Max Weber (1864 - 1920) |
Für den deutschen Soziologen Max Weber
ist Soziologie die „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und
dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (3).
Mit dem Begriff „Herrschaft“ beschreibt Weber
ein grundlegendes Feld für „soziales Handeln“ in der Gesellschaft: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl
bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (157). Herrschaft
und Gehorsam verhalten sich demnach wie die zwei Seiten der Medaille: Entweder
es gibt Gehorsam, dann gibt es Herrschaft oder es gibt keinen Gehorsam, dann
existiert auch keine Herrschaft.
In der Antike bezog sich Herrschaft auf die Gesetze der Polis,
die das Zusammenleben der Menschen gerecht regeln sollten. Im Feudalismus
beschrieb Herrschaft das gottgegebene, gleichwohl persönliche Verhältnis
zwischen Herr und Vasall. In der Neuzeit dagegen wird Herrschaft als etwas von
Menschen Gemachtes und damit auch Hinterfragbares verstanden.
Die Pnyx in Athen war in klassischer Zeit der Ort der Volksversammlung |
Für Weber ist die Frage der Herrschaft – vor allem
der Herrschaft des Staates - immer zugleich auch eine Frage der Rechtfertigung:
Für Weber ist der Staat „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb
eines bestimmten Gebietes ... das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für
sich (mit Erfolg) beansprucht: Denn das der Gegenwart Spezifische ist: dass man
allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit
nur so weit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zulässt“ (1043).
Aus dieser Beschreibung des Staates leitet
Weber sein Verständnis von „Politik“ ab: „`Politik´ würde für uns also heißen:
Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es
zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen Menschengruppen, die
er umschließt. Wer Politik treibt, erstrebt Macht, - Macht entweder als Mittel
im Dienst anderer Ziele - idealer oder egoistischer - oder Macht `um ihrer
selbst willen´: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen“ (ebd.).
Aus der Tatsache, dass der Staat, ebenso wie
die ihm geschichtlich vorausgehenden politischen Verbände, ein auf das Mittel
der legitimen Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über
Menschen ist, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der Legitimation von
Herrschaft. Denn damit der Staat bestehen bleiben kann, so Weber weiter, „müssen
sich also die beherrschten Menschen der beanspruchten Autorität der jeweils herrschenden
fügen. Wann und warum tun sie das? Auf welche inneren Rechtfertigungsgründe und
auf welche äußeren Mittel stützt sich diese Herrschaft?“
Max Weber war nun der erste, der den Begriff
der Herrschaft mit dem der Legitimation zusammen dachte – Herrschaft als legitimiertes Machtverhältnis. Dabei unterscheidet
Weber drei Typen der Herrschaft und ihrer Legitimation:
Traditionelle Herrschaft - Der Patriarch |
Die „Traditionelle Herrschaft“ stützt sich
auf die „Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch
sie zur Autorität Berufenen“ (159). Der Gehorsam beruht hier nicht auf
Satzungen, Regeln oder Gesetzen, sondern auf den durch Traditionen dafür
berufenen Personen. Der Herrschende ist hier nicht der formale Vorgesetzte,
sondern persönlich der Herr. Dies ist die „die Autorität des `ewig Gestrigen´,
der durch unvordenkliche Geltung und gewohnheitsmäßige Einstellung auf ihre
Innehaltung geheiligten Sitte, die `traditionale´ Herrschaft, wie sie der
Patriarch und der Patrimonialfürst alten Schlages übten“ (1043), aber auch die Gerontokratie
(Herrschaft des Ältesten im Verband als dem „besten Kenner der Tradition“) oder
der Patriarchalismus (Herrschaft eines einzelnen Mannes innerhalb eines „primär
ökonomischen und familialen (Haus-)Verbandes“ (170).
Die „Charismatische Herrschaft“ beruht auf
einer außergewöhnlichen „Qualität einer Persönlichkeit, um derentwillen sie als
mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch
außeralltäglichen oder, nicht jedem anderen zugänglichen Kräften oder
Eigenschaften begabt oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als
`Führer´ gewertet wird“ (179).
Ohne Zweifel charismatische Menschen |
Hier wird Herrschaft verstanden als „Autorität
der außeralltäglichen persönlichen Gnadengabe (Charisma), die ganz persönliche
Hingabe und das persönliche Vertrauen zu Offenbarungen, Heldentum oder anderen
Führereigenschaften eines Einzelnen, `charismatische Herrschaft´, wie sie der
Prophet oder -. auf dem Gebiet des Politischen - der gekorene Kriegsfürst oder
der plebiszitäre Herrscher, der große Demagoge und politische Parteiführer ausüben“
(1044).
Der Gehorsam beruht hier allein auf der Kraft
des Charismas: Es gibt hier keine Hierarchie, keine Amtssprengel, keine
Kompetenzen und kein Gehalt oder Pfründe, weil alle Gehorchenden zum Freundschaftskreis
des Führers gehören. Es gibt nur örtliche und sachliche Grenzen von Charisma.
Die Legitimität der charismatischen Herrschaft geht verloren, wenn das Charisma
verschwindet. Das ist ihr großes Problem.
Schließlich spricht Weber von der „Legalen
oder auch Rationalen Herrschaft“, von der „Herrschaft kraft `Legalität´, kraft
des Glaubens an die Geltung legaler Satzung und der durch rational geschaffene
Regeln begründeten sachlichen `Kompetenz´, also der Einstellung auf Gehorsam
in der Erfüllung satzungsmäßiger Pflichten, eine Herrschaft, wie sie der
moderne `Staatsdiener´ und alle jene Träger von Macht ausüben, die ihm in
dieser Hinsicht ähneln“ (1044).
Regeln - Satzungen - Gesetze |
Legale Herrschaft beruht also auf dem
Vorhandensein von allgemein akzeptierten Regeln und Gesetzes, die ähnlich der
Vorstellungen vom Gesellschaftsvertrag „durch Paktierung“ entstehen und eine „unpersönliche
Ordnung“ (160) darstellen, der alle, auch der Herrschende selbst, Gehorsam
schulden. Für den modernen Rechtsstaat ist diese Herrschaftsform und der darauf
beruhende Gedanke der Rechtsgleichheit der Bürger konstitutiv.
Den reinsten Typus der der legalen Herrschaft
erkennt Weber in der staatlichen Bürokratie mit ihrem Verwaltungsstab (160ff).
Der Verwaltungsstab besteht einerseits aus dem Leiter, der seine Herrschaft entweder Wahlen
oder Designation zu verdanken hat, sowie andererseits den untergeordneten Einzelbeamten.
Die bürokratische Herrschaft ist immer auch – wie oben beschrieben – Herrschaft
auf der Grundlage „sachlicher Kompetenz“, also Herrschaft auf Grund von Wissen
und Fachwissen. Diesen Tatbestand kennt wohl jeder, der sich schon einmal einer
„Behörde“ hilflos ausgeliefert sah …
Zitate
aus: Max Weber: Wirtschaft und
Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Frankfurt a.M. 2005 (Zweitausendeins)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen