedeutet aber noch mehr: „Alle Dinge sind Philosophie.“

¡Todas las cosas tienen su Filosofía! También la Historiografía es Filosofía - la Filosofía de los hechos. Pero la frase "Todas las cosas tienen su Filosofía" significa algo más: "Todas las cosas son Filosofía."
 
Der menschliche Geist hat die eigentümliche Eigenschaft nach der Idee zu forschen, die in jeder Tatsache, in jedem Faktum verborgen liegt - denn oft pflegen die Dinge erst viel später ihren wahren Sinn zu offenbaren. 

La mente humana tiene la extraña costumbre de investigar sobre las ideas que se escondan en cada realidad, en todos los hechos – consciente de que a menudo las cosas revelan su verdadero significado mucho después. 

Dass die Dinge geschehen, ist an sich nicht bedeutsam. Aber, dass sie gewusst werden, dass man sich ihrer bewusst wird, dass man sie nicht vergisst – das ist alles. 

El hecho de que las cosas sucedan no es en sí mismo significativo. En cambio el hecho de que uno se dé cuenta de ellas, que sea consciente de ellas, que no las olvida – eso lo es todo. 


Retablo de la Vida Antigua

Das klingt schon nicht mehr nach Geschichtsschreibung, sondern eher nach Dichtung: Die ganze Welt scheint für den Dichter geschaffen zu sein und auch die ganze Weltgeschichte scheint keinen anderen Inhalt zu haben als „Dichtung und Wahrheit.“ 

Eso ya no suena a Historiografía, sino más bien a poesía. El mundo entero parece haber sido creado para el poeta y toda la historia del mundo parece no tener otro contenido que “ Poesía  y Realidad.”

Schon Aristoteles hatte den Unterschied zwischen Geschichtsschreiber und Dichter dahingehend beschrieben, dass „der eine berichtet, was geschehen ist, der andere, was geschehen könnte“ (Poetik, 9). 

Ya Aristóteles había descrito la diferencia entre el historiador y el poeta, en el sentido de que " uno relata lo que ha sucedido, el otro lo que podría suceder" (Poética,9).

In der Geschichtsschreibung unterscheidet man gewöhnlich drei verschiedene Arten: eine referierende oder erzählende, die Begebenheiten berichtet, eine pragmatische oder lehrhafte, die die Ereignisse mit einer bestimmten Absicht verknüpft und zugleich einen praktischen Nutzen aus ihnen ziehen will, und eine genetische oder entwickelnde, die darauf abzielt, die Geschehnisse als einen organischen Zusammenhang und Verlauf darzustellen. 

En la Historiografía se suele distinguir tres tipos: La Historiografía narrativa, que cuenta los acontecimientos; la Historiografía pragmática, que, partiendo de una determinada intención, vincula los hechos con el propósito de obtener un provecho práctico de ellos y la Historiografía genética, que busca retratar los hechos desde una perspectiva orgánica de la historia.

Diese Einteilung ist nichts weniger als scharf, weil, wie man auf den ersten Blick sieht, diese Betrachtungsarten ineinander übergehen. 

Como se puede ver a primera vista esta clasificación no es perfecta, porque las formas de ver la historia siempre están vinculadas entre ellos.

Ein hervorragendes Beispiel für die Verknüpfung von referierender und pragmatischer Geschichtsschreibung ist der Blog "Retablo de la Vida Antigua. Cuaderno sobre la vida de los Españoles de ayer" (bei blogspot seit Dezember 2007). 

Un excelente ejemplo de la combinación de la Historiografía narrativa y la pragmática es el blog "Retablo de la Vida Antigua. Cuaderno sobre la vida de los Españoles deayer" (en blogspot desde diciembre de 2007).

Ein Blick in die Labels (Stand: Mai 2012) verrät zunächst das historische Interesse des Autors: 16. Jahrhundert (22 Einträge), 17. Jahrhundert (57 Einträge) und 18. Jahrhundert. (32). Dann fällt die große thematische   Vielfalt der Einträge auf, darunter: Soldaten (16), Stierkampf (14), Goyescos (17), Jaén (29) oder die Religiosität des Barock (21). Vor allem aber gibt es zwei Labels, die auf Themen hinweisen, denen der Blog letztlich auch seinen Namen verdankt: Menschen aus anderen Zeiten (39) bzw. Menschen und Mentalitäten (31). 

Un vistazo a las etiquetas (el último en mayo de 2012) pone de manifiesto el interés histórico del autor: Siglo XVI (22 entradas), Siglo XVII (57) y Siglo XVIII (32). Destaca también la gran variedad de  temas incluyendo: los soldados (16), tauromaquia (14), goyescos (17), Jaén (29) o la religiosidad barroca (21). Sobre todo encuentra el lector dos temas que se refieren a cuestiones que, en definitiva, han sido la causa por la que el blog lleva éste nombre: gente de otro tiempo (39) y mentalidades (31).

Wirft man einen ersten Blick in die Geschichten des Retablo, kann man schnell feststellen, dass es dem Autor um einen anschaulichen Bericht des Geschehenen geht, bei dem eindeutig das ästhetische – auch das sprachästhetische - Moment überwiegt. 

Echando un primer vistazo a las historias del "Retablo", se nota rápidamente que el autor no sólo quiere dar una descripción gráfica de lo ocurrido, sino además una descripción claramente estética – incluyendo un lenguaje estético.

Es scheint zunächst so, dass bei dieser erzählenden und ästhetischen Geschichtsschreibung die sachliche Wiedergabe der Tatsachen im Vordergrund steht – nicht zuletzt, um das Ideal einer objektiven Darstellung zu erreichen. Aber schon das reine Erzählen erhält durch die unvermeidliche Auswahl und Anordnung der Fakten einen klaren individuellen Charakter. Aber darin besteht letztlich auch die eigentliche Funktion allen Denkens, auch historischen Denkens, nämlich, dass es ausnahmslos selektiv verfährt und zugleich die der Wirklichkeit entnommenen Ausschnitte in eine bestimmte Anordnung bringt. 

Parece que en la Historiografía narrativa y estética está en primer plano el relato fiel de los hechos - con el fin de alcanzar el ideal de una descripción objetiva. Pero incluso el intento de una narración pura recibe a través de la inevitable selección y disposición de los hechos un carácter evidentemente individual. Parece que esa es en última instancia la función propia de todo pensamiento – también del pensamiento histórico, el hecho de que siempre actúa de forma selectiva y al mismo tiempo intenta poner los recortes tomados de la realidad en un determinado orden. 

Während sich das Denken und Vorstellen in den Naturwissenschaften in den strengen Grenzen eindeutiger Gesetze bewegt, wird im Retablo die Auswahl des historischen Materials nach freiem Ermessen bestimmt – als Mosaik aus unzähligen Einzelheiten des Alltags. Es bleibt hier dem historischen Takt des Autors überlassen, welche Details er auslässt, welche er nur andeutet, welche er breit ausmalen möchte.

Mientras que en las Ciencias el pensamiento y la imaginación tienen que moverse dentro de los límites estrictos de las leyes de la naturaleza, en el “Retablo” la selección del material histórico se realiza según el libre y propio criterio del autor - como si fuera un mosaico de incontables detalles de la vida cotidiana. Es tarea solo  del autor y de su delicadeza histórica decidir qué detalles dejará de lado, cuáles serán insinuados y cuáles profusamente coloreados. 

Julián Romero de las Azanas (El Greco)
Egon Friedell hat in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“ dafür den Unterschied zwischen Landkarte und Portrait verwendet: „Geograph und Biograph verhalten sich zueinander wie Landkarte und Porträt. Welche Erdfurchen in eine geographische Karte aufzunehmen sind, sagt uns ganz unzweideutig unser geometrisches Augenmaß, das bei allen Menschen gleich und außerdem mechanisch kontrollierbar ist; welche Gesichtsfurchen in ein biographisches Porträt aufzunehmen sind, sagt uns nur unser künstlerisches Augenmaß, das bei jedem Menschen einen anderen Grad der Feinheit und Schärfe besitzt und jeder exakten Revision entbehrt.“ 

Egon Friedell en su "Historia cultural de la Edad Moderna” ha utilizado la diferencia entre el mapa y el retrato para aclarar la diferencia existente entre Historiografía y Ciencia: El geógrafo y el biógrafo se relacionan entre sí como un mapa y un retrato. La cuestión de qué pliegues deben ser incluidos en un mapa geográfico depende exclusivamente de nuestro sentido geométrico, que además es el mismo para todas las personas y también es controlable. En cambio la cuestión de cuáles son las arrugas que hay que incluir en un retrato biográfico depende solo de nuestro juicio artístico, que tiene en cada persona un grado distinto de finura y agudeza y carece de una comprobación exacta."
 
Gleichwohl ist die Darstellung im Retablo niemals nur erzählend, sondern immer auch pragmatisch. Sie ist ihrer innersten Natur nach tendenziös, und zwar gewollt und bewusst tendenziös. Dieser normativ-philosophische Bezug macht den Retablo zu einem hervorragenden Beispiel für die pragmatischen Darstellung von Geschichte, der es um die lehrhafte Nutzanwendung, um die »Moral der Geschichte« geht. Diese Moral zu entdecken, bleibt freundlicherweise dem Leser selbst überlassen. 

Sin embargo, en el “Retablo” la narración no es solo descriptiva, sino también siempre pragmática. Es tendenciosa por su propia naturaleza, y, de hecho, es tendenciosa de forma intencionada y consciente. Es esa referencia normativo-filosófica lo que hace del “Retablo” un excelente ejemplo de la visión pragmática de la Historia, que quiere instruir y sacar una aplicación práctica de la "moraleja de la historia." El autor deja amablemente el descubrimiento de esa moraleja en manos del lector.

So entfernt sich Retablo von der reinen Wissenschaft, die bloß feststellen will. Er erblickt im gesamten Weltgeschehen eine Sammlung von Belegen und Beispielen für gewisse Lehren, die er zu erhärten und zu verbreiten wünscht. So erhält der Retablo einen ausgesprochenen und betonten Lesebuchcharakter – auf den der Untertitel des Blogs ja auch unmissverständlich hinweist: "Cuaderno sobre la vida de los Españoles de ayer.“ 

De esa manera, el “Retablo” se aleja de una ciencia pura que solo se limita a verificar. En cambio, encuentra en todos los acontecimientos de la historia humana una rica colección de asuntos y ejemplos para determinadas lecciones que quiere difundir y en las que quiere profundizar. Esto le da al “Retablo” un carácter manifiesto y acentuado  de cuaderno de lectura – un hecho que señala de forma inequívoca el subtítulo del blog: “Retablo de la vida antigua. Cuaderno sobre la vida de los Españoles de ayer.”


Herzlichen Glückwunsch! Felicidades!

Literatur: Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit: Die Krisis der europäischen Seele von der schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg, München 2007 (C.H. Beck).  


Donnerstag, 10. Mai 2012

Richard Wagner und die Kunst der bürgerlichen Gesellschaft

Im Jahre 1848 ist Richard Wagner auf der Flucht. In Deutschland wird er steckbrieflich gesucht. Er hatte im Frühjahr 1849 zusammen mit Bakunin an den Vorbereitungen zu einem bewaffneten Aufstand gegen den sächsischen König teilgenommen.

Richard Wagner (1813 - 1883)
Die Dresdener Revolte wird jedoch im Mai 1849 niedergeschlagen, die Rädelsführer verhaftet. Wagner kann sich – mit Hilfe Franz Liszts – in die Schweiz retten. Hier in Zürich entsteht eines von Wagners Hauptwerken: „Die Kunst und die Revolution“.

Revolution und Kunst haben Wagner zufolge ein gemeinsames Ziel: „Dieses Ziel ist der starke und schöne Mensch: die Revolution gebe ihm die Stärke, die Kunst die Schönheit!“

„Kunst und Revolution“ ist eine bittere Analyse der kulturellen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu der von Wagner idealisierten Kultur der griechischen Polis  würde die Kunst seither „nur ab und zu ihre blitzenden Strahlen in die Nacht des grübelnden Wahnsinns der Menschheit senden und wäre nie wieder Ausdruck einer freien Allgemeinheit geworden.“

Die Kunst sei zu einer Ware verkommen, schreibt Wagner, geeignet einzig zum Geld- und Ruhmerwerb und damit notwendigerweise abhängig von den Zwängen von Kommerzialisierung und Privatisierung: „Ihr wirkliches Wesen ist die Industrie, ihr moralischer Zweck der Gelderwerb, ihr ästhetisches Vorgeben die Unterhaltung der Gelangweilten.“

Ebenso ist der Künstler zum Produzenten geworden - für Wagner ein skandalöser Vorgang, da Kunst doch als Ausdruck menschlicher Schöpferkraft eine Würde an sich besitzt. Er vergleicht das künstlerische Handwerk, das dem schaffenden Künstler, dem das Produzieren seiner „Arbeit“ eine Freude macht und ihn befriedigt, mit der Tätigkeit des Handwerkers, der meist ohne Freude und mit dem Zwang, nämlich fremde Bedürfnisse gegen Geldzahlungen zu befriedigen, sein Tun nur als Mühe, als traurige, saure Arbeit sieht.

So könne der Künstler nunmehr auch mehr und mehr durch Maschinen ersetzt werden und wäre somit ein Sklave der Industrie, „deren Fabriken ein jammervolles Bild tiefster Entwürdigung des Menschen, ein beständiges, geist- und leibtötendes Mühen ohne Luft und Liebe; oft fast ohne Zweck“ darstellen.

Die Sklaverei des Kapitalismus entwürdige die Kunst, setze sie herab zum bloßen Mittel: „Unterhaltung für die Massen, Luxusvergnügen für die Reichen.“ Auf den Künstlern laste der Zwang zur oberflächlichen Originalität. Wer etwas gelten wolle, müsse sich krampfhaft von seinen Mitbewerbern unterscheiden. Es herrscht das Geld und die Orientierung am ökonomischen Nutzen – das ist die Religion der Gegenwart.

Die Schuld daran trägt für Wagner vor allem das Christentum, dem er zunehmend jede Kunstkompetenz absprach. Sarkastisch tönt es aus ihm heraus: „Wenn es wirklich das seinem Glauben entsprechende Kunstwerk schaffen wollte, könne es nicht die sinnliche Schönheit der Welt, welche für den Christen ja eine Erscheinung des Teufels ist, darstellen.“

Wagner ist hier durch die Religionskritik Ludwig Feuerbachs beeinflusst, dessen „Wesen des Christentums“ (1841) er zuvor gelesen hatte und dem der seine nächste Schrift „Das Kunstwerk der Zukunft“ (1850) widmete.

Siegfried trinkt Fafners Blut (Illustration A. Rackham)
Mit Feuerbach sieht er in den Göttern Projektionen der freien Schöpferkraft des Menschen und aus diesem Grund muss die Idee des freien Menschen die Stelle der Religion einnehmen. Für Wagner ist die Gestalt Siegfrieds eine solche künstlerisch brauchbare Verkörperung der Freiheit. Hier lässt sich ein Mensch erkennen, der sich von der Gewalt der Götter freimacht. In der Antike hatte Wagner die Gestalt des Prometheus verherrlicht, Siegfried ist für ihn ein neuer Prometheus.

Ein Vierteljahrhundert arbeitet Wagner am Nibelungendrama. Dargestellt wird die große Geschichte vom Untergang der Götter. Den Göttern, die in diesem Spektakel auftreten, muss man den Glauben entziehen. So wird im Ring der Nibelungen dem Menschen, der sich befreit von der drückenden Last eines Götterhimmels, eine glanzvolle Bühne geboten.

Literatur: 
Richard Wagner: Die Kunst und die Revolution, Leipzig 1849 (Verlag Otto Wiegand) -- Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre, Frankfurt a.M. 2010 (Fischer Tb)