Ludwig von Mises (1881 - 1973) |
So wie Thomas Hobbes den Staat als „Leviathan“,
als Ungeheuer beschreibt, so ist auch für Ludwig von Mises, dem großen Vertreter des Liberalismus, der Staat in erster Linie ein Zwangs- und
Unterdrückungsapparat. Dies gelte für jeden Staat, ganz besonders jedoch vom
sozialistischen Staat.
„Alles, was der Staat ist und vermag, ist
Zwang und Gewaltanwendung.“ Das Ziel,
das der Staat verfolgt, ist letztlich das „Verhalten, das dem Bestande der
Gesellschaftsordnung gefährlich ist, zu unterdrücken.“ Schon die Römer hatten
gemäß ihrer pragmatischen Staatsauffassung diesen Tatbestand symbolisch ausgedrückt,
„indem sie Beil und Rutenbündel als Sinnbild des Staates annahmen.“
Wenig hält von Mises vom „abstrusen
Mystizismus“ einer Staatsvergottung und Staatsanbetung, der sich in den idealistischen
Staatsauffassungen eines Schelling oder Hegel manifestiert. Für den einen ist der
Staat demnach „das unmittelbare und sichtbare Bild des absoluten Lebens, eine
Stufe der Offenbarung des Absoluten, der Weltseele“, für den anderen „offenbart
sich in dem Staate die absolute Vernunft, realisiert sich in ihm der objektive Geist.“
Für von Mises ist der Staat vielmehr „ein
abstrakter Begriff, in dessen Namen lebendige Menschen - die Organe des
Staates, die Regierung - handeln. Alle Staatstätigkeit ist menschliches
Handeln, Übel von Menschen, Menschen zugefügt. Der Zweck - Erhaltung der
Gesellschaft - rechtfertigt das Handeln der Staatsorgane.“
Natürlich ist sich von Mises bewusst, dass
die zugefügten Übel von denen die darunter leiden, nichtsdestoweniger als Übel
empfunden werden. Er ist sich aber auch darüber klar, dass das Übel, das der
Mensch dem Mitmenschen zufügt, beide schädigt, „nicht nur den, den es trifft,
sondern auch den, der es tut. Nichts verderbt so sehr, wie Arm des Gesetzes
sein, Menschen leiden machen.“
Die eine Seite des Staates: Ein Zwangsapparat |
In der Tradition von Lord Acton, ist auch für von Mises die
Macht böse an sich, „gleichviel wer sie ausübe. Sie verführt zum Mißbrauch.
Nicht nur absolute Fürsten und Aristokratien, auch die in der Demokratie
herrschenden Massen neigen nur allzu leicht zu Ausschreitungen.“ Daher
sind Staatsgewalt und Strafgericht auch für den Liberalismus Einrichtungen, die
die Gesellschaft unter keinen Umständen entbehren kann.
So betont von Mises die alleinige Aufgabe des
Staatsapparates zum Schutz des Lebens und der Gesundheit, der Freiheit und des Privateigentums
(Anm. 1) gegen gewaltsame Angriffe: „Alles, was darüber hinausgeht, ist von Übel.
Eine Regierung, die, statt ihre Aufgabe zu erfüllen, darauf ausgehen wollte,
selbst das Leben und die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum anzutasten,
wäre natürlich ganz schlecht.“
Damit bei aller Schutzfunktion die Freiheit
des Einzelnen bewahrt wird, muss der Staat eingerichtet sein, „dass der Einzelne
auf seinem Boden und im Rahmen des durch seine Gesetze gegebenen Spielraumes
sich frei bewegen kann. Der Staatsbürger darf nicht so beengt sein, dass er,
wenn er anders denkt als die Träger des Staatsapparates, nur die Wahl hat,
entweder unterzugehen oder den Staatsapparat zu zertrümmern.“
Diese Überzeugung erläutert von Mises an einem
bekannten, mittlerweile historischen Beispiel: „In den Vereinigten Staaten von
Amerika sind Handel und Erzeugung von alkoholischen Getränken verboten. Die
übrigen Staaten gehen nicht so weit, doch bestehen nahezu überall
Beschränkungen für den Verkauf von Opium, Kokain und ähnlichen Rauschgiften.
Man erachtet es allgemein als eine Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung, den
einzelnen vor sich selbst zu schützen.“
In diesem Fall beobachtet von Mises, dass auch
diejenigen, die sich sonst gegen jede staatliche Einmischung wehren, es für durchaus
richtig halten, dass die Freiheit des Individuums in dieser Hinsicht beschränkt
werde. Dieses Messen mit zweierlei Maß verdeutlicht von Mises durch weitere
Beispiele:
„Die wenigsten Menschen wissen in ihrem
Liebesleben Maß zu halten, und besonders schwer scheint es Alternden zu fallen,
einzusehen, dass sie einmal hier Schluss machen oder zumindest mäßig werden
sollten. Soll nicht auch hier der Staat eingreifen? Noch schädlicher als alle
diese Genüsse aber, werden viele sagen, ist die Lektüre von schlechten
Schriften. Soll man einer auf die niedrigsten Instinkte des Menschen
spekulierenden Presse gestatten, die Seele zu verderben? Soll man die
Schaustellung unzüchtiger Bilder, die Aufführung schmutziger Theaterstücke,
kurz alle die Verlockungen zur Unsittlichkeit nicht hindern? Und ist nicht die
Verbreitung falscher Lehren über das gesellschaftliche Zusammenleben der
Menschen und Völker ebenso schädlich?“
Für von Mises zeigen diese Beispiele, dass
man, sobald der Grundsatz der Nichteinmischung des Staatsapparates in allen
Fragen der Lebenshaltung des einzelnen aufgeben wird, man dazu gelangt, das
Leben bis ins Kleinste zu regeln und zu beschränken. „Die persönliche Freiheit
des einzelnen wird aufgehoben, er wird zum Sklaven des Gemeinwesens, zum Knecht
der Mehrheit. Man braucht sich gar nicht auszumalen, wie solche Befugnisse von
böswilligen Machthabern mißbraucht werden könnten. Schon die vom besten Willen
erfüllte Handhabung derartiger Befugnisse müsste die Welt in einen Friedhof des
Geistes verwandeln.“
Die Folgen der Neigung, obrigkeitliche Verbote zu fordern ... |
Für von Mises ist die Neigung, obrigkeitliche
Verbote zu fordern, sobald den Menschen etwas nicht gefällt, und die
Bereitwilligkeit, sich solchen Verboten zu unterwerfen, ein Zeichen für ihre
Unmündigkeit, denn sie „zeigt, daß der Knechtsinn ihnen noch tief in den
Knochen steckt. Es wird langer Jahre der Selbsterziehung bedürfen, bis aus dem
Untertan der Bürger geworden sein wird.“
Denn: „Ein freier Mensch muss es ertragen
können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für
richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach
der Polizei zu rufen.“
Der Liberale, so von Mises, führt den Kampf
gegen das Dumme, das Unsinnige, das Irrige, das Böse mit den Waffen des Geistes
und nicht mit roher Gewalt und Unterdrückung.
Anm. 1: Der Dreiklang „Leben“, „Freiheit“ und „Privateigentum“
als Zusammenfassung der Aufgaben des Staates findet sich auch in der berühmten Formulierung von John Locke,
nach der sich der Einzelne mit anderen nur
aus einem Grund zu einem Staat vereinigt, und zwar „zum gegenseitigen Schutz
ihres Lebens („life“), ihrer Freiheiten (freedom“) und ihres Besitzes und Vermögens („estate“), was ich unter der allgemeinen
Bezeichnung Eigentum zusammenfasse („I
call it by the general name, Property.“
(Locke, Zweite Abhandlung, §123)
Zitate
aus: Ludwig von Mises: Liberalismus. Jena 1927 (online unter: http://docs.mises.de/Mises/Mises_Liberalismus.pdf) - Weitere
Literatur: John Locke: Zweite Abhandlung über die Regierung, Frankfurt am Main
2007 (Suhrkamp Studienbibliothek) - Alexander Dörrbecker: Lord Acton: Die
bleibende Aktualität seines Werks.
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