Donnerstag, 6. Dezember 2012

Max Weber und die Legitimation von Herrschaft


Max Weber (1864 - 1920)
Für den deutschen Soziologen Max Weber ist Soziologie die „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (3).

Mit dem Begriff „Herrschaft“ beschreibt Weber ein grundlegendes Feld für „soziales Handeln“ in der Gesellschaft: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (157). Herrschaft und Gehorsam verhalten sich demnach wie die zwei Seiten der Medaille: Entweder es gibt Gehorsam, dann gibt es Herrschaft oder es gibt keinen Gehorsam, dann existiert auch keine Herrschaft.

In der Antike bezog sich Herrschaft auf die Gesetze der Polis, die das Zusammenleben der Menschen gerecht regeln sollten. Im Feudalismus beschrieb Herrschaft das gottgegebene, gleichwohl persönliche Verhältnis zwischen Herr und Vasall. In der Neuzeit dagegen wird Herrschaft als etwas von Menschen Gemachtes und damit auch Hinterfragbares verstanden.

Die Pnyx in Athen war in klassischer Zeit der Ort der Volksversammlung

Für Weber ist die Frage der Herrschaft – vor allem der Herrschaft des Staates - immer zugleich auch eine Frage der Rechtfertigung: Für Weber ist der Staat „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes ... das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht: Denn das der Gegenwart Spezifische ist: dass man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit nur so weit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zulässt“ (1043).

Aus dieser Beschreibung des Staates leitet Weber sein Verständnis von „Politik“ ab: „`Politik´ würde für uns also heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen Menschengruppen, die er umschließt. Wer Politik treibt, erstrebt Macht, - Macht entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele - idealer oder egoistischer - oder Macht `um ihrer selbst willen´: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen“ (ebd.).

Aus der Tatsache, dass der Staat, ebenso wie die ihm geschichtlich vorausgehenden politischen Ver­bände, ein auf das Mittel der legitimen Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen ist, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der Legitimation von Herrschaft. Denn damit der Staat bestehen bleiben kann, so Weber weiter, „müssen sich also die beherrschten Menschen der beanspruchten Autorität der jeweils herr­schenden fügen. Wann und warum tun sie das? Auf welche inneren Rechtfertigungsgründe und auf welche äußeren Mittel stützt sich diese Herrschaft?“

Max Weber war nun der erste, der den Begriff der Herrschaft mit dem der Legitimation zusammen dachte – Herrschaft als legitimiertes Machtverhältnis. Dabei unterscheidet Weber drei Typen der Herrschaft und ihrer Legitimation:

Traditionelle Herrschaft - Der Patriarch
Die „Traditionelle Herrschaft“ stützt sich auf die „Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen“ (159). Der Gehorsam beruht hier nicht auf Satzungen, Regeln oder Gesetzen, sondern auf den durch Traditionen dafür berufenen Personen. Der Herrschende ist hier nicht der formale Vorgesetzte, sondern persönlich der Herr. Dies ist die „die Autorität des `ewig Gestrigen´, der durch unvordenkliche Geltung und gewohnheitsmäßige Einstellung auf ihre Innehaltung geheiligten Sitte, die `traditionale´ Herrschaft, wie sie der Patriarch und der Patrimonialfürst alten Schlages übten“ (1043), aber auch die Gerontokratie (Herrschaft des Ältesten im Verband als dem „besten Kenner der Tradition“) oder der Patriarchalismus (Herrschaft eines einzelnen Mannes innerhalb eines „primär ökonomischen und familialen (Haus-)Verbandes“ (170).

Die „Charismatische Herrschaft“ beruht auf einer außergewöhnlichen „Qualität einer Persönlichkeit, um derentwillen sie als mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen oder, nicht jedem anderen zugänglichen Kräften oder Eigenschaften begabt oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als `Führer´ gewertet wird“ (179).

Ohne Zweifel charismatische Menschen
Hier wird Herrschaft verstanden als „Autorität der außeralltäglichen persönlichen Gnadengabe (Cha­risma), die ganz persönliche Hingabe und das persönliche Vertrauen zu Offenbarungen, Heldentum oder anderen Führereigenschaften eines Einzelnen, `charismatische Herr­schaft´, wie sie der Prophet oder -. auf dem Gebiet des Politischen - der gekorene Kriegsfürst oder der plebiszitäre Herrscher, der große Demagoge und politische Parteiführer aus­üben“ (1044).

Der Gehorsam beruht hier allein auf der Kraft des Charismas: Es gibt hier keine Hierarchie, keine Amtssprengel, keine Kompetenzen und kein Gehalt oder Pfründe, weil alle Gehorchenden zum Freundschaftskreis des Führers gehören. Es gibt nur örtliche und sachliche Grenzen von Charisma. Die Legitimität der charismatischen Herrschaft geht verloren, wenn das Charisma verschwindet. Das ist ihr großes Problem.

Schließlich spricht Weber von der „Legalen oder auch Rationalen Herrschaft“, von der „Herrschaft kraft `Legalität´, kraft des Glaubens an die Geltung legaler Satzung und der durch rational geschaffene Regeln begründeten sachlichen `Kompetenz´, also der Einstellung auf Gehorsam in der Erfüllung satzungsmäßiger Pflichten, eine Herrschaft, wie sie der moderne `Staatsdiener´ und alle jene Träger von Macht ausüben, die ihm in dieser Hinsicht ähneln“ (1044).

Regeln - Satzungen - Gesetze
Legale Herrschaft beruht also auf dem Vorhandensein von allgemein akzeptierten Regeln und Gesetzes, die ähnlich der Vorstellungen vom Gesellschaftsvertrag „durch Paktierung“ entstehen und eine „unpersönliche Ordnung“ (160) darstellen, der alle, auch der Herrschende selbst, Gehorsam schulden. Für den modernen Rechtsstaat ist diese Herrschaftsform und der darauf beruhende Gedanke der Rechtsgleichheit der Bürger konstitutiv.

Den reinsten Typus der der legalen Herrschaft erkennt Weber in der staatlichen Bürokratie mit ihrem Verwaltungsstab (160ff). Der Verwaltungsstab besteht einerseits aus  dem Leiter, der seine Herrschaft entweder Wahlen oder Designation zu verdanken hat, sowie andererseits den untergeordneten Einzelbeamten. Die bürokratische Herrschaft ist immer auch – wie oben beschrieben – Herrschaft auf der Grundlage „sachlicher Kompetenz“, also Herrschaft auf Grund von Wissen und Fachwissen. Diesen Tatbestand kennt wohl jeder, der sich schon einmal einer „Behörde“ hilflos ausgeliefert sah …
 
Zitate aus:  Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Frankfurt a.M. 2005 (Zweitausendeins)


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