Mittwoch, 28. Dezember 2011

Lukian und die Kritik an den Philosophen


Für Lukian ist die Paideia der Vollzug eines gelungenen Lebens. Sie umfasst gleichermaßen theoretisches Studium wie auch praktische Übung und Aneignung und durchdringt den gesamten Menschen und seinen Charakter wie eine zweite Natur.

Lukian (William Faithorne, 1627–1691)
Vor allem aber ist die Paideia niemals nur Mittel zum Zweck. Gleichwohl wird sie von manchen wie eine Maske benutzt, die man zu bestimmten Gelegenheiten aufsetzen kann oder wie eine Rolle, die man je nach Bedarf spielt. Gegen diese Menschen richtet sich die teilweise bissige Kritik Lukians, die er an verschiedenen Stellen seines Werkes formuliert hat.

Zunächst polemisiert Lukian gegen das unproduktive Nachsinnen der Philosophen über irrelevante Fragen. In den „Gesprächen unter Toten“ bittet Diogenes einen Freund, der aus dem Hades wieder in die Welt zurückkehrt, den dortigen Philosophen mitzuteilen, „sie sollen endgültig Schluss damit machen, dummes Zeug zu schwätzen und über das All zu eifern und einander Hörner aufzusetzen und den jungen Leuten beizubringen, solche aussichtslosen Fragen zu stellen“ (83).

In „Das Gastmahl oder die Lapithen“ weitet Lukian seine Kritik an einem falschen Bildungsverständnis auf den bis heute bekannten Typus vom Pseudo-Intellektuellen aus, der zwar viel enzyklopädisches Wissen aus vielen Büchern angesammelt hat, um nach außen gebildet zu erscheinen, der aber in der eigenen Lebenspraxis nichts mit ihnen anfangen kann.

Lukian lässt Lykinos seinem Freund Philon von einem Gastmahl erzählen, zu dem auch einige der bekanntesten Philosophen und Rhetoriklehrer eingeladen waren. Im Laufe des Abends muss Lykinos jedoch enttäuscht feststellen, „dass ein großes Wissen zu überhaupt nichts nutze ist, wenn man nicht auch sein Leben zum Besseren hin ordnet: Jedenfalls musst ich mit ansehen, wie diese Leute, großartig im Formulieren, sich zum Gespött machten, wenn es ans Handeln hing. Dann fragte ich mich, ob vielleicht wahr ist, was viele Leute sagen, dass die Bildung diejenigen, die immer nur in ihre Bücher und auf die Gedanken darin starren, vom Weg der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes abbringt. Jedenfalls waren hier so viele Philosophen versammelt, und das Schicksal wollte es, dass darunter nicht ein einziger ohne Fehl zu sehen war, sondern die einen taten Peinliches, die anderen gaben noch Peinlicheres von sich“ (159).

Die Charaktereigenschaften, die Lukian bei den Philosophen beobachtet, lesen sich wie ein Katalog von Anti-Tugenden: „Prahlerei, Unbildung, Streitsucht, Eitelkeit, absurde Fragen, dornige Argumente, verwickelte Gedanken, aber auch viel Lärm um nichts, einiges an Geschwätz, dummes Gerede, Haarspaltereien, beim Zeus, und andererseits das ganze Geld hier, Genusssucht, Schamlosigkeit, Jähzorn, Luxus und Verweichlichung“ (93 - Gespräche unter Toten).

Ihren Höhepunkt erreicht die Polemik Lukians gegen die falschen Philosophen in der Satire „Der Rhetoriklehrer“, die an Zynismus kaum noch zu überbieten ist. Lukian beschreibt hier die „Ausrüstung“, die sich ein „erfolgreicher“ Philosoph zulegen muss: „Als wichtigstes pack nun Dummheit ein, dann Dreistigkeit und dazu Draufgängerei und Frechheit. Zurückhaltung, Anstand, Bescheidenheit und Scham lass zu Hause, denn sie nützen nichts und schaden nur deinem Zweck.“ (175)

Weiter verspottet Lukian den intellektuellen Schein, mit dem sich die Philosophen umgeben, nur um ihre eigentliche Beschränktheit zu verbergen: „Dann trage einige abseitige und fremdartige Wörter zusammen, die bei den Alten nur selbst belegt sind, und habe sie griffbereit, um sie auf die Anwesenden abzufeuern. Bilde ab und zu auch selbst ein paar neue und merkwürdige Ausdrücke“ (176).

Schließlich attackiert Lukian gleichermaßen die Eitelkeit der Philosophen wie die Leichtgläubigkeit und Manipulierbarkeit des Publikums: „Deine Freunde sollen vor Begeisterung ständig von ihren Sitzen aufspringen und sich so für die vielen Abendesseneinladungen revanchieren, die du ihnen gegeben hast. (…) Es werden nur wenige sein, die dich durchschauen, und die werden meistens aus Gutmütigkeit schweigen“ (178).

So bleibt Lukian schließlich nur die Erkenntnis: „Affe bleibt Affe, auch wenn er Sandalen aus Gold trägt“ (212 – Gegen den ungebildeten Büchernarren).

Zitate aus: Lukian: Gegen den ungebildeten Büchernarren. Ausgewählte Werke, Bibliothek der Alten Welt, Düsseldorf 2006 (Artemis und Winkler)

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