In seinem Buch „Die Idee der Gerechtigkeit“
behandelt Amartya Sen (*03.11.1933) im
Kapitel „Demokratie als öffentliche Vernunft“ auch die Rolle und Funktion der
Medien.
US-Briefmarke für die Pressefreiheit (1958) |
Versteht man die Geschichte der Demokratie
als Entwicklung des öffentlichen Vernunftgebrauches, bzw. als „Regierung durch
Diskussion“, dann ist Demokratie unweigerlich verbunden mit der Arbeit einer freien
und unabhängigen Presse. Unzensierte und kritische Medien sind nach Sen für
eine freie Gesellschaft aus verschiedenen Gründen wichtig:
Erstens leistet Rede-, Meinungs- und
Pressefreiheit einen unmittelbaren
Beitrag zu unserer Lebensqualität. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns
miteinander verständigen müssen, um uns und unsere Umwelt zu verstehen und
gegebenenfalls zu verbessern, dann ist Pressefreiheit eine der entscheidenden
Grundlagen dazu.
„Fehlende Medienfreiheit und Unterdrückung
der Möglichkeit zur Kommunikation wirken sich unmittelbar als Verringerung der
Lebensqualität aus, auch wenn das autoritäre Land, das diese Zensur übt,
gemessen am Bruttonationaleinkommen sehr reich sein sollte“ (362).
Zweitens hat die Presse eine wichtige
Funktion als Informationsquelle,
schließlich verbreitet sie Wissen und ermöglicht dessen kritische Überprüfung. So
haben die Medien seit ihren Anfängen die Aufgabe gehabt, die Bürger auf dem
Laufenden zu halten, damit sie wissen, was wann und wo geschieht.
„Darüber hinaus kann der investigative
Journalismus Informationen ausgraben, die sonst unbemerkt oder sogar unbekannt
geblieben wären“ (362).
Libertad digital - Ein gutes Beispiel für einen kritischen Journalismus |
Drittens verbindet sich mit der Medienfreiheit eine wichtige Schutzfunktion. Es scheint mittlerweile normal geworden zu sein, dass die Regierenden eines Landes oft ein isoliertes, von den konkreten Problemen der gewöhnlichen Menschen abgeschirmtes Leben führen.
„Wenn die Machthaber jedoch öffentliche
Kritik in den Medien gewärtigen müssen werden und vor Wahlen einer unzensierten
Presse gegenüberstehen, kann sie das teuer zu stehen kommen – ein starker
Anreiz für sie, rechtzeitig zu handeln, um solche Krisen zu vermeiden“ (362).
Viertens kann eine auf sachlichen Informationen
beruhende Wertebildung nur gelingen,
wenn offene Kommunikation und Auseinandersetzung in der Gesellschaft möglich
sind. Die Veränderung politischer Ziele beispielsweise muss im Rahmen eines öffentlichen
Diskurses stattfinden.
„Durchdachte Wertebildung ist ein interaktiver
Prozess, und die Presse kann erheblich dazu beitragen, dass solche
Interaktionen möglich werden“ (362).
Pressefreiheit weltweit (nur in den "grünen Ländern" existiert eine freie Presse) |
Fünftens können gut funktionierende Medien
dazu beitragen, dass der öffentliche
Vernunftgebrauch generell erleichtert wird.
„Es ist nicht schwer einzusehen, warum freie,
energische und effiziente Medien den nötigen diskursiven Prozess erheblich
erleichtern können. Die Medien sind nicht nur für Demokratie, sondern für das Streben
nach Gerechtigkeit generell wichtig“ (363).
„Gerechtigkeit ohne Diskussion“ – so Sen – „kann
eine sehr beklemmende Vorstellung sein“ (363).
Zitate
aus: Amartya Sen: Die Idee der Gerechtigkeit, München 2010 (C.H.Beck)
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