Die philosophischen Überlegungen von Karl Marx entstanden einerseits aus der Analyse der Industriegesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und andererseits aus seiner Kritik an der
idealistischen Philosophie Hegels.
Marx und Engels |
Die Philosophie selbst war für Marx eine revolutionäre Kraft, denn es kam eben weniger darauf an, wie die
Philosophen bisher, „die Welt einfach nur zu interpretieren“,
sondern vielmehr „sie zu verändern.“ Folglich versteht sich der Marxismus nicht
nur als philosophische Gesellschafts- und Geschichtstheorie, sondern auch als
politische Bewegung. Marx nahm zusammen mit seinem Freund Friedrich Engels
aktiven Anteil an der Entstehung einer organisierten Arbeiterbewegung.
Für Marx sind vor allem die materiellen
Bedingungen des Lebens, vor allem aber die Arbeits- und Produktionsbedingungen,
nicht nur die Grundlage sämtlicher Kulturentwicklung, sondern auch der
Schlüssel zum Verständnis des Menschen.
Marx ist der erste Philosoph, der die
materielle Arbeit in den Mittelpunkt seiner Philosophie stellt. Für ihn liegt
in der schöpferischen Arbeit der Keim zur Selbstverwirklichung des Menschen,
also zur selbstbestimmten individuellen Ausschöpfung aller in ihm steckenden
Möglichkeiten. Die Lohnarbeit jedoch der kapitalistischen Wirtschaft ist für
Marx dagegen die „entfremdete“ Form der Arbeit.
Daher war nach Marx der Arbeiterklasse, dem
Proletariat, die historische Aufgabe zugedacht, diese Entfremdung des Menschen
von seiner Arbeit, aber letztlich von sich selbst, zu überwinden und die
Bedingungen für eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen, die Marx im
Kommunismus verwirklicht sah.
Eine ausführliche Analyse der
kapitalistischen Ordnung legte Marx in seinem dreibändigen Hauptwerk „Das
Kapital“ (1867, 1885, 1894) vor.
Dort definiert Marx zunächst den Begriff der
Arbeit: „Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein
Prozess, worin der Mensch einen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne
Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als
eine Naturmacht gegenüber.“
Dadurch, dass sich der Mensch mittels seiner
„leiblichen“ Werkzeugen (Kopf, Arme, Hände, Beine) in Bewegung setzt, um sich
den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbare Form anzueignen,
verändert er zugleich seine eigene Natur, denn: „Er entwickelt die in ihr schlummernden
Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eigenen Botmäßigkeit.“
Das Ergebnis der instinktiven Form der Arbeit |
Marx spricht also von einer Form der Arbeit,
die allein beim Menschen zu finden ist. Für ihn gibt es hier einen qualitativen
Unterschied zu den instinktartigen Formen der Arbeit bei Tieren: „Eine Biene
beschämt zwar durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister.
Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene
auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, vor er sie in
Wachs baut.“
Es ist also das Resultat des
Arbeitsprozesses, das bereits beim Beginn desselben schon in der Vorstellung
des Arbeiters „ideell vorhanden“ war, das menschliche Arbeit von dem
Instinktverhalten der Tiere unterscheidet.
Das Ergebnis ideeller Arbeit beim Menschen: Die Junkernschänke in Göttingen |
So lässt sich der gesamte Arbeitsprozess auch
als „zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des
Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bindung des Stoffwechsels
zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens“
verstehen.
Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen
betrachtet Marx nun den Arbeitsprozess in einem kapitalistischen System, der
seiner Meinung nach „zwei eigentümliche Phänomene“ zeigt:
Zunächst arbeitet der Arbeiter „unter der
Kontrolle des Kapitalisten, dem seine Arbeit gehört. Der Kapitalist passt auf,
dass die Arbeit ordentlich vonstattengeht und die Produktionsmittel zweckmäßig
verwandt werden, also kein Rohmaterial vergeudet und das Arbeitsinstrument
geschont, d.h. nur so weit zerstört wird, als sein Gebrauch in der Arbeit
ernötigt.“
Nun aber bleibt das Ergebnis der Arbeit, das
Produkt, das Eigentum des Kapitalisten und nicht des unmittelbaren Produzenten,
also des Arbeiters: „Der Kapitalist zahlt z.B. den Tageswert der Arbeitskraft.
Ihr Gebrauch, wie der jeder andren Ware, z.B. eines Pferdes, das er für einen
Tag gemietet, gehört ihm also für den Tag. Dem Käufer der Ware gehört der
Gebrauch der Ware, und der Besitzer der Arbeitskraft gibt in der Tat nur den
von ihm verkauften Gebrauchswert, indem er seine Arbeit gibt. Von dem
Augenblicke, wo er in die Werkstätte des Kapitalisten trat, gehörte der
Gebrauchswert seiner Arbeitskraft, also ihr Gebrauch, die Arbeit, dem
Kapitalisten.“
Hier sieht Marx den Kern der „Entfremdung“,
denn durch den kapitalistischen Produktionsprozess einschließlich der
industriellen Arbeitsteilung wird der Arbeiter zu einer Sache erniedrigt. Das Produkt seiner
Arbeit wird ihm entzogen und ihm wird nur ein Teil des Gegenwertes seiner
Arbeit als Lohn ausbezahlt. Der übrige Teil, der „Mehrwert“, fließt dem
Unternehmer zu.
Eisenwalzwerk (Adolf von Menzel, 1875)
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Weil diese Produktionsweise zur Entstehung
von Klassen führt und zur Ausbeutung der einen Klasse durch die andere, ist
Arbeit im Kapitalismus letztlich entfremdete und nicht schöpferische Arbeit.
Die schöpferische Freiheit sieht Marx im
Kommunismus verwirklicht, den er mit dem „Reich der Freiheit“ gleichsetzt: „Das
Reich der Freiheit beginnt … in der Tat erst da, wo das Arbeit, das durch Not
und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört.“ Für Marx ist klar, dass
Freiheit erst dann bestehen kann, wenn der „vergesellschaftete Mensch, die
assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell
regeln, und unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als
von einer blinden Macht beherrscht zu werden.“
Es war Hannah Arendt, die in ihrem Werk „Vita
activa oder vom tätigen Leben“ die radikale Aufwertung der Arbeit, wie sie
beispielsweise bei Marx zutage tritt, wieder revidierte. Arendt unterscheidet
bekanntlich zwischen Arbeit, Herstellen und Handeln und wirft der neuzeitlichen Philosophie vor,
diese drei Tätigkeiten unzulässig miteinander vermischt zu haben.
Zwar definiert Arendt - ähnlich wie Marx - die Arbeit als „biologischen Prozess des
menschlichen Körpers, der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und
Verfall sich von Naturdingen nährt, welche die Arbeit erzeugt und zubereitet,
um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebendigen Organismus zuzuführen“, aber
damit endet schon die Bedeutsamkeit der Arbeit als Tätigkeit des Menschen.
Über der „Arbeit“ steht das „Herstellen“,
eine schöpferische Tätigkeit des Menschen, durch die er Dinge schafft, die von
Dauer sind. Aber erst im Handeln erreicht der Mensch die Stufe der eigentlichen
Selbstverwirklichung. Dies geschieht in der Gestaltung zwischenmenschlicher
Beziehungen, deren höchste Form das politische Handeln ist – eine Vorstellung,
die Arendt der antiken griechischen Philosophie entnahm.
So dürfe man gerade nicht – wie Marx es eben
tut – von der Arbeit als der Quelle aller Produktivität sprechen und sie zum
Ausdruck der Menschlichkeit des Menschen selbst überhöhen.
Auch bei Marx selbst bleibt - trotz der
Hochschätzung der Arbeit – ihre Bedeutung Arendt zufolge immer zweideutig.
Obwohl für Marx die Arbeit die menschliche und produktivste aller Tätigkeiten
ist, „hat die Revolution doch nach Marx nicht etwa die Aufgabe, die arbeitende
Klasse zu emanzipieren, sondern die Menschen von der Arbeit zu befreien. Denn
das `Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch
Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört´“ (Arendt, 123).
So bestünde einer der - vielen -
eklatanten Widersprüche in der Theorie von Marx darin, dass Marx immer davon
ausgeht, „den Menschen als ein Animal laborans zu definieren, um dann dies
arbeitende Lebewesen in eine ideale Gesellschaftsordnung zu führen, in der
gerade sein größtes und menschlichstes Vermögen brachliegen würde“ (ebd.).
Für Hannah Arendt dagegen ist die Arbeit gerade
kein Symptom für ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und Natur bzw.
zwischen Mensch und Welt, sondern in der Arbeit zeigt sich „die Art und Weise,
in welcher das Leben selbst mitsamt der Notwendigkeit, an die es gebunden ist,
sich kundgibt“ (141).
Zitate
aus: Karl Marx: Das Kapital, Frankfurt a.M. 1968 (EVA), Bd.1., 192ff – Bd. 3.,
828 -
Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 2010 (piper)
schöne Zusammenfassung.
AntwortenLöschenliebe Grüße
Student aus Kassel
tolle zusammenfassung. danke für die rettung meines pibf-vortrages ;)
AntwortenLöschenIch sehe da keinen Widerspruch. Marx will ja nur, dass eine bestimmte Form der Arbeit überwunden wird, nämlich die durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmte.
AntwortenLöschenIch bin kein Experte aber ich könnte mir vorstellen, dass für Marx das Arbeiten in einer klassenlosen, paradiesischen Gesellschaft, in der der Mensch als 'Gattungswesen' leben kann, nicht mehr entfremdet wäre, da er nicht mehr aus Not arbeitet und er über das Produkt seiner Tätigkeit verfügen kann (vielleicht in irgendeiner Form der gesellschaftlichen Mitbestimmung?)
Danke, du hast meine Hausarbeit gerettet:)
AntwortenLöschenSeh schön, danke. Aber: Zu viel anteilig Arendt-Kritik. Wenn schon kritische Perspektive dann auch die von Hegel miteinbeziehen, der untersucht Arbeit nämlich auch sehr detailliert und ist zusammen mit Marx auch Teil des Arbeits-Verständnis von Arendt. Dann ist eben Herstellen der Teil der "absichtlichen Tätigkeit" bei Hegel die der Wille zwischen Zwecksetzung und Zweckverwirklichung vermittelt. Kannte Marx die Jenaer Schriften von Hegel zu Arbeit? Die sind nur im Detail nicht kompatibel zueinander. Marx ignoriert nur nicht den elenden Zustand der Welt wo die Not trotz dem allen bekannten Potentialen der Menschheit nicht beseitigt ist. Arendt macht es sich (oft) etwas zu leicht.
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