Donnerstag, 11. Oktober 2012

Adam Smith und das Streben nach Wohlstand


Adam Smith
Bis in unsere heutige Zeit muss sich Adam Smith (1723-1790) gegen den Vorwurf wehren, er würde das Ökonomische und Materielle im Leben und Verhalten der Individuen verabsolutieren und dagegen das Sittliche und Moralische vernachlässigen.

Dieser Vorwurf ist einfach unverständlich, weil kaum ein anderer Nationalökonom seine Ideen zur Wirtschaft so eng mit der Moralphilosophie verbunden hat wie Adam Smith.

Im Alter von nur 29 Jahren übernahm Adam Smith an der Universität Glasgow die Professur für Moralphilosophie, die vor ihm sein Lehrer Hutcheson innehatte. 1759 veröffentlichte Smith sein erstes großes Werk, die „Theorie der ethischen Gefühle“, das ihn in ganz Europa bekannt machte.

In diesem Werk hat Smith – als ein an der Wirklichkeit der Dinge orientierter Mann – unmissverständlich deutlich gemacht, dass jede Analyse ökonomischer Phänomene immer nur einen Aspekt des menschlichen Handelns in Gemeinschaften erfassen kann.

Smith urteilt grundsätzlich positiv über die Veranlagung des Menschen, seine eigene Lage verbessern zu wollen, denn er ist der Überzeugung, dass sich erst im Zuge dieser ständigen individuellen Anstrengung auch die produktiven Kräfte eines Landes überhaupt erst entwickelt werden können.

Theorie der ethischen Gefühle (1759)
So sieht Smith die positiven Folgen eines im Grundsatz egoistischen Verhaltens und Handelns des Individuums darin, dass die Gemeinschaft dadurch insgesamt reicher werde und sich wirtschaftlich und kulturell entwickeln könne.

Das Streben nach Wohlstand und sozialer Anerkennung „weckt den Erwerbsfleiß der Menschen und hält ihn dauernd in Gang. Erst dadurch wurden sie veranlasst, den Boden zu kultivieren, Häuser zu bauen, Städte und Gemeinwesen zu gründen und all jene Wissenschaften und Künste zu erfinden und zu verbessern, die das Leben des Menschen verfeinern und verschönern, die die ganze Oberfläche der Erde völlig verändert haben, das Dickicht und die Wälder in der Natur in freundliche und fruchtbare Felder verwandelt haben und den weg- und wertlosen Ozean zu einer neuen Hilfsquelle und zu dem großen Verkehrsweg für die verschiedenen Länder der Welt machten“ (Theorie, 263f).

Das entscheidende Motiv für die Bildung von Wohlstand in einem Land ist also das Streben der Individuen nach Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und sozialen Stellung. Für Smith ist dieses auf Eigenliebe ruhende Verhalten ein „ethisches Gefühl“, ein „Wunsch, der uns von Geburt an begleitet und uns niemals wieder verlässt, bis wir zu Grabe getragen werden“ (Wohlstand, 282)

Dieses seiner Natur nach egoistische Verhalten wird bei Smith nun auf dreifache Weise in Schranken gehalten. Zum einen durch die Sympathie – auch Mitgefühl oder Interesse für den anderen -, das die Individuen davon abhält, einem anderen Unrecht zuzufügen. Ohne diesen Sinn für Gerechtigkeit wäre nach Smith Ansicht keine Gemeinschaft lebensfähig.

Die zweite Schranke – eng verbunden mit der ersten - besteht in der freiwilligen Anerkennung von gemeinsamen Regeln der Ethik und Gerechtigkeit, zu welchen die Menschen mittels des common sense, also ihrer Erfahrung und Vernunft, Zugang haben. Schließlich muss drittens ein System positiver Gesetze die Regeln der Gerechtigkeit durch Androhung von Sanktionen erzwingen, wozu es letztlich des Staates und seiner Institutionen bedarf.

Diese drei Schranken erläutert Smith in seiner „Theorie der ethischen Gefühle“. Im „Wohlstand der Nationen“ kommt noch die ökonomische Konkurrenz als vierte Schranke gegen einen allzu ungehemmten Egoismus speziell in der Wirtschaft hinzu.

Insgesamt verteidigt Smith somit einen geläuterten, einen aufgeklärten Egoismus, der sozialen und rechtlichen Regeln unterworfen ist.

Unter der Bedingung, dass „natürliche Freiheit“ in einem Land herrscht, das moralische Gewissen im Volk intakt ist und Rechtsordnung und Konkurrenz das ökonomische Verhalten der Individuen disziplinieren, sind Eingriffe des Staates in den Wirtschaftsablauf in der Regel nicht weiter nötig. 

Arbeit = Wohlstand = Schönheit (Max Klinger, 1857 - 1920)
Daraus jedoch einen nackten und grenzenlosen Egoismus abzuleiten, der eine schrankenlose Freiheit im Wirtschaftsalltag oder auch ein „Leben ohne jeden Zwang“ propagiert, geht an der Intention und den Grundgedanken von Adam Smith völlig vorbei.

Im Gegenteil: Smith war davon überzeugt, dass es durchaus möglich ist, persönliche Freiheit und wirtschaftliche Leistung auf friedliche Weise in Einklang zu bringen und sie zum Wohle der Gemeinschaft miteinander zu versöhnen. Nur auf dieser Grundlage sei Smith zufolge eine soziale Koexistenz innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft möglich.

Zitate aus: Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 2009 (dtv)  --  Adam Smith: Theorie der ethischen Gefühle, Leipzig 1926 (Meiner)

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