Begriffe wie „Korruption“, „Bestechung“ und
„Bestechlichkeit“, „Unterschlagung“ und „Rechtsbeugung“ und andere ähnliche
Begriffen aus dem Strafrecht den – heutzutage immer stärker zunehmenden - Missbrauch
einer Vertrauensstellung in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Politik.
Selbstverständlich kann der Versuch, die Handlungsweise
eines anderen durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen,
systemtheoretisch auch als Form eines reziproken Gabentausches und damit als eine
Form menschlicher Interaktion betrachtet werden, die unter Umständen
gemeinschaftsbildend sein kann. Dies hatte schon Cicero festgestellt:
„Bedeutsam ist auch jene Gemeinschaft, die sich bildet aus
dem gegenseitigen Geben und Empfangen von Wohltaten. Solange diese
wechselseitig und erwünscht sind, werden diejenigen, unter denen sie vorkommen,
in enger Gemeinschaft verbunden.“ (Cicero, De officiis I,56)
Geschenk oder Bestechung? |
Bemerkenswert ist auch, dass im Babylonischen Talmud der Begriff שׁחד (šochad) sowohl das „Geschenk“
als auch die „Bestechungsgabe“ bezeichnen kann. Das entsprechende Verb (שׁהוא
חד šæhû’ chad) bedeutet auch hier „das, was eint“. So beschreibt שׁחד šôchad
auch fast nie ein absichtsloses Schenken, sondern eines, dem der Gedanke des do
ut des („ich gebe, damit du gibst“) zugrunde liegt In der Praxis wird die
Grenze von „Bestechung“ zu „Geschenk“ daher wohl oft unscharf geblieben sein
(Babylonischer Talmud, Traktat Ketubbot 105a).
Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet dort, wo Recht und Gesetz zu den konstitutiven Elementen des Staates wurden, wo der Kampf um
das Recht und die Gleichheit des Individuums dazu führte, dass sich der Mensch mit
dem Gesetz eine neue strenge Fessel schuf, die die auseinanderstrebenden Kräfte
weiter zusammenhält, wo „der Staat sich objektiv im Gesetz ausdrückt, das
Gesetz König wird“ (Jaeger),
das dort – im griechischen Recht - durchaus klar zwischen Bestechung (δῶρα) und
anderen Vergehen wie Unterschlagung (κλοπή) unterschieden wurde (Aristoteles,
Athenaion politeia 54,2).
Letztlich setzt sich bis in unsere Zeit ein Verständnis
durch, das „Bestechung“ und „Korruption“ als die Gewährung oder das Versprechen
von Vorteilen materieller oder anderer Art definiert. In Abgrenzung zu Nötigung
oder Erpressung muss die Bestechung beiden Parteien jedoch einen Vorteil
verschaffen. Während nun jede Person bestechen kann, ist Bestechlichkeit nur
bei Amtsträgern im weiteren Sinne, d.h. bei Personen mit
Stellvertretungsfunktion, möglich. Nach diesem Verständnis beeinflusst Bestechung
die Entscheidung oder Aktion eines Funktionsträgers in dessen Amtsbereich.
Auch in der Bibel, vornehmlich im Alten Testament wird das
Problem der Bestechung und Korruption in allen Abschnitten der
alttestamentlichen Geschichte immer wieder virulent.
„Deine eigenen Söhne sind nicht
in deinen Wegen gewandelt“ (1.Sam 8)
|
Besonders deutlich wird dies in der Episode, in der die vom gesamten Volk attestierte Gerechtigkeit des Propheten Samuels der Rechtsbeugung seiner Söhne gegenübergestellt wird, die Bestechungs-geschenke annehmen (1.Sam 8,3 und 1.Sam 12,3).
Bereits in der vorköniglichen Zeit der Richter wird in
Israel das Annehmen von Geschenken (s.o. שׁחד šôchad) im Zusammenhang mit der
Rechtsprechung daher apodiktisch verboten:
Du sollst dich nicht
durch Geschenke bestechen lassen; denn Geschenke machen die Sehenden blind und
verdrehen die Sache derer, die im Recht sind. (Ex 23,8)
Dass dieser Anspruch nicht immer eingelöst wurde, belegen
die zahlreichen Klagen über bestechliche Richter:
Du sollst das Recht
nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke
nehmen; (…) Der Gerechtigkeit, ja der Gerechtigkeit jage nach! (Dtn 16, 19-20a)
In die gleiche Tradition gehören auch die Worte des Propheten
Micha und Jesaja über die Missstände in Jerusalem:
Der Prophet Micha (8. Jh. v. Chr.) |
So hört doch dies, ihr
Häupter im Hause Jakob und ihr Herren im Hause Israel, die ihr das Recht
verabscheut und alles, was gerade ist, krumm macht; die ihr Zion mit Blut baut
und Jerusalem mit Unrecht – seine Häupter richten für Geschenke, seine Priester
lehren für Lohn und seine Propheten wahrsagen für Geld – und euch dennoch auf
den HERRN verlasst und sprecht: »Ist nicht der HERR unter uns? Es kann kein
Unglück über uns kommen (Mi 3, 9-11).
Deine Fürsten sind
Abtrünnige und Diebsgesellen, sie nehmen alle gern Geschenke an und trachten
nach Gaben. Den Waisen schaffen sie nicht Recht, und der Witwen Sache kommt
nicht vor sie. (Jes 1, 23)
Weh denen, die Helden
sind, Wein zu saufen, und wackere Männer, Rauschtrank zu mischen, die den
Schuldigen gerecht sprechen für Geschenke und das Recht nehmen denen, die im
Recht sind! (Jes 5, 23)
Gleichwohl bleiben alle diese Klagen recht pauschal und die näheren
historischen Hintergründe und Vorgehensweisen unbestimmt.
Die Begründung für die Ablehnung von
Bestechung im alttestamentlichen Judentum ist das Verständnis von Gerechtigkeit
als Qualität einer „Gemeinschaft“. Bestechung wird demnach als unsolidarisches
und treuloses Verhalten gewertet. Weil diese „Gemeinschaft“ im Kontext des
Volkes Israel auch immer eine Gemeinschaft mit Gott bedeutet, ist Bestechung
immer auch ein Vergehen gegen die Gebote Gottes und dementsprechend wird auf
die negativen Folgen von Bestechlichkeit hingewiesen.
Verflucht sei, wer Bestechung annimmt, so daß er eine Seele erschlägt,
unschuldiges Blut! Und alles Volk soll sagen: Amen! (Dtn 26, 25)
Wer unrechtem Gewinn nachgeht, zerstört sein Haus; wer aber Bestechung
hasst, der wird leben. Der Gottlose nimmt gern heimlich Geschenke, zu beugen
den Weg des Rechts. (Spr 15, 27)
"Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach" (Amos 5, 24) |
Wer dagegen Bestechung ablehnt, übersteht das Endgericht
unbeschadet und wird leben. Eine weltliche Bestrafung für die Annahme von
Bestechung wird dagegen im Alten Testament nirgends beschrieben.
Wer in Gerechtigkeit wandelt und aufrichtig redet; wer verschmäht, durch
Bedrückung Gewinn zu machen; wer seine Hände abzieht, daß er keine Bestechung
nehme; wer seine Ohren verstopft, daß er nicht von Blutvergießen höre; wer
seine Augen zuschließt, daß er Böses nicht ansehe; der wird in der Höhe wohnen,
eine Felsenfeste ist seine Burg, sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser
versiegt nie. (Jes 33, 15f)
Auch im christlichen Kontext spielten die alttestamentlichen
Vorschriften zur unparteilichen Rechtsprechung eine große Rolle. Allerdings
werden „Bestechung“ und „Bestechlichkeit“ in den neutestamentlichen
Lasterkatalogen nicht explizit erwähnt, sondern unter dem Themenkomplex
Habsucht und Geldgier subsumiert.
Eine Ausnahme ist vielleicht das Gleichnis vom ungerechten
Verwalter (Lk 16,1-8), das einzelne Züge eines Bestechungsfalls deutlich werden
lässt. Aber auch Johannes der Täufer empfiehlt umkehrwilligen Zöllnern, die als
besonders bestechungsanfällig galten:
Fordert nicht mehr,
als euch vorgeschrieben ist! (Lk 3,13)
Jesus und sein Versucher |
Die Versuchung ist groß! Der größte Bestecher der Welt
versuchte sogar Jesus selbst zu korrumpieren. So versprach der Teufel Jesus
„alle Reiche der Welt“, allerdings müsse sich Jesus dafür vor ihm niederwerfen
und ihn anbeten (Mt 4,8f). Die teuflische Strategie ging nicht auf, Jesus
widerstand. Aber Jesus war ja auch kein Politiker ...
Zitate aus: Marcus Sigismund, Art. „Bestechung, www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15068
Weitere Literatur: Werner Jaeger: Paideia. Die
Formung des griechischen Menschen, Berlin 1989 (de Gruyter) -
Wolfgang Schuller (Hg.): Korruption im Altertum, München 1982
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