Martin Luther um 1520 (Lucas Cranach d.Ä.) |
Unmittelbar
nach der reformatorischen Entdeckung des gnädigen Gottes und der
Veröffentlichung der 95 Thesen am 31. Oktober 1517 beginnt Martin Luther mit
der Ausarbeitung eines reformatorischen Programms, mit dem er das
kirchlich-religiöse Leben neu gestalten will.
Unweigerlich
berührt er dabei auch wichtige Themen des weltlichen Alltags, insbesondere aber
aktuelle ökonomische Fragen. Das Thema des Zinsnehmens behandelt „Sermonen von dem Wucher“ (1519 / 1520).
In seiner
dritten Schrift zu wirtschaftlichen Fragen, die den Titel „Von Kaufhandlung und
Wucher“ (1524) trägt, behandelt Luther das Thema des pretium iustum, also des gerechten Preises. In der gleichen Schrift kritisiert
Luther auch die Handlungsweise der großen Handelsgesellschaften.
Die Entstehung
der Schrift steht eng im Zusammenhang mit der Antimonopolbewegung im Reich, die
ihren Höhepunkt zwischen 1520 und 1530 erreichte und dabei „von nahezu allen
Schichten des Volkes getragen wurde“ (Blaich).
Schließlich
sahen sich die höchsten Instanzen des Reiches gezwungen, dem Missbrauch
wirtschaftlicher Macht auf dem Wege der Antimonopolgesetzgebung zu begegnen.
Die durch die Monopolwirtschaft der großen Handelsgesellschaften
hervorgerufenen Schädigungen wurden auf den Reichstagen von Köln/Trier (1512),
Worms (1521) und Nürnberg (1522-1524) ausgiebig diskutiert.
In Köln
wurden im Reichsabschied Strafvorschriften gegen Monopole erlassen, auf den
beiden folgenden Reichstagen richteten sich die Maßnahmen gegen die großen
Handelsgesellschaften als solche.
Kaiser Karl V. (Lucas Cranach d.Ä.)
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Eine wirklich
wirksame Regelung kam jedoch in keinem Fall zustande. So wurden die Fragen im
Nürnberger Reichsabschied einfach an den Kaiser weitergeleitet, der mit der „Constitutiode illicitis mercimoniis“ (März 1525) die Missstände im Handel beseitigen wollte, aber durch sein „Toledaner Edikt“ (Mai 1525) die eigenen Pläne schon wieder abschwächte.
Neben der
auf den Reichstagen geführten Diskussion über die Monopole erfolgten die ersten
Monopolklagen durch den Reichsfiskal. Im Zentrum stand dabei der Prozess gegen
die Augsburger Handelshäuser, allen voran die Fugger. Als die Angeklagten sich
daraufhin direkt an Karl V. wandten, befahl dieser am 15.09.1523 dem
Reichsfiskal „bei vermeidung unser schweren ungnad“, das Gerichtsverfahren
einzustellen. Zwar sei auch der Kaiser „des willens und endtlicher meinung“,
keine Monopole im Reich zuzulassen, dass er aber trotzdem „aus etlichen
trefflichen und wolgegrünten ursachen ein verfahren wider obgemelt kaufleut“
zulassen könne.
Man kann
wohl davon ausgehen, dass Luther sowohl von den unwirksamen Beschlüssen der Reichstage
als auch von der inkonsequenten Haltung des Kaisers enttäuscht war. So sah er
sich wohl gezwungen, das Thema des Wuchers im Hinblick auf den gesamten
Kaufhandel aufzugreifen.
Lutherfordert, den Preis „nach Recht und Billigkeit“ festzusetzen und es eben nicht den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu überlassen, ihn zu
regulieren. Konsequent verlangt Luther von den Kaufleuten, bei der Preisbildung
immer auch das Wohl des Nächsten im Blick zu haben.
Luther macht
in dem Verhalten der Handelsgesellschaften eine Haltung aus, die über den Weg monopolistischer
Marktbeherrschung höchste Profite zu erzielen versucht. Es geht Luther dabei gar
nicht so sehr um den Tatbestand des Monopols als solchem, sondern um den Zweck,
der mit ihm verfolgt wird.
Anstelle
des durch „Billigkeit“ und mit Blick auf den Mitmenschen geregelten Preises
würden die Monopole einen künstlichen, durch Eigennutz bestimmten Preis
festsetzen: „Denn solche Kauffleut tun gerade, als wären die Creaturen und
Güter Gottes allein für sie geschaffen und gegeben, und als möchten sie
dieselben den anderen wegnehmen und nach ihrem Mutwillen festsetzen“ (WA
15,305,28ff).
Auch der
Antimonopolbewegung ging es darum, die Missstände zu beseitigen, die sich aus
dem monopolistischen Verhalten ergaben. Ihre wirtschafts- und sozialpolitischen
Ziele bestanden im wesentlichen in der Wiederherstellung der Preisgerechtigkeit,
der Verhinderung einseitiger Vermögenskonzentration und der Existenzsicherung
der „kleinen“ Kaufleute.
Jakob Fugger (rechts) mit seinem Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz in der „Goldenen Schreibstube“ der Fugger, dem Fuggerkontor |
Luther
erkannte jedoch sehr genau, dass Kirche und Staat in der Praxis durch ihren
ungeheuren Finanzbedarf auf den kapitalistischen Kaufmann angewiesen, ja von
ihm abhängig waren. Auf diesem Weg drangen die Handelsgesellschaften immer
stärker in die Wirtschaftsordnung ein. So schreibt Luther: „Die Fürsten sind
der Diebe Gesellen geworden. Derweil lassen sie die Diebe hängen, die einen
oder einen halben Gulden gestohlen haben, aber hantieren mit denen, die alle
Welt berauben und mehr stehlen als alle anderen zusammen“ (313,5ff)
Luthers
Kritik stand nicht nur im Einklang mit den Forderungen der Antimonopolbewegung
im Reich, sondern auch mit der kirchlichen Tradition. In der Scholastik sah man
in den Monopolen schlichten Betrug, der sich aus der Forderung ungerechter
Preise ergab und zu Verzerrungen der üblichen Marktpreise führte: "Sie unterdrücken und verderben alle geringen Kaufleute, gleich wie der Hecht die kleinen Fische im Wasser" (312,4).
Weil die die
Entstehens- und Existenzbedingungen der Handelsgesellschaften auf Eigennutz und
auf Schädigung des Nächsten abzielen, fordert Luther ihre Abschaffung: "Sollen die Gesellschaften bleiben, so muss Recht und Redlichkeit untergehen. Soll Recht und Redlichkeit bleiben, so müssen die Gesellschaften untergehen. Das Bett ist zu enge, spricht Jesaja, eines muss herausfallen" (313,19 - Jes 28,20).
Luther
will in seinen Schriften „Unterricht geben für jedermann“, jedoch nicht im
Sinne einer neuen wirtschaftlichen Programmatik. Dies sei eindeutig die Aufgabe
der Obrigkeit (311,23). Luther geht es um Aufklärung und Gewissensbildung. So wendet
er sich an die, die „Christo gehorchen und lieber wollten mit Gott arm als mit
dem Teufel reich sein“ (293,24f).
Luther
ging es nicht um eine grundsätzliche Kritik des Handels, den er als für das
Gemeinschaftsleben notwendig anerkannte. Aber er verlangt,
das der Kaufmann vor allen anderen normativen Erwägungen – dazu gehören auch
die eigengesetzlichen Mechanismen der Wirtschaft – die eigentliche ethische
Grundentscheidung zugunsten des Nächsten getroffen hat:
„Denn dein Verkaufen soll nicht ein Werk sein, dass frei in deiner
Macht und deinem Willen steht ohne alles Gesetz und Maß, als wärest du ein
Gott, der niemandem verbunden wäre. Sondern weil dein Verkaufen ein Werk ist,
das du gegen deinen Nächsten übst, soll es mit solchem Gesetz und Gewissen
verfasset sein, dass du es übst ohne Schaden und Nachteil deines Nächsten“
(295,22ff).
Zitate
aus: Martin Luther: Werke, Kritische Gesamtausgabe, 6 Bd., Weimar 1888 (sprachlich
von mir bereinigt)
Weitere
Literatur: Jan Bernert: Luthers frühe Schriften gegen Zins und Wucher (1519, 1520, 1524). Kirchengeschichtlicher Ort und theologische Argumentation. Wissenschaftliche Hausarbeit für die 1. Theologische Prüfung, Hamburg 1993 -- Christian Hecker: Lohn-
und Preisgerechtigkeit. Historische Rückblicke und aktuelle Perspektiven unter
besonderer Berücksichtigung der christlichen Soziallehren, Marburg 2008
(Metropolis) -- Fritz Blaich: Die Reichsmonopolgesetzgebung im
Zeitalter Karls V. Ihr ordnungspolitische Problematik, in: Schriften zum
Vergleich von Wirtschaftsordnungen, hg. von Prof. Dr. K. Paul Hensel und Prof.
Dr. Klemens Pleyer, Stuttgart 1967 (Gustav Fischer Verlag)
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