Sonntag, 29. Januar 2012

Alexander von Humboldt und die Kolonien


Alexander von Humboldt (1806)
Am 5. Juni 1799 bricht Alexander von Humboldt mit der spanischen Fregatte ‚Pizarro‘ von La Coruña aus zu einer insgesamt 5jährigen Forschungsreise nach Mittel- und Südamerika auf. Zu Anfang des Jahres 1803 befindet er sich in Guayalquil (Ekuador) und schreibt am 4. Januar 1803 folgende Gedanken in sein Tagebuch:

„Einem feinfühligen Menschen können die europäischen Kolonien nicht angenehm für dauernden Aufenthalt sein. Aber woher kommt dieses Unbehagen, dem jeder empfindsame Mensch in den europäischen Kolonien ausgesetzt ist?“ Für Humboldt ist die Antwort auf diese Frage ganz eindeutig: „Das rührt daher, dass die Idee der Kolonie selbst eine unmoralische Idee ist“ (121).

Humboldt ist sich über das Wesen des Kolonialismus natürlich im Klaren. Es ist die „Idee eines Landes, das einem anderen zu Abgaben verpflichtet ist, eines Landes, in dem man nur zu einem bestimmten Grad zu Wohlstand gelangen soll, in welchem der Gewerbefleiß, die Aufklärung sich nur bis zu einem gewissen Punkt ausbreiten dürfen“ (121)

Daraus ergibt sich für Humboldt eine potentielle Unregierbarkeit in den Kolonien, weil jede Kolonialregierung „eine Regierung des Misstrauens“ ist. Schließlich richteten die Autoritäten ihre Aufmerksamkeit nicht auf „die öffentliche Wohlfahrt der Einwohner“ (121), sondern allein darauf, die Interessen des Mutterlandes zu schützen.

Die Folge davon sei nach Humboldt eine auf unmoralischem Verhalten gegründete politische Praxis in den Kolonien: „Man vergibt Ämter nur an Emporkömmlinge und gemeine Menschen, die der Hunger aus Europa vertrieben hat, man erlaubt diesen, die in den Kolonien Geborenen geringschätzig zu behandeln (…) Die europäischen Beamten von niedriger Herkunft, die aber durch den Missbrauch, den sie mit der ihnen anvertrauten Autorität getrieben haben, reich geworden sind, prahlen mit ihren Stellungen“ (122).

Auf diese Weise haben die europäischen Regierungen vor allem Hass, Misstrauen und Uneinigkeit in den Kolonien hervorgebracht. Die Folgen sind für Humboldt „eine Verwirrung von Ideen und unbegreiflichen Meinungen, eine allgemeine revolutionäre Tendenz“ (123). Gleichwohl beschränke sich der Wunsch in den Kolonien vor allem darauf, die Europäer zu vertreiben und – Humboldt erliegt nicht utopischen Illusionen - sich danach gegenseitig zu bekriegen.

Später wird Humboldt in seinem „Politischen Essay über die Insel Kuba“ (1826) schreiben, dass alles Unrecht den Keim der Zerstörung in sich trägt.

Humboldt eigene politische Vision gründet in den Grundsätzen der Französischen Revolution, obgleich – so fügt er kritisch hinzu – ihre Urheber diese Grundsätze „oft in gefahrvoller Weise und mit Überstürzung angewendet haben.“

Die Gedanken Humboldts über Freiheit, Menschenrechte und die Widersprüche des Fortschritts sind bis heute von brisanter Aktualität. Im Namen eines liberalen Weltbürgertums kritisiert er die Irrtümer des Kolonialismus und der Sklaverei. Humboldts Motto lautete übrigens: „Der Mensch muss das Gute und Große wollen.“


Zitate aus: Alexander von Humboldt: Über die Freiheit des Menschen, hg. von Manfred Osten. Frankfurt am Main 1999 (Insel)

Weitere Literatur: Alexander von Humboldt. Lateinamerika am Vorabend der Unabhängigkeitsrevolution. Eine Anthologie von Impressionen und Urteilen aus seinen Reisetagebüchern zusammengestellt und erläutert durch Margot Faak, Berlin 2003 (Oldenbourg Akademieverlag)
 

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