Francisco de Miranda |
Sebastián Francisco de Miranda Rodríguez wurde am 28. März 1750 in Caracas (Venzuela) geboren und starb am 14. Juli 1816 im Gefängnis im spanischen Cadiz.
Nach seiner Ausbildung an der königlichen Universität von
Caracas verließ er im Alter von 21 Jahren Caracas Richtung Madrid, um in den
Militärdienst einzutreten. Während dieser Zeit begann Miranda ein Tagebuch zu
führen.
Nachdem Miranda bereits während des Krieges gegen Marokko
erste militärische Erfahrungen gesammelt hatte, nahm er an der Schlussphase des
amerikanischen Unabhängigkeitskrieges teil, als Spanien aktiv in den Krieg
eingriff. Im Jahre 1783 gelang es den spanischen Einheiten, den Engländern
Pensácola in Florida und die Bahamas zu entreißen.
Schon früh entwickelte Miranda seinen Lebenstraum von der
Befreiung des spanischen und portugiesischen Amerika von der europäischen Kolonialherrschaft. Miranda schwebte ein einheitlicher lateinamerikanischer
Staat mit dem Namen „Kolumbien“ vor, benannt nach Christoph Kolumbus. Obwohl
Miranda mit seinen Unabhängigkeitsbestrebungen letztlich scheiterte, gilt er bis
heute als Wegbereiter der Unabhängigkeit Südamerikas.
Aufgrund seiner Ansichten über die Unabhängigkeit der
spanischen Kolonien bekam Miranda schon bald Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten,
die sein Verbleiben in der spanischen Armee unmöglich machten.
Am 1. Juni 1783 schiffte er sich heimlich Richtung La Habana
(Kuba) ein – es ist ein Weg ohne Rückkehr. Acht Tage später trifft sein Schiff
in den Vereinigten Staaten ein, wo sich Miranda bis Dezember 1784 aufhalten wird.
Seine Reise beginnt in South Carolina und endet in New England. Miranda trifft
unter anderem mit George Washington, Thomas Paine und Alexander Hamilton zusammen.
Seine Eindrücke und Gedanken während der Reise schreibt er
in sein Tagebuch, das bis heute eines der eindrucksvollsten Zeugnisse
lateinamerikanischer Geschichte ist – insbesondere weil Miranda ein
außerordentlich positives Bild der Vereinigten Staaten vermittelt.
Miranda beschreibt die Amerikaner als „robust und
korpulent“, was er vornehmlich der guten Ernährung zuschreibt. Als er zu seinem ersten Barbecue
eingeladen wird, beobachtet er, wie „Menschen aus verschiedensten
gesellschaftlichen Schichten sich die Hände geben und aus dem gleichen Becher
trinken.“ Miranda erinnert diese „demokratische Gemeinschaft in ihrer reinsten
Form“ unmittelbar an die Berichte, die Dichter und Geschichtsschreiber über die freien
Völker des antiken Griechenlands geschrieben hatten.
In Charleston (South Carolina) besucht Miranda den
Gerichtshof, an dem - englischer Sitte gemäß - sämtliche Verfahren öffentlich
verhandelt werden. Miranda kann seine Freude darüber nicht verbergen: „¡Válgame Dios y qué contraste al sistema legislativo de la España!” (Bei
Gott! Was für ein Unterschied zur Legislative in Spanien!).
Auch das Regierungssystem South Carolinas ruft seine
Bewunderung hervor: „Das ist reine Demokratie – wie überhaupt die Vereinigten Staaten
eine reine Demokratie sind. Hier ist die staatliche Gewalt souverän und
zugleich in Exekutive, Legislative und Judikative getrennt.“
In Philadelphia staunt Miranda über den Einfallsreichtum
sowie Erfindergeist der Nordamerikaner und erwähnt ausdrücklich Benjamin
Franklin, den Erfinder des Blitzableiters. Nicht nur die Gastwirtschaften und Gasthäuser seien „hinsichtlich
Sauberkeit und Ordnung die besten, die ich jemals kennengelernt habe“, das
gleiche gelte auch für die öffentlichen Märkte.
Schließlich macht die religiöse Freiheit, die er in
Pennsylvania vorfindet, einen tiefen Eindruck auf Miranda. Philadelphia selbst
ist für ihn „eine der angenehmsten und am besten organisierten Städte dieser
Welt.“
Mit kühlem und gesundem Menschenverstand erkennt Miranda,
dass die Tugenden und der allgemeine Wohlstand der nordamerikanischen
Gesellschaft in der schlichten Tatsache begründet liegen, „dass wir es hier mit
einer freien Regierung zu tun haben, die über jede Form von Despotismus erhaben
ist.“ Zugleich bedauert er, dass bis jetzt „Franzosen oder Spanier kaum in der
Lage gewesen sind, die Vorteile einer auf Freiheit beruhenden Verfassung zu
erkennen.“
A Montana farm, comfortable if not elegant, and the home of many well-to-do persons (W.H. Jackson) |
Die Auswirkungen eines freien Staatswesens auf die
Wirtschaft des Landes kann Miranda auch in New Jersey beobachten: „Es gibt kaum
ein Stück Erde, das nicht genutzt wird. Das Land ist eingeteilt in kleine
Einheiten, die die Amerikaner Farm nennen. Die landwirtschaftlichen Flächen
werden wesentlich besser bewirtschaftet und gepflegt als in vielen anderen
Ländern – und obwohl die Bodenqualität eher mäßig ist, gelingt es den Menschen
durch Fleiß und Anstrengung aus einem kleinen Fleckchen Erde mehr
herauszuholen, als die Besitzer der großen Bergwerke in Mexiko oder Peru.“
Dahinter steht Miranda zufolge der „Geist der Freiheit, der dieses Volk
antreibt und inspiriert“
Auf dem Weg nach New York hört Miranda von einer Begebenheit
aus dem Unabhängigkeitskrieg, die ihn tief beeindruckt: „Als der französische
General Rochembeau sein Lager in der Nähe von King´s Ferry am Hudson River
aufschlugt, forderte ihn der Besitzer des Anwesens auf, ihm die Nutzung seines
Landes zu entschädigen. Als die französischen Offiziere sich dieser `gänzlich
ungewöhnlichen Forderung des patán republicano (des republikanischen Grobians)´
verschlossen, ging der Mann kurzerhand zum Sheriff, der – ohne Waffen in der
Hand, aber mit der Autorität des Gesetzes unter dem Arm – kurzerhand Rochembeau
vor den Augen seiner verblüfften Armee festsetzte, bis der General schließlich
auf Heller und Pfennig seine Schuld beglichen hatte.“
Soweit diese schlichten Wahrheiten über den Ursprung des
Wohlstandes der Vereinigten Staaten, die bis in unsere heutige Zeit mit dem
Mythos in Widerspruch geraten, demzufolge der nordamerikanische Aufschwung eine
direkte Folge der Ausbeutung und Unterdrückung des südamerikanischen Kontinents
sei.
Wie Carlos Rangel in seiner berühmten Analyse „Del buen
salvaje al buen revolucionario (1976) schreibt, wird das Tagebuch
Mirandas über seine Reise durch die Vereinigten Staaten bis heute ignoriert:
„Sollte jemand auf die Idee kommen, das Tagebuch Mirandas zu lesen, dann wird
er es heimlich machen müssen. Es wird nirgends zitiert, von niemandem
kommentiert. Wenn man in der Welt der Mythen lebt, kann es sehr unbequem
werden, wenn man plötzlich der Wahrheit begegnet – vor allem, wenn sie dann
auch noch von einem der wirklichen Helden und größten Männer Lateinamerikas
verkündet wird.“
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