Ein wichtiges Element einer Nation ist die Sprache. Die Mehrheit der heutigen Nationalsprachen in Europa sind jedoch keinesfalls „aus den uralten Tiefen der Volksseele“ emporgestiegen, sondern waren meist das Ergebnis der Arbeit einiger weniger Intellektueller. Die Entwicklung der griechischen Hochsprache durch Adamántios Koraís ist dafür ein gutes Beispiel.
Adamántios Koraís (1748-1833) |
Trotz der Annahme der französischen Staatsbürgerschaft, blieb
er seiner griechischen Herkunft treu. Sein Traum war die geistige
Wiedergeburt Griechenlands auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache. Schon Ernest Renan
hatte in seinem Vortrag „Was ist eine Nation?“ (1882) festgestellt, dass eine
Sprache dazu einlädt, sich zu vereinigen (27).
Koraís ahnte, dass das geschichtliche Bewusstsein
der Griechen, ihr hellenistischer Ursprung nur geweckt werden könne, wenn es
gelingt, aus der der gesprochenen Volkssprache (gr. δημοτική - Dimotiki) auch eine nationale Schriftsprache abzuleiten. Um dies zu erreichen, fügte Koraís einfach Elemente des
klassischen Altgriechisch zur Dimotiki hinzu und entwickelt daraus die „reine“
griechische Hochsprache (gr. καθαρεύουσα - Katharevousa).
Gleiches lässt sich auch anderen Ländern Europas beobachten.
So waren Barbu Paris Mumuleanu (1794-1836) für das Rumänsiche, Ivar Aasen
(1813-1896) für das Norwegische, Vuk Stefanovic Karadzic (1787-1864) für das
Serbische oder auch Anton Bernolák (1762-1813) für das Slowakische maßgebend
bei der Ausbildung der jeweiligen Hochsprache. Die Liste ließe sich
verlängern.
Die Mehrheit der Nationalsprachen, die heute so dauerhaft
und festverwurzelt in den Kulturen der europäischen Völker erscheinen, entstanden
also erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Sie wurden „aus den vagen Regionen der
volkstümlichen Umgangssprachen geschöpft und in die strenge Form
grammatikalisch standardisierter Schriftsprache gegossen, ja teilweise überhaupt
erst erfunden. Und was die Philologen nicht schufen, das stifteten die Dichter
…“ (176)
Sicherlich ist jede Sprache ein unersetzbarer Bestandteil des
kulturellen Reichtums der Menschheit. Gleichwohl hat eine zu starke Betonung einer
Sprache und ihre ausschließliche Berücksichtigung auch ihre Gefahren - wie man gut
an dem Streit um die Durchsetzung der Regionalsprachen in Spanien beobachten
kann. Hier betreiben die Regionalregierungen mit fragwürdigen Mitteln eine ausschließende
Sprachpolitik, die mit formalen rechtsstaatlichen Gleichheitsgrundsätzen nicht
mehr viel zu tun hat.
Dazu noch einmal Ernest Renan: „Wenn man zuviel Wert auf die
Sprache legt, schließt man sich in einer bestimmten, für national gehaltenen
Kultur ein. Man begrenzt sich, ... man verlässt die freie
Luft, die man in der Weite der Menschheit atmet, um sich in die Konventikel
seiner Mitbürger zurückzuziehen. Nichts ist schlimmer für den Geist, nichts
schlimmer für die Zivilisation“ (29).
Zitate aus: Hagen Schulze: Staat und Nation in der
europäischen Geschichte, München 2004 (C.H. Beck) --- Ernest Renan: Was ist
eine Nation?, Rede am 11. März 1882 an der Sorbonne. Reihe EVA Reden, Bd. 20,
Hamburg 1996 (Europäische Verlagsanstalt)
Πολύ ενδιαφἐρον.
AntwortenLöschenΕυχαριστώ πολύ, Marisa.
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