Karl Popper ist Begründer und
Hauptvertreter des sogenannten Kritischen Rationalismus. Popper sieht in der menschlichen Vernunft einerseits unverzichtbares Hilfsmittel des Erkennens und
Handelns, andererseits betont er zugleich deren Fehlbarkeit. Wissenschaftliche
Theorien zeichnen sich nach Popper dadurch aus, dass sie durch Erfahrung
überprüft und widerlegt werden können. Daher ist nicht Beweisbarkeit, sondern „Falsifikation“, also Widerlegbarkeit, für Popper das Kennzeichen der Wissenschaft.
So wie der Versuch, absolute Wahrheiten zu
erkennen zum Scheitern verurteilt ist, so werden auf dem Gebiet der praktischen
Philosophie die politische Utopien, die auf eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft abzielen, von Popper als undurchführbar und inhuman kritisiert.
Die von Popper entwickelte politischer Philosophie der „offenen Gesellschaft“
beruht demgegenüber – ausgehend von der fundamentalen Bedeutung von Freiheit
und Kritik – auf einem schrittweisen Umbau der Gesellschaft.
Grundlegend wird Popper kritischer Rationalismus
auch in seiner Auffassung vom Wesen der Philosophie, die er in dem Aufsatz „Wie
ich die Philosophie sehe“ veröffentlichte.
Gleich zu Beginn seiner Gedanken stellt
Popper unmissverständlich fest, dass Philosophie keine Sache einer Elite ist.
Vielmehr geht er von der Prämisse aus: „Alle Menschen sind Philosophen. Auch
wenn sie sich nicht bewusst sind philosophische Probleme zu haben, so haben sie
doch jedenfalls philosophische Vorurteile.“ Die meisten dieser Vorurteile sind
natürlich Theorien, die die Menschen aus ihrer geistigen Umwelt oder ihrer
Tradition übernommen haben und die sie als selbstverständlich akzeptieren.
Alle Menschen sind Philosophen !!! |
Diese Theorien sind Vorurteile in dem Sinne, „dass
sie ohne kritische Prüfung vertreten werden“, obwohl sie natürlich von großer
Bedeutung für das praktische Handeln der Menschen sein können. Dennoch ist eine
„Rechtfertigung der Existenz der professionellen oder akademischen Philosophie,
dass es notwendig ist diese weitverbreiteten und einflussreichen Theorien
kritisch zu untersuchen und zu überprüfen.“
Jede Philosophie müsse also nach Popper mit
den „unsicheren und oft verderblichen Ansichten des unkritischen Alltagsverstandes“
beginnen, wenngleich das Ziel der Philosophie schließlich der „aufgeklärte,
kritische Alltagsverstand (ist), die Erreichung eines Standpunktes, der der
Wahrheit näher ist, und der einen weniger schlimmen Einfluss auf das
menschliche Leben hat.“
Popper warnt jedoch vor „Haarspaltereien“,
wenn er schreibt: „Eine minuziöse, kleinliche Kritik kleinlicher Angelegenheiten,
ohne Verständnis der großen Probleme der Kosmologie, der menschlichen
Erkenntnis, der Ethik und der politischen Philosophie und ohne das ernsthafte
und hingebende Bemühen, sie zu lösen scheint mir verhängnisvoll zu sein.“
Das Problem sieht Popper darin, dass große
Ideen häufig unter einer Flut von Worten begraben werden – „Scholastik, im
übelsten Sinne dieses Wortes, gibt es im Überfluss.“
Daher hat jeder Intellektuelle die Pflicht, „einfach
und klar und in einer möglichst zivilisierten Art zu schreiben und weder die
Probleme zu vergessen, die die Menschheit bedrängen und die neues, kühnes und
geduldiges Nachdenken erfordern, noch die sokratische Bescheidenheit – die Einsicht
dessen, der weiß, wie wenig er weiß.“
Im Gegensatz zu den minuziösen Philosophen
mit ihren kleinlichen Problemen sieht Popper also die Hauptaufgabe der
Philosophie darin, kritisch über das Universum und unseren Platz in ihm
nachzudenken „sowie über die gefährliche Macht unseres Wissens und unsere Kraft
zum Guten und zum Bösen.“
Zitate aus: Karl R. Popper: Wie ich die Philosophie sehe, in: Auf der
Suche nach einer besseren Welt. Vorträge und Aufsätze aus 30 Jahren, München
1987 (piper), hier: 201ff
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