Condorcet (1743 - 1795) |
Der französische Adlige Condorcet wurde am
17. September 1743 geboren. Nach seinem Studium widmete er sich zunächst der
Mathematik und wurde aufgrund einer vielbeachteten Abhandlung über die
Integralrechnung im Jahre 1765 in den Kreis der „Enzyklopädisten“ um Diderot
aufgenommen.
Ab 1789 beteiligte er sich aktiv an der französischen Revolution und
hatte verschiedene Ämter inne. In ihnen setzte sich Condorcet vor allem für eine
Erziehung für alle Volksschichten, für die Gleichberechtigung der Frau und für
die Abschaffung der Sklaverei ein. Im Zuge der Verfolgungen durch die radikalen
Jakobiner unter Robespierre wurde Condorcet verhaftet und starb auf bis
heute ungeklärte Weise am 28. März 1794 im Gefängnis des Pariser Vorortes
Clamart.
Condorcet gilt als einer der radikalsten
Vertreter des aufklärerischen Fortschrittsoptimismus. Die Aufgabe der Politik
sah er darin, wirtschaftliche und soziale Reformen auf der Basis
wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse zu planen und zu steuern. Der erst
nach seinem Tod veröffentlichte Entwurf einer historischen Darstellung der
Fortschritte des menschlichen Geistes (1795) ist das bedeutendste
geschichtsphilosophische Werk der französischen Aufklärung.
Condorcet geht von der – zweifelsohne optimistischen
- Prämisse aus, dass es dem Menschen gelingen mag, aufgrund seiner Erfahrung
der Vergangenheit auch die Ereignisse der Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit
vorherzusehen zu können.
Daher fragt Condorcet: „Warum sollte man es
dann noch für ein phantastisches Unterfangen halten, das Bild der künftigen
Geschicke des Menschengeschlechts nach den Ergebnissen seiner bisherigen
Geschichte mit einiger Wahrscheinlichkeit zu entwerfen?“ Im Bereich der Naturwissenschaften seien es ja die allgemeinen Naturgesetze, die eine sichere Grundlage für Voraussagen bilden,
weil sie letztlich als „notwendig und beständig“ gelten können.
So ist Condorcet der festen Überzeugung, dass
die Kriterien des „Notwendigen und Beständigen“ auch für die Entwicklung der intellektuellen
und moralischen Fähigkeiten des Menschen Gültigkeit haben.
Weil also „alle die Ansichten über
Gegenstände von der gleichen Ordnung, die aus der Erfahrung der Vergangenheit
gewonnen sind, die einzige Verhaltensregel der weisesten Menschen abgeben,
warum sollte man es dem Philosophen verbieten, seine Mutmaßungen auf die
gleiche Grundlage zu stellen, vorausgesetzt, dass er ihnen keine höhere
Gewissheit beimisst, als die, welche auf der Zahl, der Beständigkeit und
Genauigkeit der Beobachtungen beruht?“
Condorcet fokussiert nun das Nachdenken über
den zukünftigen Zustand auf drei grundsätzliche Bereiche Menschheit: „die
Beseitigung der Ungleichheit zwischen den Nationen; die Fortschritte in der
Gleichheit bei einem und demselben Volke; endlich die wirkliche Vervollkommnung
des Menschen.“
Die Frage gleichwohl ist, ob die Menschen
sich einem Zustand nähern werden, "da sie alle aufgeklärt genug sind, um sich in
den allgemeinen Angelegenheiten des Lebens der eigenen Vernunft anzuvertrauen,
ein Leben frei von Vorurteilen zu führen, zu wissen, welche Rechte sie haben
und wie sie diese nach eigenem Ermessen, eigenem Gewissen gebrauchen sollen;
werden die Mensch dahin kommen, dass alle durch die Entwicklung ihrer
Fähigkeiten auch sicher die Mittel erhalten, um für ihre Bedürfnisse aufkommen
zu können; dass schließlich Verdummung und Elend nunmehr zufällig und nicht
länger der gewohnte Zustand eines Teiles der Gesellschaft sind?“
Condorcet begründet seinen Optimismus
hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten der Menschheit durch die Entdeckungen
in Wissenschaft und Technik, durch privaten Wohlstand und allgemeine Wohlfahrt,
aber auch durch Fortschritte in den Grundsätzen des Verhaltens und der
praktischen Moral.
Vor dem Hintergrund dieser beobachtbaren Erfahrungen
ist sich Condorcet sicher, „dass die Natur unseren Hoffnungen keine Grenzen
gesetzt hat.“
Die Sonne wird nur noch auf freie Menschen scheinen ... |
Und so schließt Condorcet seine Gedanken mit
einem kaum noch zu überbietenden Optimismus: „Sie wird also kommen, die Zeit, da die Sonne
hienieden nur noch auf freie Menschen scheint, Menschen, die nichts über sich
anerkennen als ihre Vernunft; da es Tyrannen und Sklaven, Priester und ihr stumpfsinnigen
oder heuchlerischen Werkzeuge nur noch in den Geschichtsbüchern und auf dem
Theater geben wird; da man sich mit ihnen nur noch befassen wird, um ihre Opfer
zu beklagen und die, die sich zum Narren machten; um im Gefühl des Schreckens
über ihre Untaten sich in heilsamer Wachsamkeit zu erhalten und den Blick zu
schärfen für die ersten Keime des Aberglaubens und der Tyrannei, damit diese
unter dem Gewicht der Vernunft erstickt werden könne, sobald es ihnen gelingen
sollte, wieder hervorzubrechen!“
Natürlich war Condorcet ein überzeugter Aufklärer,
ein Liberaler und kultureller Neuerer der Moderne. In seinem am 3. Juli 1790
veröffentlichten Essay Sur l'admission des femmes au droit de cité
sprach er sich für die Einführung des Frauenwahlrechts aus. Darüber hinaus trat
er für die Gleichberechtigung von Schwarzen verbunden mit der Abschaffung der
Sklaverei und für den Freihandel ein.
Dennoch ist es immer wieder sehr heilsam,
sich der Mahnung Karl Raimund Poppers zu erinnern, der jeder Form der prophetischen
Geschichtsphilosophie mit den folgenden Worten entgegentrat: „Diese irrationale
Einstellung, die sich an Träumen von einer schönen Welt berauscht, nenne ich
Romantizismus. So mag er einen himmlischen Staat in der Vergangenheit oder in
der Zukunft suchen, aber er wendet sich immer an unsere Gefühle, niemals an
unsere Vernunft. Sogar mit der besten Absicht, den Himmel auf der Erde einzurichten,
vermag er diese Welt nur in eine Hölle zu verwandeln – eine jener Höllen, die
Menschen für ihre Mitmenschen bereiten.“
Zitate
aus: Condorcet: Entwurf einer historischen Darstellung der Fortschritt des
menschlichen Geistes, Frankfurt a.M. 1963 (Europäische Verlagsanstalt), S. 345
ff) -
Karl Raimund Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Tübingen
1992 (Mohr Siebeck), S. 213ff - Empfehlenswert auch "Das philosophische Radio" (WDR 5) zum Thema "Geschichtsphilosophie" mit Alexander Demandt
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