Donnerstag, 9. Mai 2013

Aristoteles und die Freundschaft


Aristoteles
In der Antike war die Freundschaft von elementarer Bedeutung. Jeder war auf das Wohlwollen eines anderen angewiesen, nicht nur derjenige, der in Ämter gewählt werden wollte. Cicero widmete sich dem Thema in seinem Büchlein „Laelius“. Für die griechische Polis behandelt Aristoteles das Thema der Philía im achten und neunten Buch seiner Nikomachischen Ethik.

Im Altgriechischen bedeutet das Wort „φιλíα“ (Philía) sowohl „Freundschaft“ als auch „Liebe“. Diese begriffliche Unschärfe führt dazu, dass wir heutzutage eine Reihe der in der Antike als „Freundschaft“ bezeichneten Verhältnisse nicht mehr unbedingt als Freundschaften bezeichnen würden.

Aristoteles unterscheidet drei Formen der Philía: „Gegenstand der Liebe kann nur das Liebenswerte sein, und als solches gilt, was wertvoll, lustvoll oder nützlich ist.“

Die nützliche Philía beruht auf beiderseitigem Interesse und Nutzen. Entscheidend für das Fortbestehen der Freundschaft ist Verhalten nach dem Muster Aktion-Reaktion. So kann sich die Freundschaft progressiv entwickeln, wenn beide zurückbekommen, was sie gegeben haben, sie kann aber auch regressiv sein, ist die Reaktion, wenn die gegenseitigen Freundschaftsdienste abnehmen:

„Freunde, die den Nutzen als Zweck verfolgen, trennen sich, sobald der Nutzvertrag aufhört, denn nicht miteinander waren sie befreundet, sondern mit dem Gewinn.“

Harmodios und Aristogeiton - Freunde und Tyrannenmörder

Die zweite Form der Philía gründet auf beiderseitigem Vergnügen. So habe diese Freundschaft eine gewisse Ähnlichkeit mit der nützlichen Liebe, denn die durch Freundschaft Verbundenen „empfangen voneinander die gleiche Gegengabe, die Lust.“

Gleichwohl findet sich die Freundschaft um der Lust willen auch bei den Menschen, die sich durch Trefflichkeit (gr. ἀρετή) auszeichnen und daher die wertvolle und vollkommene Form der Liebe leben:

„Vollkommene Freundschaft ist die der trefflichen Charaktere und an Trefflichkeit einander Gleichen. Denn bei dieser Freundschaft wünschen sie einander dem anderen in gleicher Weise das Gute, aus keinem anderen Grunde, als weil sie eben trefflich sind, und trefflich sind sie `an sich´, wesensmäßig.“

So seien Menschen, die dem Freunde um des Freundes willen das Gute wünschen, die „echtesten Freunde“.

Zwei Freunde
„Freundschaft dieser Art ist, so darf man mit gutem Grund sagen, ein Wert, der dauert, denn in ihr treffen alle Grundvoraussetzungen der Freundschaft zusammen: Jede Freundschaft hat ja einen Wert oder eine Lust zum Ziel – beides entweder an sich oder auf den bezogen, der die Freundschaft erlebt – und beruht auf einem gewissen Grad von Wesensgleichheit.“

So sei diese auf beiderseitiger Anerkennung beruhende Freundschaft die höchste und edelste Form der Freundschaft unter den Menschen.

„Man sieht: Um der Lust und um des Nutzens willen können auch (a) Minderwertige miteinander befreundet sein und (b) Gute mit Minderwertigen und (c) Leute, die weder das eine noch das andere sind, mit Menschen von gleichgültig welchem Charakter. Jedoch um ihrer selbst willen offenbar allein die Guten. Denn Menschen minderen Wertes können sich aneinander nicht freuen, außer es käme irgendwie ein Nutzen dabei heraus.“

Zitate aus: Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1155bff, Stuttgart 1969 (Reclam)  -  Weitere Literatur: Anthony W. Price: Love and Friendship in Plato and Aristotle, Oxford 1989 (Clarendon Press)

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