Donnerstag, 23. April 2015

Die Bibel und die Korruption

Begriffe wie „Korruption“, „Bestechung“ und „Bestechlichkeit“, „Unterschlagung“ und „Rechtsbeugung“ und andere ähnliche Begriffen aus dem Strafrecht den – heutzutage immer stärker zunehmenden - Missbrauch einer Vertrauensstellung in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Politik.

Selbstverständlich kann der Versuch, die Handlungsweise eines anderen durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen, systemtheoretisch auch als Form eines reziproken Gabentausches und damit als eine Form menschlicher Interaktion betrachtet werden, die unter Umständen gemeinschaftsbildend sein kann. Dies hatte schon Cicero festgestellt:

„Bedeutsam ist auch jene Gemeinschaft, die sich bildet aus dem gegenseitigen Geben und Empfangen von Wohltaten. Solange diese wechselseitig und erwünscht sind, werden diejenigen, unter denen sie vorkommen, in enger Gemeinschaft verbunden.“ (Cicero, De officiis I,56)

Geschenk oder Bestechung?
Bemerkenswert ist auch, dass im Babylonischen Talmud  der Begriff שׁחד (šochad) sowohl das „Geschenk“ als auch die „Bestechungsgabe“ bezeichnen kann. Das entsprechende Verb (שׁהוא חד šæhû’ chad) bedeutet auch hier „das, was eint“. So beschreibt שׁחד šôchad auch fast nie ein absichtsloses Schenken, sondern eines, dem der Gedanke des do ut des („ich gebe, damit du gibst“) zugrunde liegt In der Praxis wird die Grenze von „Bestechung“ zu „Geschenk“ daher wohl oft unscharf geblieben sein (Babylonischer Talmud, Traktat Ketubbot 105a).

Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet dort, wo Recht und Gesetz zu den konstitutiven Elementen des Staates wurden, wo der Kampf um das Recht und die Gleichheit des Individuums dazu führte, dass sich der Mensch mit dem Gesetz eine neue strenge Fessel schuf, die die auseinanderstrebenden Kräfte weiter zusammenhält, wo „der Staat sich objektiv im Gesetz ausdrückt, das Gesetz König wird“ (Jaeger), das dort – im griechischen Recht - durchaus klar zwischen Bestechung (δῶρα) und anderen Vergehen wie Unterschlagung (κλοπή) unterschieden wurde (Aristoteles, Athenaion politeia 54,2).

Letztlich setzt sich bis in unsere Zeit ein Verständnis durch, das „Bestechung“ und „Korruption“ als die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen materieller oder anderer Art definiert. In Abgrenzung zu Nötigung oder Erpressung muss die Bestechung beiden Parteien jedoch einen Vorteil verschaffen. Während nun jede Person bestechen kann, ist Bestechlichkeit nur bei Amtsträgern im weiteren Sinne, d.h. bei Personen mit Stellvertretungsfunktion, möglich. Nach diesem Verständnis beeinflusst Bestechung die Entscheidung oder Aktion eines Funktionsträgers in dessen Amtsbereich.

Auch in der Bibel, vornehmlich im Alten Testament wird das Problem der Bestechung und Korruption in allen Abschnitten der alttestamentlichen Geschichte immer wieder virulent.

„Deine eigenen Söhne sind nicht 

in deinen Wegen gewandelt“ (1.Sam 8)
Besonders deutlich wird dies in der Episode, in der die vom gesamten Volk attestierte Gerechtigkeit des Propheten Samuels der Rechtsbeugung seiner Söhne gegenübergestellt wird, die Bestechungs-geschenke annehmen (1.Sam 8,3 und 1.Sam 12,3).

Bereits in der vorköniglichen Zeit der Richter wird in Israel das Annehmen von Geschenken (s.o. שׁחד šôchad) im Zusammenhang mit der Rechtsprechung daher apodiktisch verboten:

Du sollst dich nicht durch Geschenke bestechen lassen; denn Geschenke machen die Sehenden blind und verdrehen die Sache derer, die im Recht sind. (Ex 23,8)

Dass dieser Anspruch nicht immer eingelöst wurde, belegen die zahlreichen Klagen über bestechliche Richter:

Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen; (…) Der Gerechtigkeit, ja der Gerechtigkeit jage nach! (Dtn 16, 19-20a)

In die gleiche Tradition gehören auch die Worte des Propheten Micha und Jesaja über die Missstände in Jerusalem:

Der Prophet Micha
(8. Jh. v. Chr.)
So hört doch dies, ihr Häupter im Hause Jakob und ihr Herren im Hause Israel, die ihr das Recht verabscheut und alles, was gerade ist, krumm macht; die ihr Zion mit Blut baut und Jerusalem mit Unrecht – seine Häupter richten für Geschenke, seine Priester lehren für Lohn und seine Propheten wahrsagen für Geld – und euch dennoch auf den HERRN verlasst und sprecht: »Ist nicht der HERR unter uns? Es kann kein Unglück über uns kommen (Mi 3, 9-11).

Deine Fürsten sind Abtrünnige und Diebsgesellen, sie nehmen alle gern Geschenke an und trachten nach Gaben. Den Waisen schaffen sie nicht Recht, und der Witwen Sache kommt nicht vor sie. (Jes 1, 23)

Weh denen, die Helden sind, Wein zu saufen, und wackere Männer, Rauschtrank zu mischen, die den Schuldigen gerecht sprechen für Geschenke und das Recht nehmen denen, die im Recht sind! (Jes 5, 23)

Gleichwohl bleiben alle diese Klagen recht pauschal und die näheren historischen Hintergründe und Vorgehensweisen unbestimmt.

Die Begründung für die Ablehnung von Bestechung im alttestamentlichen Judentum ist das Verständnis von Gerechtigkeit als Qualität einer „Gemeinschaft“. Bestechung wird demnach als unsolidarisches und treuloses Verhalten gewertet. Weil diese „Gemeinschaft“ im Kontext des Volkes Israel auch immer eine Gemeinschaft mit Gott bedeutet, ist Bestechung immer auch ein Vergehen gegen die Gebote Gottes und dementsprechend wird auf die negativen Folgen von Bestechlichkeit hingewiesen.

Verflucht sei, wer Bestechung annimmt, so daß er eine Seele erschlägt, unschuldiges Blut! Und alles Volk soll sagen: Amen! (Dtn 26, 25)

Wer unrechtem Gewinn nachgeht, zerstört sein Haus; wer aber Bestechung hasst, der wird leben. Der Gottlose nimmt gern heimlich Geschenke, zu beugen den Weg des Rechts. (Spr 15, 27)

"Es ströme aber das Recht wie Wasser
und die Gerechtigkeit wie ein nie
versiegender Bach" (Amos 5, 24)
Wer dagegen Bestechung ablehnt, übersteht das Endgericht unbeschadet und wird leben. Eine weltliche Bestrafung für die Annahme von Bestechung wird dagegen im Alten Testament nirgends beschrieben.

Wer in Gerechtigkeit wandelt und aufrichtig redet; wer verschmäht, durch Bedrückung Gewinn zu machen; wer seine Hände abzieht, daß er keine Bestechung nehme; wer seine Ohren verstopft, daß er nicht von Blutvergießen höre; wer seine Augen zuschließt, daß er Böses nicht ansehe; der wird in der Höhe wohnen, eine Felsenfeste ist seine Burg, sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser versiegt nie. (Jes 33, 15f)

Auch im christlichen Kontext spielten die alttestamentlichen Vorschriften zur unparteilichen Rechtsprechung eine große Rolle. Allerdings werden „Bestechung“ und „Bestechlichkeit“ in den neutestamentlichen Lasterkatalogen nicht explizit erwähnt, sondern unter dem Themenkomplex Habsucht und Geldgier subsumiert.

Eine Ausnahme ist vielleicht das Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-8), das einzelne Züge eines Bestechungsfalls deutlich werden lässt. Aber auch Johannes der Täufer empfiehlt umkehrwilligen Zöllnern, die als besonders bestechungsanfällig galten:

Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! (Lk 3,13)

Jesus und sein Versucher
Die Versuchung ist groß! Der größte Bestecher der Welt versuchte sogar Jesus selbst zu korrumpieren. So versprach der Teufel Jesus „alle Reiche der Welt“, allerdings müsse sich Jesus dafür vor ihm niederwerfen und ihn anbeten (Mt 4,8f). Die teuflische Strategie ging nicht auf, Jesus widerstand. Aber Jesus war ja auch kein Politiker ...


Zitate aus:  Marcus Sigismund, Art. „Bestechung, www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15068    


Weitere Literatur: Werner Jaeger: Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, Berlin 1989 (de Gruyter)   -    Wolfgang Schuller (Hg.): Korruption im Altertum, München 1982

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