Donnerstag, 17. Januar 2013

Bloch und das Nichtstun



Ernst Bloch (1885 - 1977)
Ernst Bloch gehört zu den wichtigen neomarxistischen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Die tief im Menschen verwurzelte Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der Freiheit, Glück und materielle Sicherheit für alle verwirklicht sind, ist ständiges Leitmotiv seiner Werke.

Vor allem in seinem dreibändigen Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ (1949 – 1959) verfolgt Bloch die Spuren, die die menschliche Utopie eines irdischen Paradieses vor allem in Kunst und Philosophie hinterlassen hat.

Blochs Leben war von Wechseln geprägt. Während der Weimarer Republik schloss sich Bloch der kommunistischen Bewegung an. 1933 musste er aus Deutschland in die USA emigrieren. Nach dem 2. Weltkrieg ging er in die DDR und wurde Philosophieprofessor in Leipzig. Konflikte mit der Staats- und Parteiführung der DDR führten dazu, dass Bloch 1961 in die Bundesrepublik übersiedelte. Hier nahm er eine Professur in Tübingen an.

Für Bloch wie für alle Marxisten ist die Arbeit etwas dem Menschen Wesentliches und Zugehöriges.

Zunächst einmal stellt Bloch fest, „dass es so leicht ist, nichts mehr tun zu wollen. Dass es uns so schwer fällt, wirklich nichts zu tun. Auch dann, wenn nicht, wie meist, die Not treibt. Auch dort, wo ein Urlaub überdies erlauben mag, zu gähnen.“

Die meisten Menschen jedoch – so beobachtet Bloch – jagen einer Illusion hinterher: „Ganz faul zu sein, scheint so süß wie einfach. Je älter ich werde, sagt ein Freund, desto mehr sehe ich ein, das einzig Richtige wäre, überhaupt nicht zu schaffen. Den ganzen Tag, meint er, könne er am Fenster liegen an einer südlichen Küste, und draußen bräuchte auch nichts zu sein … ich will weder Fähigkeiten vorher noch Bedürfnisse nachher haben. So sprach der Freund und sag unwiderleglich aus, doch sein Leben ist anders, nicht einmal unfreiwillig anders. Wie einfach, sollte man meinen, könnte er im Einklang mit seiner Lehre leben. Stattdessen arbeitet er den ganzen Tag verdrossen und vorzüglich, predigt Wein und trinkt Wasser.“

Bloch geht es nicht darum einzustimmen in das Konzert derer, die sagen, Arbeit sei eine Notwendigkeit solange Hunger und Ungerechtigkeit existieren – diese Feststellung ist selbstverständlich gültig! Blochs Blick geht tiefer, denn Faulheit ist für ihn ein Dämon, „den keiner besteht. Sie zeigt darin ihre Verwandtschaft mit der Einsamkeit. Beide, Faulheit wie Einsamkeit, enthalten ein chemisch verwandtes Gift, obwohl Nichtstun nicht einsam zu geschehen braucht, und die Einsamkeit selten müßig ist; es ist das Gift des dunklen Insichseins.“


Abraham Bloemaert (1564–1651): Faulheit

 (in Anlehnung an das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, Mt 13,24ff)


So ist für Bloch „das völlige Nichtstun noch ungenießbarer“ als wenn alle Resultate der Arbeit unnütz erscheinen.

So wurde „das ungekochte Leben“ nie erreicht, „auch im Süden nicht oder bei den Urvölkern. Wenn sie auch nicht unsere Arbeitswut haben und ihre Tage (nicht ihre Feste!) von Ruhe durchzogener, gleichsam eingelegter sind als unsere, so hat die Romantik des Nichtstun doch hier kein Beispiel.“

Nichtstun gleich den Nihilismus im Alltag: „Die Langeweile ist der Lohn, den das Leben ohne Arbeit gibt, sie ist jenes einsame Blei, vor dem man in arbeit und Gesellschaft flieht, das Nichts oder eben ncht Nichts, über dem alle Menschen leben, Schlaf- und Gähnkammer unseres allzu unmittelbaren Zustandes, die leicht eine Schreckenskammer werden kann.“

Und so ist die Flucht vor der Arbeit letztlich eine Flucht vor „dem ungenauen Sein von uns selbst.“ 

„Nicht zu tun, zieht darum ebenso an, wie es keiner dort aushält. Es zieht an, weil wir uns scheinbar darin finden; es ist unerträglich, weil dort noch nichts wirklich zubereitet ist.“

Zitate aus: Ernst Bloch: Nichtstun ist ungenießbar, in: Spuren, Frankfurt a.M. 1985, S. 99-103 (Suhrkamp)  -  Zum Hören: Das Philosophische Radio (WDR 5) mit Manfred Koch und Jürgen Wiebicke zum Thema "Faulheit"


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen