Ludwig Feuerbach |
Wie viele andere Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts
entwickelte auch Ludwig Feuerbach (1804 – 1877) seine Ideen vom `wahren´
Menschen unter dem Einfluss der spekulativen Philosophie Friedrich Hegels.
Ausgehend von der spekulativen Grundannahme, dass der
Weltgeist (auch „absoluter Geist“, „Weltvernunft“, „absolutes unendliches Sein“
oder „Gott“) die Welt in einem Akt schöpferischer Selbstentäußerung erschaffen
hat, gelangt Hegel zu dem Gedanken, dass der Weltgeist nun im Lauf der
Geschichte schrittweise wieder Zu-sich-selber-kommen oder
Sich-selber-bewusst-werden muss. In diesem Zusammenhang interpretiert Hegel
Kulturen, Religionen, wissenschaftliche Ideen und Rechtsvorstellungen als Entwicklungsstufen
des Weltgeistes – und zwar in einem aufsteigenden und zielorientierten Prozess.
„Im Verlauf dieses Prozesses entfaltet der Mensch schließlich seine Anlagen und
Wesenskräfte und erkannt an der nach seinen Ideen und Plänen gestalteten Welt
seine Sonderstellung und Überlegenheit über die Natur.“
Feuerbach jedoch stellt Hegels Deutungsschema der
Weltgeschichte als das Zu-sich-selber-kommen des absoluten Weltgeistes schlicht
auf den Kopf: „Während es in Hegels geschichtsspekulativer Konzeption der absolute
Geist oder Gott ist, der sich die Welt – und damit auch den Menschen als einen
Teil der Welt – als ein Fremdes gegenübergestellt hat, ist es für Feuerbach der
Mensch, der sich Gott oder den absoluten Geist Hegels als ein Fremdes
gegenüberstellt.“
Die Konsequenz aus diesem Ansatz ist die bekannte
Projektionshypothese, der zufolge die Idee von einem Gott und andere religiöse
Vorstellungen wie göttlichen Wundern oder dem ewigen Leben der Seele lediglich
das Ergebnis von Wunschprojektionen des Menschen sind: „Stellt er sich Gott als
allwissend, unendlich, allmächtig, gütig und liebend vor, geschieht dies
deswegen, weil die eigenen Wünsche und Sehnsüchte nach Vollkommenheit,
Unendlichkeit, Unsterblichkeit, Allmacht, Glück und Geliebtwerden aufgrund von
Schranken, die entweder von der Natur gesetzt sind oder von gesellschaftlichen Umständen
her rühren, nicht in Erfüllung gehen.“
Das Ergebnis der Projektion |
Gleichwohl könne man aus diesen Projektionen wertvolle
Hinweise auf die Wesenstruktur des Menschen gewinnen. So erweitert sich die
Religionskritik Feuerbachs zu einem Nachdenken über die Natur des Menschen mit
dem Ziel einer realitätsgerechten Anthropologie.
Während Hegel aus dem Menschen also ein „abstraktes, seiner
empirischen Realität entleertes Vernunft-Ich“ mache, betont Feuerbach die
sinnliche Natur des Menschen: „Mit der Betonung der Sinnlichkeit wird der
Mensch als ein Wesen gesehen, das bei der Selbstverwirklichung entscheidend von
seiner Leiblichkeit, d.h. von Gefühlen, Affekten, Leidenschaften, Instinkten,
Trieben, emotionalen Interessen usw. bestimmt wird.“
Gleichwohl verteidigt Feuerbach keinen dualistischen
Gegensatz von Körper und Vernunft. Wenn er von „sinnlicher Vernunft“ oder
„intelligenter Sinnlichkeit“ spricht, dann hat er dabei vielmehr die
Vereinigung dieser beiden Seiten der menschlichen Existenz im Blick.
Weil nun der Mensch wie erwähnt beim seiner Suche nach Glück
immer wieder an Grenzen stößt, die von der Natur oder der Gesellschaft gesetzt
werden, schafft er sich mit Hilfe der Phantasie die religiösen Ideen „zum Zweck
der illusionären Kompensationen seiner unbefriedigten Wünsche und Versagungen.“
Die Konsequenz daraus ist, dass die Wunscherfüllung allein
in der bloßen Phantasie die realitätsgerechte Bewältigung des Alltags
behindert. „Religiöse Ideen und Vorstellungen nehmen einen Teil der
Aufmerksamkeit gefangen, die zur Verbesserung der physischen und sozialen
Lebensbedingungen, besonders der zwischenmenschlichen Beziehungen, nötig wäre.“
Dies ist der Hauptgedanke von Feuerbachs Menschenbild: Weil
sich das Wesen des Menschen nur in der Beziehung zum Mitmenschen verwirklichen
kann, müssen „alle Bemühungen und emotionalen Kräfte, die bisher in die
Verehrung von Göttern investiert wurden, auf die zwischenmenschlichen
Beziehungen konzentriert werden.“ In den Worten Feuerbachs: „Das Wesen des Menschen
ist nur in der Gemeinschaft, in der Einheit des Menschen mit dem Menschen
enthalten – eine Einheit, die sich aber auf die Realität des Unterschieds von
Ich und Du stützt“ (Grundsätze zur Philosophie der Zukunft).
Feuerbach vertritt hier einen konsequenten und
kompromisslosen Anthropozentrismus, indem er jede metaphysische Instanz auf der
Vorstellung vom wahren Menschen ausschließt: „Ist das Wesen des Menschen das
höchste Wesen des Menschen, so muss auch praktisch das höchste und erste Gesetz
die Liebe zum Menschen sein. Homo homini Deus est – dies ist der oberste
praktische Grundsatz – dies ist der Wendepunkt der Weltgeschichte“ (Das Wesen
des Christentums).
Anstatt also seine emotionalen Fähigkeiten, sein „Humankapital“
in der Verehrung eines Gottes zu vergeuden, soll der Mensch seine Liebe
ausschließlich auf das mitmenschliche Du konzentrieren: „Wir sollen den
Menschen um des Menschen willen lieben. Der Mensch ist dadurch Gegenstand der
Liebe, dass er Selbstzweck, dass er ein vernunft- und liebesfähiges Wesen ist“
(ebd.).
Die Liebe stellt somit neben der Vernunft ein grundlegendes
Wesensmerkmal des Menschen dar, das ihn von allen anderen Lebewesen
unterscheidet. Diese Liebe darf darum „weder über einen Gott vermittelt sein,
wie die christliche Nächstenliebe, noch durch Vernunft gebotene Fernstenliebe
oder eine bloß im rationalen Sinn verstandene, platonische Liebe sein.“ Eine
bloße individuelle Selbstverwirklichung ohne Beziehung zu anderen Menschen
könne ebenfalls nicht dem wahren Menschsein entsprechen, denn ein einsames
Individuum ist „mangelhaft, unvollkommen, schwach und bedürftig.“
Das wahre Menschsein lässt sich also nur in der spezifisch
menschlichen Beziehung verwirklichen. Nur in der Liebe zwischen Menschen, in
der Ich-Du-Beziehung kann zugleich auch die Verschiedenheit des Dialog-Partners
respektiert werden.
Zitate
aus: Kurt Salamun: Wie soll der Mensch sein? Philosophische Ideale vom `wahren´
Menschen von Karl Marx bis Karl Popper, Tübingen 2012 (Mohr Siebeck)
Como diría Jung: “La idea de un ser divino y omnipotente está por todas partes, si no con reconocimiento consciente, entonces con aceptación inconsciente . . . Por eso, considero que es más sabio reconocer conscientemente la idea de Dios; de lo contrario, otra cosa llega a ser dios, generalmente algo muy impropio y estúpido.”
AntwortenLöschenGran entrada.
Un saludo desde Reinado de Carlos II
Muchas gracias Carolus Rex
AntwortenLöschenLa cita de Jung es muy acertada. Lutero por ejemplo dijo: "Donde esta tu corazón ahí esta tu Dios" - En el peor de los casos puede ser el dinero, el poder o incluso el Porsche en el garage
La cuestión es: ¿Necesita el hombre la religión? ¿Es ser religioso una muestra de debilidad? Alfred Döblin, el gran escritor alemán, dijo ante los que le criticaron por su conversión al cristianismo: "No estoy enfermo, no estaba enfermo, no estaré enfermo."
A lo mejor en cuanto a la cuestion en juego nos tenenmos que aferrar a lo que algunos llaman "autotrascendencia" (en alemán: Selbsttranszendenz): Reflexionar sobre las experiencias en que las personas conseguimos librarnos de nosotros mismos. Si llegamos a descubrir lo divino o siempre nos encontramos a nosotros - eso si es una cuestión abierta.
Un saludo
Paideia