Donnerstag, 24. März 2016

Max Weber und die Politik als Beruf

Max Weber
Am 28. Januar 1919 hielt Max Weber vor dem Freistudentischen Bund seine berühmte Rede über das Thema „Politik als Beruf“. Etwa ein halbes Jahr später erschien sein Vortrag, stark überarbeitet als separate Broschüre.

Weber beginnt mit einer Definition dessen, was er unter „Politik“ versteht, d.i. „die Leitung oder die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes, heute also: eines Staates.“ Der Staat wiederum ist für Weber „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.“ Demnach wäre Politik schlicht das „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt. […] Wer Politik treibt, erstrebt Macht, – Macht entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele – idealer oder egoistischer – oder Macht ‹um ihrer selbst willen›: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen.“

Nach diesen kurzen aber prägnanten Definitionen macht  Weber zunächst wenige Anmerkungen zur Geschichte der politischer Machtausübung und von verschiedenen Typen von Politikern, wobei er die „Berufspolitiker“, die selbst die Machtausübung anstreben – von den antiken und mittelalterlichen „Demagogen“ bis zu den modernen „Parteiführern“ –, von solchen Politikern unterscheidet, die nicht selbst Herrscher sein wollen, sondern sich professionell in den Dienst der Herrscher stellen. Weber unterscheidet also zwischen den „Gelegenheitspolitikern“ und „Berufspolitikern“, wobei die ersteren „für die Politik“ leben, die zweiten dagegen „von der Politik“ leben (müssen), insbesondere in ökonomischer Hinsicht.

In einem zentralen Abschnitt seines Textes befasst sich Weber mit den „persönlichen Vorbedingungen“, den „Qualitäten“ jener Menschen also, die sich der Politik zuwenden wollen und die durch ihre Teilnahme an der Macht nicht nur „Machtgefühl“ erlangen, sondern auch der dadurch erlangten Verantwortung gerecht werden sollen.

Für Weber sind drei Eigenschaften nötig, über die der politisch Handelnde verfügen muss, „um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen“: „Leidenschaft“, „Verantwortungsgefühl“ und „Augenmaß“. Dabei steht für Weber fest, dass es auf das Zusammenspiel dieser Qualitäten ankommt, damit das Ziel erreicht wird, die Eitelkeit des Politiker, seine größte Untugend, in Grenzen zu halten. „Unsachlichkeit“, „Verantwortungslosigkeit“ sowie das Streben nach Macht allein um ihrer selbst willen sind es, weswegen Weber sich entschieden gegen den „bloßen Machtpolitiker“ ausspricht.

Weber kritisiert auch die revolutionären Gesinnungspolitiker ...
hier in ihrer modernen und populistischen Variante.

Hier liegt für Weber auch die Schnittstelle zwischen Ethik und Politik, denn es geht an dieser Stelle vor allem um die ethischen Grundlagen und die Machtbezogenheit des politischen Handelns allgemein.

Weber spricht von zwei grundsätzlich verschiedenen Orientierungen des politischen Handelns: Ein Politiker könne „gesinnungsethisch“ oder „verantwortungsethisch“ handeln. Diese Differenzierung ist deshalb für Weber wichtig, weil sich darin seine Kritik an einer pazifistischen und revolutionären „Gesinnungspolitik äußert, wie sie zum Zeitpunkt der Rede in Teilen der deutschen Öffentlichkeit, insbesondere der Studentenschaft, weit verbreitet hatte. Zugleich zielt die Unterscheidung ebenso auf eine Kritik an den verschiedenen Varianten gesinnungsloser „Realpolitik“ und reiner Machtpolitik eines „politischen Realismus“.

Weber geht es darum, die Berufspolitik als verantwortungsethisches Handeln zu legitimieren, bei dem keineswegs „jedes Mittel den Zweck heilige“. Natürlich würde jeder, der in dem Feld der Politik mitspielen wolle – und damit auf Macht und Gewaltsamkeit aus sei –, mit „diabolischen Mächten“ einen Pakt schließen.

Aber gerade deshalb sei eine Synthese beider Ethiken notwendig: „Insofern sind Gesinnungsethik und Verantwortungsethik nicht absolute Gegensätze, sondern Ergänzungen, die zusammen erst den echten Menschen ausmachen, den, der den ‹Beruf zur Politik› haben kann.“

Bis auf den heutigen Tag haben diese Überlegungen Weber nichts an Aktualität verloren. Sie gehören ins „Stammbuch“ vieler Politiker geschrieben.


Nachbemerkung

Demagoge Hitler
Einige Passagen seines Textes enthalten geradezu prophetische und düstere Unheilsbotschaften. Weber lud die „verehrten Anwesenden“ dazu ein, mit ihm über das referierte Thema noch einmal nach zehn Jahren (also 1930) erneut zu sprechen, denn: „Nicht das Blühen des Sommers liegt vor uns, sondern zunächst eine Polarnacht von eisiger Finsternis und Härte […] Wenn diese Nacht langsam weichen wird, wer wird dann von denen noch leben, deren Lenz jetzt scheinbar so üppig geblüht hat? Und was wird aus Ihnen allen dann innerlich geworden sein? Verbitterung oder Banausentum, einfaches stumpfes Hinnehmen der Welt und des Berufes oder, das dritte und nicht Seltenste: mystische Weltflucht […] In jedem solchen Fall werde ich die Konsequenz ziehen: die sind ihrem eigenen Tun nicht gewachsen gewesen, nicht gewachsen auch der Welt, so wie sie wirklich ist, und ihrem Alltag: sie haben den Beruf zur Politik, den sie für sich in sich glaubten, objektiv und tatsächlich im innerlichsten Sinn nicht gehabt. […] 

Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, daß man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muß ein Führer und nicht nur das, sondern auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held sein. 

Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, daß er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, daß er all dem gegenüber: `dennoch!´ zu sagen vermag, nur der hat den `Beruf´ zur Politik.“

Zitate aus: Dirk Kaesler: Max Weber, München 2011



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