US Dollar Sign (Andy Warhol) |
Eines der fundamentalen Probleme im Zusammenhang mit dem Thema „Geld und Gerechtigkeit“ ist
die Frage nach dem gerechten Preis.
Lange Zeit war die auf Aristoteles zurückgehende Unterscheidung von Tausch- und
Verteilungs-gerechtigkeit entscheidend für die Beurteilung des Preises.
Das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit (iustitia
distributiva) orientiert sich an der
Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen. Demnach sind die Preise
ungerecht, wenn aufgrund der Höhe der Preise eine angemessene Versorgung der
Bevölkerung mit Grundgütern und die Herstellung und Bewahrung sozial
angemessener Lebensverhältnisse nicht gewährleistet werden kann.
„Als ungerecht gilt, wer die Gesetze und die
gleichmäßige Verteilung der Güter, die bürgerliche Gleichheit missachtet, also
den Unersättlichen (pleonektēs). Somit gilt offenbar als gerecht, wer die
Gesetze und die gleichmäßige Verteilung, also die bürgerliche Gleichheit achtet“
(Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1129a31ff).
Nach Aristoteles wird die
Verteilungsgerechtigkeit durch die Rechtsordnung der Polis garantiert, die auf der Gleichheit ihrer Bürger vor dem Gesetz beruht. Auf diese Weise wird
zugleich die Voraussetzung für eine auf Tauschgerechtigkeit beruhenden
Wirtschaftstätigkeit geschaffen.
Geht man von der Tauschgerechtigkeit (iustitia
commutativa) aus, dann ist der Preis gerecht, wenn eine Ware zu einem Preis verkauft
wird, der den Herstellungs- und Beschaffungskosten entspricht. Andernfalls läge
der Tatbestand des Betruges oder Wuchers vor.
Die mittelalterliche Lehre vom iustum pretium,
wie man sie etwa bei Thomas von Aquin findet, berechnet den Wert einer Ware
genau auf dieser Grundlage der objektiven Kosten von Herstellung und Beschaffung. Thomas bestimmt
den Wert eines Gutes zwar über den Marktpreis, dennoch ist es für ihn ungerecht, eine Sache teurer zu verkaufen oder billiger einkaufen als sie wert
ist oder beim Kauf Notlagen ausnutzen.
Dagegen hält Thomas von Aquin maßvolle Gewinne aus dem Handel für zulässig. So darf der Preis
auch die Vergütung für einen entgangenen Nutzen des Verkäufers sein.
Martin Luther |
Luther fordert deshalb, die Preise nach
„Recht und Billigkeit“ festzusetzen. Der Gewinn des Händlers solle sich dabei am Prinzip der „ziemlichen Nahrung“ ausrichten. Dieses Prinzip wurde im 14.
Jahrhundert von Heinrich von Langenstein in seinem „Tractatus bipartitus de
contractibus emtionis et venditionis“ entwickelt und beschreibt ursprünglich
die Vorstellung eines „standesgemäßen Unterhaltes.“
Luther dagegen verwendet
den Begriff der "ziemlichen Nahrung" nicht im Sinne feudaler Ansprüche, sondern als Kriterium für ein verantwortliche ökonomisches Handelns. Es geht ihm hierbei vor allem um Bedarfsdeckung des Kaufmanns im
Sinne einer lebensnotwendigen Versorgung mit Grundgütern, einschließlich
Unkostenerstattung und angemessener Entlohnung.
Entscheidend ist jedoch, dass Luther den
Begriff des pretium iustum in Beziehung setzt zum Begriff der „Billigkeit“,
worunter im Allgemeinen eine Anpassung eines Rechtssatzes an einen konkreten
Fall verstanden wird. „Billigkeit“ steht also im Spannungsfeld zwischen zwei
Interessen: der Forderung nach Eindeutigkeit des geschriebenen Gesetzes und der
unerlässlichen Flexibilität gegenüber unerwarteten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen
Situationen.
Weil Luther „Billigkeit“ also im Sinn einer
sittlichen Gerechtigkeit und nicht als kodifiziertes Recht versteht, geht es
ihm letztlich gar nicht um eine nach rein ökonomischen Kriterien ausgerichtete
Preisbildung, ob sie nun durch behördliche Festsetzung oder durch die inneren
Kräfte des Marktes bestimmt wird.
Ein bekannter Kaufmann ... |
Luther will vielmehr die ethische Grundentscheidung
des Kaufmannes den ökonomischen Regulierungsmechanismen vorgeordnet sehen. Dabei
genüge es schon, wenn der Kaufmann mit gutem Gewissen danach trachtet, das
rechte Maß, also die „ziemliche Nahrung“ zu treffen. Das Ziel Luthers ist eine
optimale Güter- und Einkommensverteilung unter dem Blickwinkel des Allgemeinwohls,
aber auch eine für Käufer- und Verkäuferseite akzeptable Preisgestaltung.
An entscheidender Stelle schreibt Luther: „Denn
dein Verkaufen soll nicht ein Werk sein, das frei in deiner Macht und deinem
Willen ohne jedes Gesetz und Maß steht, als wärest du ein Gott, der niemandem
verbunden wäre. Sondern weil dein Verkaufen ein Werk ist, das du gegen deinen
Nächsten übst, soll es mit solchem Gesetz und Gewissen verfasst sein, dass du
es übst ohne Schaden und Nachteil deines Nächsten“ (295,22ff).
Eine nach Luther richtige Einstellung des Kaufmanns zu seinem Gewerbe ist demnach erst dann gegeben, wenn dieser vor allen anderen normativen Erwägungen die eigentliche ethische Grundentscheidung zugunsten des Nächsten getroffen hat. Auch wenn der Kaufmann nicht durch staatliche oder kirchliche Obrigkeit durch Gesetz in der Ausübung seiner Wirtschaftstätigkeit gebunden wird, so findet er dennoch in der freien Unterstellung der Person unter das Evangelium eine bindende Norm.
Literatur: Martin
Luther: Werke, Kritische Gesamtausgabe, 6 Bd., Weimar 1888 (sprachlich von mir
bereinigt) -- Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, München 1991 (dtv) -- Christian Hecker: Lohn- und Preisgerechtigkeit.
Historische Rückblicke und aktuelle Perspektiven unter besonderer Berücksichtigung
der christlichen Soziallehren, Marburg 2008 (Metropolis) -- Jan Bernert: Luthers frühe Schriften gegen Zins und Wucher (1519, 1520, 1524). Kirchengeschichtlicher Ort und theologische Argumentation. Wissenschaftliche Hausarbeit für die 1. Theologische Prüfung, Hamburg 1993
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