Nehmen wir an, Sie haben so viel Geld geerbt, dass Sie nie wieder arbeiten müssen! Würden Sie dennoch arbeiten?
Diese Frage ist ein guter Ausgangspunkt, um
über das Thema Arbeit nachzudenken. Auch in der Philosophie schaut man
auf das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Gefragt wird vor allem nach der
Rolle, die die Arbeit im menschlichen Leben spielt bzw. spielen sollte. Gehört
Arbeit zum Wesen des Menschen (homo laborans)? Ist Arbeit eine Pflicht, ein
notwendiges Übel oder ein ursprüngliches Bedürfnis des Menschen? Hilft sie uns
bei unserer Selbstverwirklichung oder hält sie davon ab? Welche Form hat die
Arbeit in unserer Gesellschaft angenommen? Was bedeutet Arbeitslosigkeit für
den, der davon betroffen ist?
Jean-Jacques Rousseau |
Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) ist einer
der wichtigsten Philosophen des 18. Jahrhunderts. In seinen Büchern kritisiert
er zum einen die schlechten Sitten und Gewohnheiten seiner Zeit, zum anderen
die schädlichen Folgen der Zivilisation. Seine Forderung lautet daher: „Zurück
zur Natur!“ In seinem berühmten Erziehungsroman „Emile“ widmet sich Jean-Jacques
Rousseau auch dem Thema Arbeit.
Rousseau beschreibt hier das
Beispiel einer idealen Erziehung unter natürlichen Bedingungen: Emile, ein
gesunder, durchschnittlich begabter Junge aus reichem Hause, soll als erwachsener
Mensch in der Lage sein, in der Gesellschaft seinen Platz zu finden, ohne an
seiner Person Schaden zu nehmen. Als Glied einer Gemeinschaft hat er zwar das
Recht auf Freiheit, aber er muss zugleich bereit sein, seine Pflichten als
Bürger zu erfüllen. Innerhalb der Erziehung spielt auch die Einstellung zur
Arbeit eine wichtige Rolle.
Rousseau geht in seinen Überlegungen vom Prinzip
der Arbeitsteilung aus, ein Gedanke den Adam Smith zur selben Zeit auch zum Ausgangspunkt seiner Gedanken zum „Wohlstand der Nationen“ macht.
„Denken wir uns zehn Menschen, von denen
jeder zehn Bedürfnisse hat. Jeder muss also zur Befriedigung seiner Bedürfnisse
zehn verschiedenen Beschäftigungen widmen. Da aber jeder verschieden begabt und
geschickt ist, so wird einer das, der andere jenes schlechter machen. Jeder
kann alles und macht alles und ist dennoch schlecht bedient.
Nun bilden wir aus den zehn Menschen eine
Gesellschaft und jeder widmet sich für sich und für die neun anderen derjenigen
Beschäftigung, die ihm am besten liegt. Dann zieht jeder aus den Talenten aller
anderen den gleichen Nutzen, als ob er alle selbst hätte. Jeder vervollkommnet
sein Talent durch dauernde Übung, und so kommt es dahin, dass nicht nur alle zehn
vollkommen versorgt sind, sondern auch noch Überschuss für andere haben. Das
ist das offensichtliche Prinzip aller unserer Einrichtungen.“
Für Rousseau ist klar, dass ein Mensch, der
sich als isoliertes Wesen betrachtet, der sich niemandem anschließt und allein sich
selbst genügen will, nicht überlebensfähig wäre, letztlich auch deshalb,
weil die Welt nun einmal „in Mein und Dein aufgeteilt“ sei.
Könnte der Mensch außerhalb der Gesellschaft
leben, dann würde er niemandem etwas schulden. Er hätte dann das Recht, so zu
leben, wie es ihm gefiele. „In einer Gesellschaft dagegen lebt der
Mensch notwendigerweise auf Kosten der anderen: Er schuldet ihnen Arbeit als
Preis für seinen Unterhalt.“
Bekanntes Graffiti mit zwei sehr unterschiedlichen Haltungen zum Thema Arbeit |
Dies gelte ohne Ausnahme, wie Rousseau am Beispiel
eines Erben erläutert: „`Aber mein Vater hat doch, als er seinen Reichtum
erwarb, der Gesellschaft gedient´ …Mag sein. Er hat seine Schuld bezahlt, aber
nicht deine. Du schuldest den anderen mehr, als wenn du arm geboren wärest, und
es ist nicht gerecht, dass das, was ein Mensch für die Gesellschaft getan
hat, einen anderen von seinen Schulden entbindet.“
So müsse jeder seinen Beitrag leisten und
kein Vater könne seinen Kindern das Recht vererben, „ein unnützes Glied der Gesellschaft
zu werden. Wer im Müßiggang verzehrt, was er nicht verdient hat, stiehlt es.“
Selbst der Rentner, den der Staat für sein
Nichtstun bezahlt, unterscheidet sich in den Augen Rousseaus nicht von einem
Straßenräuber, der auf Kosten der Reisenden lebt.
So habe die Gesellschaft einen Anspruch
darauf, dass jeder Einzelne seinen Beitrag durch seine Arbeit leistet: „Arbeiten
ist also eine unerlässliche Pflicht des Menschen innerhalb der Gesellschaft.
Arm oder reich, mächtig oder schwach, jeder müßige Bürger ist ein Schmarotzer.“
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Zitate aus: Jean-Jacques Rousseau: Emile oder Über die Erziehung, Paderborn
1971, S. 191ff - Zum Hören: Das Philosophische Radio (WDR 5) mit Manfred Koch und Jürgen Wiebicke zum Thema "Faulheit"
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