Donnerstag, 22. November 2012

Amartya Sen und die Medien


In seinem Buch „Die Idee der Gerechtigkeit“ behandelt Amartya Sen (*03.11.1933) im Kapitel „Demokratie als öffentliche Vernunft“ auch die Rolle und Funktion der Medien.

US-Briefmarke für die Pressefreiheit (1958)
Versteht man die Geschichte der Demokratie als Entwicklung des öffentlichen Vernunftgebrauches, bzw. als „Regierung durch Diskussion“, dann ist Demokratie unweigerlich verbunden mit der Arbeit einer freien und unabhängigen Presse. Unzensierte und kritische Medien sind nach Sen für eine freie Gesellschaft aus verschiedenen Gründen wichtig:

Erstens leistet Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit einen unmittelbaren Beitrag zu unserer Lebensqualität. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns miteinander verständigen müssen, um uns und unsere Umwelt zu verstehen und gegebenenfalls zu verbessern, dann ist Pressefreiheit eine der entscheidenden Grundlagen dazu.

„Fehlende Medienfreiheit und Unterdrückung der Möglichkeit zur Kommunikation wirken sich unmittelbar als Verringerung der Lebensqualität aus, auch wenn das autoritäre Land, das diese Zensur übt, gemessen am Bruttonationaleinkommen sehr reich sein sollte“ (362).

Zweitens hat die Presse eine wichtige Funktion als Informationsquelle, schließlich verbreitet sie Wissen und ermöglicht dessen kritische Überprüfung. So haben die Medien seit ihren Anfängen die Aufgabe gehabt, die Bürger auf dem Laufenden zu halten, damit sie wissen, was wann und wo geschieht.

„Darüber hinaus kann der investigative Journalismus Informationen ausgraben, die sonst unbemerkt oder sogar unbekannt geblieben wären“ (362).


Libertad digital - Ein gutes Beispiel für einen kritischen Journalismus


Drittens verbindet sich mit der Medienfreiheit eine wichtige Schutzfunktion. Es scheint mittlerweile normal geworden zu sein, dass die Regierenden eines Landes oft ein isoliertes, von den konkreten Problemen der gewöhnlichen Menschen abgeschirmtes Leben führen.

„Wenn die Machthaber jedoch öffentliche Kritik in den Medien gewärtigen müssen werden und vor Wahlen einer unzensierten Presse gegenüberstehen, kann sie das teuer zu stehen kommen – ein starker Anreiz für sie, rechtzeitig zu handeln, um solche Krisen zu vermeiden“ (362).

Viertens kann eine auf sachlichen Informationen beruhende Wertebildung nur gelingen, wenn offene Kommunikation und Auseinandersetzung in der Gesellschaft möglich sind. Die Veränderung politischer Ziele beispielsweise muss im Rahmen eines öffentlichen Diskurses stattfinden.

„Durchdachte Wertebildung ist ein interaktiver Prozess, und die Presse kann erheblich dazu beitragen, dass solche Interaktionen möglich werden“ (362).

Pressefreiheit weltweit (nur in den "grünen Ländern" existiert eine freie Presse) 

Fünftens können gut funktionierende Medien dazu beitragen, dass der öffentliche Vernunftgebrauch generell erleichtert wird.

„Es ist nicht schwer einzusehen, warum freie, energische und effiziente Medien den nötigen diskursiven Prozess erheblich erleichtern können. Die Medien sind nicht nur für Demokratie, sondern für das Streben nach Gerechtigkeit generell wichtig“ (363).

„Gerechtigkeit ohne Diskussion“ – so Sen – „kann eine sehr beklemmende Vorstellung sein“ (363).

Zitate aus: Amartya Sen: Die Idee der Gerechtigkeit, München 2010 (C.H.Beck)


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