Carl Friedrich Goerdeler (1884 - 1945) |
Carl Friedrich Goerdeler gehörte zu den führenden Köpfen der
zivilen, national-konservativen Opposition gegen Hitler. Goerdeler war von 1930
bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig und zeitweise zugleich Reichskommissar
für die Preisüberwachung.
Als in Leipzig im November 1936 das Denkmal des jüdischen
Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy abgerissen wurde, trat Goerdeler demonstrativ vom Amt des
Oberbürgermeisters zurück und wurde Berater der Firma
Bosch.
Goerdeler nutze zahlreiche Auslandsreisen zu politischen Sondierungsgesprächen und trat dabei stets für einen harten Kurs der ausländischen Mächte gegen Hitler ein. Im Münchener Abkommen sah er dementsprechend eine „glatte Kapitulation“ des Westens: „Es ist eine phantastische Illusion, einen dauerhaften Frieden auf einen Pakt mit dem Teufel zu gründen“ (Meyer-Kramer, 109).
In zahlreichen Denkschriften und Entwürfen entwickelte Goerdeler
Leitlinien einer politischen Neuordnung in Deutschland. Als Hitler nach der
Eroberung Frankreichs im Sommer 1940 auf dem Zenit seiner Macht stand, verfasste
Goerdeler eine Denkschrift, in der er das baldige Ende der
nationalsozialistischen Herrschaft voraussagte:
„Der Diktator sei außerstande, schrieb er, die eroberten
Räume `so zu beherrschen, dass die ehre und Freiheit der darin wohnenden Völker
bewahrt bleiben´, und zitierte zum Schluss die Sätze, mit denen der Freiherr
v.Stein im Oktober 1808 Friedrich Wilhelm III. zum Widerstand gegen Napoleon
aufgefordert hatte: `Für den Redlichen ist kein Heil als in der Überzeugung,
dass der Ruchlose zu allem Bösen fähig ist … zutrauen zu dem Mann zu haben, von
dem man mit so vieler Wahrheit sagte, er habe die Hölle im Herzen, das Chaos im
Kopf, ist mehr als Verblendung. Ist also in jedem Falle nichts wie Unglück und
Leiden zu erwarten, so ergreife man doch lieber einen Entschluss, der ehrenvoll
und edel ist und eine Entschädigung und Trostgründe anbietet im Fall eines
üblen Erfolges´“ (147f).
Aus dieser Denkschrift entstand bis Anfang 1941 ein
Ordnungsentwurf unter dem Titel „Das Ziel“, in dem Goerdeler die positiven
Ziele des Widerstandes gegen Hitler darzustellen. Diese Schrift zusammen mit
dem Verfassungsentwurf Goerdelers für eine Neuordnung Deutschlands nach Hitler ergibt
ein gutes Bild der politischen und unverkennbar autoritär-staatlichen Absichten
des konservativen Widerstandes.
Der Ausgangspunkt dieser konservativ geprägten
Widerstandsgruppe ist die Erfahrung „vom Einbruch der totalitären Diktatur in
die demokratisch verfasste Gesellschaft von Weimar und die Unfähigkeit der
Parteien von links bis rechts, dem Unheil zu steuern.“ Hinzu kamen
„zivilisationskritische Überlegungen, die in Deutschland seit je auf breite
Resonanz gestoßen waren“, die Kritik an der `Vermassung´ und `Verstädterung´,
am Sündenfall der `Säkularisierung´ samt dem um sich greifenden
`Materialismus´.
So hielt auch Goerdeler die Überwindung des Parteienstaates
durch eine straffere, wenn nicht sogar autoritäre Führung für unerlässlich.
Jedoch geriet Goerdeler „auf der als notwendig erkannten Suche nach dem
politischen und moralischen Minimalkonsens, ohne den ein Staat nicht überdauern
könne … nicht selten in jene Utopiebereiche `konfliktfreier´ Ordnungen, die der
nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsideologie beängstigend nahekamen.“
Prozess zum 20. Juli 1944: Goerdeler am 8. September 1944 als Angeklagter vor dem Volksgerichtshof in Berlin |
Für Hannah Arendt offenbart sich hier eine
demokratieskeptische Tendenz im deutschen Widerstand, die gut erkennbar ist als
die „Fortsetzung der antidemokratischen Opposition von Weimer, … die sich
jetzt, nach dem mitverschuldeten Untergang der Republik, paradoxerweise auch
noch auf Hitler berief, um ihre reaktionären Absichten durchzusetzen.“
Dies spiegelt auch der Verfassungsentwurf Goerdelers
wider: Danach sollte nach dem Sturz der
Diktatur ein aus drei Personen gebildeter Regentschaftsrat die exekutive Gewalt
übernehmen und ein Verfassungsrat die „Majestät des Gesetzes“ wieder
herstellen. Natürlich hieß es, dass dieses halbdiktatorische Regime nur für
eine Übergangsphase einzusetzen sei, doch deren Ende war nirgendwo festgelegt
und von freien und gleichen Wahlen war nirgends die Rede.
Auch wenn die Verfassungsideen Goerdelers im Laufe der Zeit
variierten, die Grundlinie jedoch blieb durchgängig erhalten: „eine stark
gouvernementale Tendenz, die den `Reichsinstanzen´ großes Gewicht einräumte und
vor allem die Mitsprachebefugnisse des Parlaments auf eine mehr oder minder
kontrollierende Funktion beschränkte.“
Es gehört wohl zu den offenen Widersprüchen zwischen seinem
Denken und den konkreten Plänen, dass Goerdeler niemals von den aus der
Weimarer Zeit stammenden Erfahrungen und Ängsten vor dem Volk, dem „demos“,
freikam. Zwar war Goerdeler nach Aussage des Philosophen Theodor Litt, der mit
zum Umkreis der Goerdeler-Gruppe gehörte, ein klar denkenden und gradlinig
wollender Mensch, der fest daran glaubte, dass es nur der verständigen
Aufklärung und der wohlmeinenden sittlichen Belehrung bedürfe, um die
Menschheit von etwaigen Irrtümern anzubringen. Gleichwohl blieben trotz seines
prinzipiellen Vernunftglaubens Begriffe wie „Parteienmacht“,
„Parteienzersplitterung“ und „Parteienegoismus“ für Goerdeler Vokabeln, deren
Schreckbilder durch seine eigenen Verfassungsüberlegungen geisterten.
Versucht man sich abschließend einen Überblick über die
Entwürfe zu verschaffen, wird man ein Weltbild von durchaus antimodernen Zügen
erkennen, „das sich den egalitären Tendenzen moderner Industriegesellschaften
ebenso leidenschaftlich entgegenstemmte wie dem Pluralismus der politischen und
sozialen Interessen.“
Goerdeler war der trügerischen Illusion verfallen, die
partiellen gesellschaftlichen Teilinteressen und Egoismen durch das veraltete
Bild einer gemeinschaftsbestimmenden Ordnungsidylle einzusammeln und so für das
Ganze der Nation dienstbar zu machen. In diesem Sinne besaßen die
nationalkonservativen Vorstellungen einen durchaus utopischen Impuls in
Richtung auf die „gute alte Zeit“, von der man freilich weiß, das sie niemals
das war, was die Formel ausdrückt – eine „gute alte Zeit“.
Gedenktafel für Carl Friedrich Goerdeler, Sybelstraße 2-3, Berlin-Charlottenburg |
Zitate
aus: Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, München 1997 (btb
Verlag) - Weitere
Literatur: Marianne Meyer-Krahmer: Carl Goerdeler und sein Weg in den
Widerstand. Eine Reise in die Welt meines Vaters. Freiburg 1989 (Herder) -
Gerhard Ritter: Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung,
Stuttgart 1984 (Deutsche Verlagsanstalt)
Lieber "Paideia": Ein schöner Artikel. Ich habe seinerzeit in 1980er-Jahren ein Seminar bei dem im Jahre 2000 verstorbenen Freiburger Historiker Hans-Günter Zmarzlik über dieses Thema absolviert. Und in der Tat: Der deutsche Widerstand vom 20. Juli 1944 bestand zum großen Teil aus konservativen Militärs, die selbst antidemokratisch und antisemitisch waren. Der Hauptgrund für ihren gescheiterten Staatsstreich war vor allem die für Deutschland damals schon katastrophale militärische Lage. Diese konservativen Militärs - zum großen Teil aus dem preußischen Adel - wollten im wesentlichen unsinnige Verluste vermeiden und einen Frieden mit den Alliierten schließen. Und dazu war Hitler keineswegs bereit. Hitler war es gleichgültig, wenn er bei seinem Untergang ganz Deutschland mit sich hinabriss. Genau so hat Hitler das dann auch gemacht. Aufgrund der Bormann-Diktate wissen wir auch, dass Hitler sich gegen Ende des Krieges sogar negativ über das deutsche Volk geäussert hat, nach dem Motto "Die Deutschen waren zu schwach für diesen Krieg". Im sogenannten "Nerobefehl" vom März 1945 ordnete Hitler dann sogar eine Politik der "verbrannten Erde" an. Dass er damit auch dem deutschen Volk die Überlebensgrundlage entzogen hätte, war Hitler egal. Dieser "Nerobefehl" wurde aber glücklicherweise teilweise unterlaufen oder war im Chaos der letzten Kriegswochen nicht mehr umsetzbar.
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