Alexander von Humboldt (1806) |
Am 5. Juni 1799 bricht Alexander von Humboldt mit der
spanischen Fregatte ‚Pizarro‘ von La Coruña aus zu einer insgesamt 5jährigen
Forschungsreise nach Mittel- und Südamerika auf. Zu Anfang des Jahres 1803
befindet er sich in Guayalquil (Ekuador) und schreibt am 4. Januar 1803 folgende
Gedanken in sein Tagebuch:
„Einem feinfühligen Menschen können die europäischen
Kolonien nicht angenehm für dauernden Aufenthalt sein. Aber woher kommt dieses
Unbehagen, dem jeder empfindsame Mensch in den europäischen Kolonien ausgesetzt
ist?“ Für Humboldt ist die Antwort auf diese Frage ganz eindeutig: „Das rührt
daher, dass die Idee der Kolonie selbst eine unmoralische Idee ist“ (121).
Humboldt ist sich über das Wesen des Kolonialismus natürlich
im Klaren. Es ist die „Idee eines Landes, das einem anderen zu Abgaben
verpflichtet ist, eines Landes, in dem man nur zu einem bestimmten Grad zu
Wohlstand gelangen soll, in welchem der Gewerbefleiß, die Aufklärung sich nur
bis zu einem gewissen Punkt ausbreiten dürfen“ (121)
Daraus ergibt sich für Humboldt eine potentielle
Unregierbarkeit in den Kolonien, weil jede Kolonialregierung „eine Regierung
des Misstrauens“ ist. Schließlich richteten die Autoritäten ihre
Aufmerksamkeit nicht auf „die öffentliche Wohlfahrt der Einwohner“ (121), sondern allein
darauf, die Interessen des Mutterlandes zu schützen.
Die Folge davon sei nach Humboldt eine auf unmoralischem Verhalten gegründete politische
Praxis in den Kolonien: „Man vergibt Ämter nur an Emporkömmlinge und gemeine
Menschen, die der Hunger aus Europa vertrieben hat, man erlaubt diesen, die in
den Kolonien Geborenen geringschätzig zu behandeln (…) Die europäischen Beamten
von niedriger Herkunft, die aber durch den Missbrauch, den sie mit der ihnen
anvertrauten Autorität getrieben haben, reich geworden sind, prahlen mit ihren
Stellungen“ (122).
Auf diese Weise haben die europäischen Regierungen vor allem
Hass, Misstrauen und Uneinigkeit in den Kolonien hervorgebracht. Die Folgen
sind für Humboldt „eine Verwirrung von Ideen und unbegreiflichen Meinungen,
eine allgemeine revolutionäre Tendenz“ (123). Gleichwohl beschränke sich der
Wunsch in den Kolonien vor allem darauf, die Europäer zu vertreiben und –
Humboldt erliegt nicht utopischen Illusionen - sich danach gegenseitig zu
bekriegen.
Später wird Humboldt in seinem „Politischen Essay über die
Insel Kuba“ (1826) schreiben, dass alles Unrecht den Keim der Zerstörung in
sich trägt.
Humboldt eigene politische Vision gründet in den Grundsätzen der Französischen Revolution, obgleich – so fügt er
kritisch hinzu – ihre Urheber diese Grundsätze „oft in gefahrvoller Weise und
mit Überstürzung angewendet haben.“
Die Gedanken Humboldts über Freiheit, Menschenrechte und die
Widersprüche des Fortschritts sind bis heute von brisanter Aktualität. Im Namen
eines liberalen Weltbürgertums kritisiert er die Irrtümer des Kolonialismus und
der Sklaverei. Humboldts Motto lautete übrigens: „Der Mensch muss das Gute und
Große wollen.“
Zitate aus: Alexander von Humboldt: Über die Freiheit des
Menschen, hg. von Manfred Osten. Frankfurt am Main 1999 (Insel)
Weitere Literatur: Alexander von Humboldt. Lateinamerika am
Vorabend der Unabhängigkeitsrevolution. Eine Anthologie von Impressionen und
Urteilen aus seinen Reisetagebüchern zusammengestellt und erläutert durch
Margot Faak, Berlin 2003 (Oldenbourg Akademieverlag)
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