„Produktivität“ ist einer der Grundbegriffe
der Ökonomie. Im Allgemeinen bezeichnet „Produktivität“ die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit sowohl eines Unternehmens als auch einer Volkswirtschaft.
„Produktivität“ ist somit eine gesamtwirtschaftliche Erfolgskategorie.
Adam Smith (1723 - 1790) |
Für Adam Smith gibt es vier verschiedene
Arten produktiver Tätigkeit, die nicht nur mit einer jeweils angemessenen
gesellschaftlichen Struktur, sondern auch mit einer passenden Form des
Eigentums korrespondieren. Es handelt sich dabei um die Jagd, das Hirtentum, den Ackerbau und schließlich den Handel und das Gewerbe (vgl. 587ff).
Zu allen Zeiten hat sich der Mensch als homo laborans durch
diese produktiven Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdient. Die Ursache oder
die treibende Kraft, die den Übergang von einem Stadium in das nächste
herbeiführt, ist nach Smith das aktive Bemühen des Menschen, seine materielle
und soziale Lage zu verbessern.
So führt nach Smith der individuelle Erwerbsfleiß und das Streben nach Wohlstand dazu, dass sich die produktiven Kräfte
entwickeln und sich somit nicht nur die soziale und wirtschaftliche Lage des Einzelnen, sondern auch die des
gesamten Gemeinwesens verbessert.
Dies gilt vor allem
für die vierte Stufe der Entwicklung, die moderne Tausch- und
Handelswirtschaft. Sie ist nach Smith dadurch charakterisiert, dass sich das
Individuum seinen Lebensunterhalt durch verschiedene produktive Tätigkeiten verdienen
kann, die allesamt auf Tausch beruhen: Für die Leistung oder Nutzung von Arbeitskraft, Boden oder Kapitel erhält
der einzelne Mensch ein monetäres Entgelt als Lohn,
Rente oder Gewinn. Mit diesem Einkommen kann er sich dann die „notwendigen
und angenehmen Dinge des Lebens“ (3) kaufen.
Besondere
Aufmerksamkeit widmet Adam Smith der Arbeitsproduktivität
– nicht zuletzt aufgrund ihrer volkwirtschaftlichen Konsequenzen.
So unterscheidet
Smith zwischen einer „Arbeit, die den Wert eines Gegenstandes, auf den sie
verwandt wird, erhöht“ und einer Arbeit, „die diese Wirkung nicht hat. Jene
kann als produktiv bezeichnet werden, da sie einen Wert hervorbringt, diese
hingegen als unproduktiv“ (272).
So vermehrt ein
Fabrikarbeiter den Wert des Rohmaterials, das er bearbeitet um den Wert des
eigenen Lohns und den Gewinn des Unternehmers, seine Arbeit ist also produktiv.
Dagegen erzeugt die Arbeit beispielsweise eines Dienstboten nirgendwo einen
solchen Wert: „Wohlhabend wird also, wer viele Arbeiter beschäftigt, arm
hingegen, wer sich viele Dienstboten hält“ (272).
Natürlich hat für Smith auch
die Arbeit des Dienstboten einen Wert, der gleichermaßen einen Lohn
verdient. Im strengen Sinne jedoch ist die Arbeit des Dienstboten unproduktiv.
Während sich die Produktivität des Arbeiters in einem „Produkt“, einem
käuflichen Werkstück oder einer Ware manifestiert, wird die Arbeit des
Dienstboten nirgends sichtbar: „Im Allgemeinen geht seine Leistung im selben
Augenblick unter, in der er sie vollbringt, ohne eine Spur oder einen Wert zu
hinterlassen, mit dem man später wieder eine entsprechende Leistung kaufen
kann“ (272f)
Von entscheidender
Bedeutung ist nun die Beobachtung Smiths, dass „auch die Arbeit einiger
angesehener Berufsstände in einer Gesellschaft, wie die des Dienstboten,
unproduktiv ist“, denn „sie drückt sich nicht in einem dauerhaften Gegenstand
oder verkäuflichen Gut aus, das auch nach abgeschlossener Arbeit fortbesteht
und für das man später wieder die gleiche Leistung erstehen könnte“ (273).
Zu diesen
„angesehenen“, aber unproduktiven Berufsständen gehören nach Smith der
Herrscher samt seinen Beamten, denn „sie alle dienen dem Staat und leben von
einem Teil des Ertrages, den andere Leute übers Jahr hin durch ihren
Erwerbsfleiß geschaffen haben“ (ebd.).
16 höchst unproduktive Arbeiter und Arbeiterinnen (Kabinett der Regierung Zapatero, 2011) |
Neben den Vertretern
der staatlichen Gewalt muss man laut Smith noch viele andere Berufe in die Gruppe der
unproduktiven Arbeiter einreihen: „Zum einen Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte
und Schriftsteller aller Art, zum anderen Schauspieler, Clowns, Musiker,
Opernsänger und Operntänzer“ (ebd.).
Das Urteil von Smith über die unproduktive Arbeit kann nicht klarer und unmissverständlicher sein: „So ehrenwert, nützlich oder notwendig ihr Dienst auch
sein mag, er liefert nichts, wofür später wiederum ein gleicher Dienst zu
erhalten ist“ (ebd.).
Jede Volkswirtschaft
beruht auf dem Gesamtertrag aller arbeitenden Menschen eines Landes, der allein das Ergebnis produktiver Arbeit ist. Je mehr von
diesem Gesamtertrag für den Lebensunterhalt der Unproduktiven ausgegeben wird,
desto weniger steht für die Produktiven zur Verfügung: „Produktive und
unproduktive Arbeiter und jene, die überhaupt nichts tun, alle leben sie
gleichermaßen von dem Jahresertrag“ eines Landes (ebd.).
Mit verblüffender
Schärfe beschreibt Smith das Problem der Finanzierbarkeit der „unproduktiven“ Strukturen des Staates – also des gesamten öffentlichen Sektors:
„Große Nationen
werden niemals durch private, aber immer durch öffentliche Verschwendung und
Mißwirtschaft ruiniert. In den meisten Ländern werden nämlich alle oder nahezu
alle öffentlichen Einnahmen dazu verwendet, um unproduktive Leute zu
unterhalten … Sie alle bringen selbst nichts hervor, leben daher vom Ertrag aus
anderer Leute Arbeit“ (282).
Smith entsteht
die Gefahr, dass „wenn ihre Zahl unnötig erhöht“ wird, „sie in einem einzelnen
Jahr so viel verbrauchen können, dass für die produktiv Tätigen nicht genügend
übrig bleibt“ (282f).
„Unproduktive Leute,
die eigentlich nur aus Teilen der allgemeinen Ersparnisse unterhalten werden
sollten, können indes so viel vom Gesamteinkommen verbrauchen, dass viele
gezwungen sind, ihre für die Beschäftigung produktiver Arbeitskräfte bestimmten
Kapitalien anzugreifen. Dann ist alle Sparsamkeit und kluge Lebensführung der
einzelnen nicht mehr im Stande, die Minderung des Gesamtertrages, verursacht
durch solch gewaltsamen und erzwungenen Rückgriff, wieder auszugleichen“ (283).
Orte produktiver Arbeit: Die Handelshäuser der Deutschen Brücke in Bergen (Norwegen) |
Smith Beobachtungen
sind von erstaunlicher Aktualität. Natürlich – und das wird von Smith auch
nicht bezweifelt – tragen viele unproduktive Arbeiten direkt und indirekt zur
Sicherung und Erhöhung des Lebensniveaus bei. Dies gilt für das Bildungs- und
Gesundheitswesen ebenso wie für Kultur und Sport.
Dennoch: Die
produktive Arbeit ist und bleibt die Grundlage und Voraussetzung für die Möglichkeit – oder den „Luxus“ – unproduktiver Arbeit. Nur solange es Menschen gibt,
die „herstellen, kaufen und verkaufen“, können auch Menschen bezahlt werden,
die Kinder unterrichten, die Kranke pflegen, die Geige spielen oder die versuchen,
einen Ball ins Tor zu schießen.
Aus der Tatsache, dass das Einkommen für
unproduktive Arbeit aus dem Mehrprodukt der produktiven Arbeit abgeleitet wird,
ergibt sich daher die stete Notwendigkeit, den möglichen Umfang der
unproduktiven Arbeit in Abhängigkeit von ihrem gesellschaftlichen Nutzen, aber
vor allem vom Ausmaß der produktiven Arbeit her zu begrenzen.
Zitate
aus: Adam
Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner
Ursachen, hg. mit einer umfassenden Würdigung des Gesamtwerkes von Horst Claus
Recktenwald, München 2009 (dtv)
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