Friedrich A. Hayek (1899 - 1992)
|
Im September 1945 veröffentlichte Friedrich August von Hayek
in der „American Economic Review“ einen Artikel unter dem Titel „The Use of
Knowledge in Society“ (Die Verwendung des Wissens für die Gesellschaft). Darin
legt Hayek in beeindruckender Weise dar, weshalb jedes staatliche System wirtschaftlicher
Zentralplanung mit unüberwindlichen Geburtsfehlern behaftet ist und
zwangsläufig scheitern muss.
Schon ein Jahr vorher hatte Hayek in seinem Buch "The Road to Serfdom" (Der Weg zur Knecht-schaft) aufgezeigt, dass der Sozialismus zwar vollmundig die Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung und eine neue Welt der Freiheit und des Wohlstands für alle verspricht, dass aber die Konzentration von Macht und Kontrolle in den Händen einer kleinen elitären Regierung, welche alle Angelegenheiten der Gesellschaft zentralistisch planen will, unweigerlich zur Einschränkung und schließlich zur Abschaffung sämtlicher persönlicher und bürgerlicher Freiheiten führen würde.
„Allen Träumen und Versprechungen ‚demokratischer’ Sozialisten
zum Trotz würde der Staat alle Produktionsmittel beherrschen. Es würden dann nur
noch die Informationen in Büchern und Zeitschriften abgedruckt, die der
Gesinnung der Regierung entsprechen. Wäre der Staat erst einmal im Besitz aller
Ressourcen, Produktionsmittel und Maschinen, dann würde er unweigerlich
bestimmen, welche Konsumgüter zulässig sind und von den Bürgern als
wünschenswert erachtet werden sollten (...)
In einem solchen System würde das Schicksal jedes
Individuums von einem einzigen allmächtigen Anbieter abhängen, aus dessen
Fängen es kein Entrinnen gäbe, da der Staat alles besitzt, alles kontrolliert
und alles plant. Dann gäbe es auch keine Privatsphäre mehr, in der es sich
abseits von den zentralplanerischen Händen des Staates leben ließe.“
„Der Weg zur Knechtschaft“ ist nicht nur harsche Kritik an
den totalitären Rezepten des Sozialismus, sondern zugleich auch ein Plädoyer
für die Würde und Unantastbarkeit des Individuums und für eine unabhängige Gesetzgebung,
die den Schutz der Bürger vor Staatsmacht und –wilkür garantieren soll.
In dem erwähnten Aufsatz „Die Verwertung des Wissens für die
Gesellschaft“ baut Hayek seine Ideen nun weiter aus: „Damit eine zentralistisch
orchestrierte Planung überhaupt funktionieren könne, müsse demnach ein
zentralplanerisches Organ im Besitz vollständigen, allumfassenden Wissens sein,
um unter der Berücksichtigung aller relevanten Fakten den bestmöglichen
Gebrauch und die effizienteste Verwendung der verschiedenen physischen
Ressourcen sowie der immateriellen, menschlichen Kenntnisse sichern zu können.“
Nun ist offensichtlich, dass dieses Wissen weder an einem
einzigen Ort noch in einem einzigen Kopf, geschweige denn in den verschiedenen
Köpfen einer Gruppe existieren kann: „Das „Wissen dieser Welt“ ist vielmehr
verstreut und auf die unzähligen Köpfe der Mitglieder einer Gesellschaft
verteilt, wovon jeder verglichen mit der Gesamtheit des vorhandenen Wissens in
der Gesellschaft lediglich einen kleinen Teil verfügbar hat und versteht.“
Für Hayek steht fest, dass dieses „spezifische Wissen von
Zeit und Ort“ allein in der Interaktion im sozialen System der Arbeitsteilung
erworben werden kann. „Es geht beispielsweise aus der Beschäftigung in einem bestimmten
Berufszweig, einer bestimmten Firma oder Unternehmung hervor. Es entstammt der
Zusammenarbeit mit bestimmten Personen, der Arbeit an bestimmten Maschinen oder
mit bestimmten Werkzeugen, die dazu dienen, bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen
mit dem Ziel, in einem Marktwettbewerb zu bestehen.“
Das Wissen muss dezentralisiert werden ... |
Hayek begreift persönliche Freiheit nicht nur als wünschenswerte
Voraussetzung, sondern auch als Bedingung für menschliche Interaktion und
Kooperation „zum gegenseitigen Vorteil und zur allgemeinen Besserstellung
menschlichen Lebens.“ Daher kann auch nur der freie Markt und der auf
Wettbewerb basierende Kapitalismus das Problem der effizienten Verwendung von
Wissen in der Gesellschaft lösen.
Die sozialistische Zentralplanung jedenfalls „mit ihrem inhärenten Hang zur Machtkonzentration in den Händen einer kleinen politischen Behörde [ist] nicht nur eine Bedrohung für die Freiheit und
Würde des Menschen – ein ‚Weg zur Knechtschaft’ –, sondern auch wirtschaftlich eine Sackgasse, in der sich weder Produktionseffizienz noch
die praktische Verwertung verteilten Wissens verwirklichen lässt.“
Mittlerweile gehört der real existierende Sozialismus seit
dem Fall der Berliner Mauer und dem Niedergang der Sowjetunion der
Vergangenheit an und kein Staat weltweit – mit Ausnahme Nordkoreas – setzt noch
auf zentrale Wirtschaftsplanung. Heute ist daher die entscheidende Frage
vielmehr, „wie der Staat in den Markt eingreifen und diesen regulieren soll,
welche Formen der Markt also annehmen soll.“
Staatliche Regulierungsabsichten können gleichwohl als ein
schier unüberwindliches Hindernis für einen dynamischen Markt wirken. Gerade „in
einer Welt, in der Veränderung ein fester und unaufhaltsam schneller Bestandteil
ist, sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Schlüsselelemente für den Erfolg.“
Gesetze und Regulierungen dagegen wirken häufig wie „eine Zwangsjacke,
welche die unternehmerische Fähigkeit, von ständig wechselnden Rahmenbedingungen
zu profitieren, begrenzen und hemmen, da alle Antworten, Änderungen und Anpassungen
den vorliegenden, dem Markt aufgezwungenen Regeln und Vorschriften zu
entsprechen haben.“
Auf diese Weise aber würden die im Markt agierenden Individuen
daran gehindert werden, ihr vorhandenes Wissen bestmöglich einzusetzen. „Verheerend
ist dabei insbesondere, dass der Staat als Regulator gerade daran scheitert,
als Stellvertreter für die unzähligen, ihren spezifischen Platz in der
Arbeitsteilung einnehmenden Personen angemessen zu planen und entsprechend zu
handeln.“
Staatliche Regulierungswut |
Jahrzehntelang verteidigten Sozialisten und andere Befürworter staatlicher Interventionspolitik die These, dass ein komplexes wirtschaftliches und gesellschaftliches System einer genauen Steuerung bedürfe, „weil es für das Individuum schlichtweg zu unüberschaubar sei. Je komplizierter die gesellschaftliche Ordnung und die Beziehungen innerhalb dieses Gefüges, desto unentbehrlicher sei eine starke, zentralisierende politische Hand, die sicherstellen solle, dass weder Chaos noch Unordnung ausbrechen würden.“
Hayek dagegen bestand
darauf, „dass gerade bei zunehmender Komplexität eines gesellschaftlichen oder
wirtschaftlichen Systems kein Individuum und keine kleine Elite in der Lage
seien, dieses zu verstehen oder gar zu planen oder zu kontrollieren.“ Nur in
einem freier Markt ließen sich Gesamtheit „einzelner, abertausender
menschlicher Beziehungen in der Gesellschaft bei weitem besser“ koordinieren,
als dies jedes zentrale Organ vollbringen würde.
Wenn man möchte, dass das zunehmend komplexer werdende
„Wissen dieser Welt“ zum Vorteil aller verwendet wird, dann „sollten jene ihre
eigenen Entscheidungen treffen, die darüber in dezentralisierter Weise verfügen
und am besten wissen, wie sie es in ihren eigenen Handlungen und im Umgang mit
anderen einsetzen sollen. Wir sollten zulassen, dass dieses verstreute Wissen
in einer zunehmend globalisierten Welt des Handels, der Kultur und der Kreativität
effizient koordiniert wird.“
Zitate aus: Richard Ebeling: Warum der Staat die
Gesellschaft nicht steuern kann, LI-Paper, Oktober 2015, Liberales Institut,
Zürich 2015
Weitere Literatur: Friedrich August von Hayek:
Der Mensch in der Planwirtschaft, in: Simon Moser (Hg.): Weltbild und
Menschenbild. Internationale Hochschulwochen des österreichischen College
Alpbach-Tirol, Innsbruck-Wien 1948 (Tyrolia-Verlag) -- Friedrich August Hayek: Der Weg zur
Knechtschaft, München 2007 (Olzog)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen