Adam Smith |
Bis in unsere heutige Zeit muss sich Adam Smith (1723-1790) gegen
den Vorwurf wehren, er würde das Ökonomische und Materielle im Leben und
Verhalten der Individuen verabsolutieren und dagegen das Sittliche und
Moralische vernachlässigen.
Dieser Vorwurf ist einfach unverständlich,
weil kaum ein anderer Nationalökonom seine Ideen zur Wirtschaft so eng mit der Moralphilosophie
verbunden hat wie Adam Smith.
Im Alter von nur 29 Jahren übernahm Adam
Smith an der Universität Glasgow die Professur für Moralphilosophie, die vor
ihm sein Lehrer Hutcheson innehatte. 1759 veröffentlichte Smith
sein erstes großes Werk, die „Theorie der ethischen Gefühle“, das ihn in ganz
Europa bekannt machte.
In diesem Werk hat Smith – als ein an der
Wirklichkeit der Dinge orientierter Mann – unmissverständlich deutlich gemacht,
dass jede Analyse ökonomischer Phänomene immer nur einen Aspekt des
menschlichen Handelns in Gemeinschaften erfassen kann.
Smith urteilt grundsätzlich positiv über die
Veranlagung des Menschen, seine eigene Lage verbessern zu wollen, denn er ist
der Überzeugung, dass sich erst im Zuge dieser ständigen individuellen Anstrengung
auch die produktiven Kräfte eines Landes überhaupt erst entwickelt werden
können.
Theorie der ethischen Gefühle (1759) |
So sieht Smith die positiven Folgen eines im
Grundsatz egoistischen Verhaltens und Handelns des Individuums darin, dass die Gemeinschaft
dadurch insgesamt reicher werde und sich wirtschaftlich und kulturell
entwickeln könne.
Das Streben nach Wohlstand und sozialer
Anerkennung „weckt den Erwerbsfleiß der Menschen und hält ihn dauernd in Gang.
Erst dadurch wurden sie veranlasst, den Boden zu kultivieren, Häuser zu bauen,
Städte und Gemeinwesen zu gründen und all jene Wissenschaften und Künste zu
erfinden und zu verbessern, die das Leben des Menschen verfeinern und
verschönern, die die ganze Oberfläche der Erde völlig verändert haben, das Dickicht und die Wälder in der Natur in freundliche und fruchtbare Felder
verwandelt haben und den weg- und wertlosen Ozean zu einer neuen Hilfsquelle
und zu dem großen Verkehrsweg für die verschiedenen Länder der Welt machten“
(Theorie, 263f).
Das entscheidende Motiv für die Bildung von
Wohlstand in einem Land ist also das Streben der Individuen nach Verbesserung ihrer
wirtschaftlichen Lage und sozialen Stellung. Für Smith ist dieses auf
Eigenliebe ruhende Verhalten ein „ethisches Gefühl“, ein „Wunsch, der uns von
Geburt an begleitet und uns niemals wieder verlässt, bis wir zu Grabe getragen
werden“ (Wohlstand, 282)
Dieses seiner Natur nach egoistische Verhalten
wird bei Smith nun auf dreifache Weise in Schranken gehalten. Zum einen durch die Sympathie – auch Mitgefühl oder Interesse für den anderen -, das die Individuen
davon abhält, einem anderen Unrecht zuzufügen. Ohne diesen Sinn für
Gerechtigkeit wäre nach Smith Ansicht keine Gemeinschaft lebensfähig.
Die zweite Schranke – eng verbunden mit der
ersten - besteht in der freiwilligen Anerkennung von gemeinsamen Regeln der
Ethik und Gerechtigkeit, zu welchen die Menschen mittels des common sense, also ihrer Erfahrung und Vernunft, Zugang haben.
Schließlich muss drittens ein System positiver Gesetze die Regeln der
Gerechtigkeit durch Androhung von Sanktionen erzwingen, wozu es letztlich des Staates
und seiner Institutionen bedarf.
Diese drei Schranken erläutert Smith in
seiner „Theorie der ethischen Gefühle“. Im „Wohlstand der Nationen“ kommt noch
die ökonomische Konkurrenz als vierte Schranke gegen einen allzu ungehemmten
Egoismus speziell in der Wirtschaft hinzu.
Insgesamt verteidigt Smith somit einen
geläuterten, einen aufgeklärten Egoismus,
der sozialen und rechtlichen Regeln unterworfen ist.
Unter der Bedingung, dass „natürliche Freiheit“
in einem Land herrscht, das moralische Gewissen im Volk intakt ist und Rechtsordnung
und Konkurrenz das ökonomische Verhalten der Individuen disziplinieren, sind Eingriffe
des Staates in den Wirtschaftsablauf in der Regel nicht weiter nötig.
Arbeit = Wohlstand = Schönheit (Max Klinger, 1857 - 1920) |
Daraus jedoch einen nackten und grenzenlosen
Egoismus abzuleiten, der eine schrankenlose Freiheit im Wirtschaftsalltag oder auch
ein „Leben ohne jeden Zwang“ propagiert, geht an der Intention und den
Grundgedanken von Adam Smith völlig vorbei.
Im Gegenteil: Smith war davon überzeugt, dass
es durchaus möglich ist, persönliche Freiheit und wirtschaftliche Leistung auf
friedliche Weise in Einklang zu bringen und sie zum Wohle der Gemeinschaft
miteinander zu versöhnen. Nur auf dieser Grundlage sei Smith zufolge eine
soziale Koexistenz innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft möglich.
Zitate
aus: Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine
Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 2009 (dtv) -- Adam
Smith: Theorie der ethischen Gefühle, Leipzig 1926 (Meiner)
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