Während die alliierte Politik noch ganz von aktuellen Fragen
der Kriegsführung gegen Hitler vereinnahmt ist, macht sich Friedrich August von Hayek bereits intensive Gedanken um
eine dauerhafte Nachkriegsordnung in Europa. In einem Memorandum an das
britische Außenministerium skizziert er im Februar 1943 seine Idee der „Vereinigten
Staaten von Europa“, die durch eine weitgehend liberal verfasst
Wirtschaftspolitik mit einer klaren Begrenzung der staatlichen sozialplanerischen
Eingriffsmöglichkeiten die notwendige Voraussetzung für eine dauerhafte
Friedensordnung sein würden.
Karl R. Popper und Friedrich August von Hayek
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Im Zentrum von Hayeks Ordnungs- vorstellungen steht der
Gedanke, dass geplante Wirtschaft und politische Demokratie nicht miteinander
vereinbar sind. Daher solle sich der Staat auf die Fragen und Gebiete
beschränken, „wo über das, was geschehen soll, unter der Mehrheit der Bevölkerung
Übereinstimmung besteht oder durch Diskussion erreicht werden kann“, wie Hayek
in seinem Vortrag „Der Mensch in der Planwirtschaft“ (1947) ausführt. Die
Alternative zu Planwirtschaft sei natürlich kein „Laisser-faire“, sondern
Ordnungspolitik im Sinne von Walter Euken und Franz Böhm, die positive
Maßnahmen des Staates nötig machen.
Diese und weitere Bemühungen Hayeks, direkt Einfluss auf die
Neugestaltung Europas zu nehmen, münden in die Gründung der „Mont Pelerin
Society“ im April 1947.
Bereits am 28. Dezember 1946 verschickt Hayek ein
Rundschreiben an knapp sechzig Ökonomen und Historiker, politische Philosophen
und Publizisten, in dem er zu einer ersten informellen Zusammenkunft zu Ostern
1947 am Mont Pélerin nahe des Genfer Sees einlädt.
Hayek will einen engeren Kontakt herstellen zwischen all
jenen weltweit zerstreuten Anhängern der liberalen Freiheitsphilosophie, die von
der Neubestimmung der gesamten Beziehung zwischen Regierungsgewalt und
individueller Freiheit überzeugt sind und deren Ziele die Verteidigung und
Förderung von Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit,
Privateigentum
und Wettbewerb sind.
Tagung der Mont Pelerin Society - den Vorsitz führt von Hayek |
Die Teilnehmerliste der ersten Tagung vom 1. bis 10. April 1947 liest sich wie das Who-is-Who einer Liberalen Internationalen: Maurice Allais, Walter Eucken,
Milton
Friedman, Frank Knight,
Fritz Machlup,
Ludwig von
Mises, Karl Popper, Wilhelm Röpke,
George
Stigler. Den Vorsitz in der Mont Pelerin Society übernahm Friedrich
August von Hayek selbst.
In einem zweiseitigen Kommuniqué beschreiben die Teilnehmer
die Aufgaben und Ziele der Gesellschaft:
- Analyse und Erklärung der gegenwärtigen Situation einschließlich der moralischen und ökonomischen Ursachen
- Neudefinitionen der Staatsfunktionen mit dem Ziel einer klareren Unterscheidung zwischen Liberalismus und Totalitarismus
- Etablierung von Methoden zur Etablierung der „rule of law“, also der Idee der Regierung allein auf der Basis von Gesetzen vor allen anderen Maßstäben oder Begründungen für staatliches Handeln
- Aufzeigen von Möglichkeiten zur Errichtung von Minimalstandards durch marktverträgliche Instrumente (z.B. staatliche Fürsorge)
- Entwicklung von Methoden zur Bekämpfung des Missbrauchs der Geschichte
- Entwicklung einer internationalen Ordnung zur Friedenssicherung und zur Gewährleistung von harmonischen Wirtschaftsbeziehungen
Letztlich aber bestand für Hayek das weitgesteckte Ziel der der
Gesellschaft darin, zur Durchsetzung des Liberalismus als Grundlage für die soziale
Organisation beizutragen. Dabei ging er davon aus, dass auch in einer Demokratie
die Entscheidung über die politische Richtung nicht immer nur über Wahlen getroffen würden,
sondern auch durch die dominierenden intellektuellen Strömungen in der
Öffentlichkeit beeinflusst werde.
Natürlich kam es bei den Diskussionen immer wieder auch zu
Auseinandersetzungen – bei der Heterogenität der Mitglieder wahrlich kein
Wunder. Legendär ist jedoch der Auftritt Ludwig von Mises, der, nachdem ein
Vorschlag von ihm abgelehnt wird, die Sitzung erbost verlässt, nicht ohne den
Anwesenden zuzurufen: „Ihr seid alle Kommunisten!“
Ein sichtbarer Erfolg der Gesellschaft gelang mit der
Etablierung einer liberalen Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik
Deutschland durch Ludwig Erhard, deren Grundzüge auf den Tagungen
der Gesellschaft erläutert worden waren.
Insgesamt gehörten der Mont Pelerin Society bislang acht Nobelpreisträger
für Wirtschaftswissenschaften an, darunter Hayek, Milton Friedman, James M.
Buchanan, Ronald Coase und Vernon L.
Smith.
Die Mitgliederzahl der Gesellschaft liegt heute bei über
500. Sie hat im Gegensatz zu anderen Denkfabriken keine festen Angestellten,
auch Publikationen liegen nicht vor. Gleichwohl wurde die Mont Pelerin Society von
der Sunday Times als „die einflussreichste, wenn auch wenig bekannte Denkfabrik
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Auf dem 10jährigen Jubiläumstreffen beschrieb Hayek die
Gesellschaft wie folgt: „Wir sind weder eine wissenschaftliche noch eine
politische Gesellschaft, sondern etwas dazwischen. Ich glaube, dass wir wegen dem,
was wir voneinander gelernt haben, bessere Bürger sowohl unserer Länder auch
der Welt sind“ (zit. nach Hennecke, 265).
Quellen:
Bernhard Walpen:
Die offenen Feinde und
ihre Gesellschaft. Eine hegemonietheoretische Studie zur Mont Pelerin Society,
Hamburg 2004 (VSA-Verlag) - Hans Jörg Hennecke: Friedrich August von
Hayek. Die Tradition der Freiheit, Düsseldorf 2000 (Verlag Wirtschaft und
Finanzen) - Website der Mont Pelerin Society - Der sehenswerte Dokumentarfilm „Let’s Make Money“ widmet ein Kapitel der Mont Pelerin Society
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