Im Jahre 1848 ist Richard Wagner auf der
Flucht. In Deutschland wird er steckbrieflich gesucht. Er hatte im Frühjahr
1849 zusammen mit Bakunin an den Vorbereitungen zu einem bewaffneten Aufstand gegen den sächsischen König teilgenommen.
Richard Wagner (1813 - 1883) |
Die Dresdener Revolte wird jedoch im Mai 1849 niedergeschlagen, die Rädelsführer verhaftet. Wagner kann sich – mit Hilfe Franz
Liszts – in die Schweiz retten. Hier in Zürich entsteht eines von
Wagners Hauptwerken: „Die Kunst und die Revolution“.
Revolution und Kunst haben Wagner zufolge ein
gemeinsames Ziel: „Dieses Ziel ist der starke und schöne Mensch: die Revolution
gebe ihm die Stärke, die Kunst die Schönheit!“
„Kunst und Revolution“ ist eine bittere Analyse
der kulturellen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu der von Wagner idealisierten Kultur der griechischen Polis würde
die Kunst seither „nur ab und zu ihre blitzenden Strahlen in die Nacht des
grübelnden Wahnsinns der Menschheit senden und wäre nie wieder Ausdruck einer
freien Allgemeinheit geworden.“
Die Kunst sei zu einer Ware verkommen, schreibt
Wagner, geeignet einzig zum Geld- und Ruhmerwerb und damit notwendigerweise abhängig
von den Zwängen von Kommerzialisierung und Privatisierung: „Ihr wirkliches
Wesen ist die Industrie, ihr moralischer Zweck der Gelderwerb, ihr ästhetisches
Vorgeben die Unterhaltung der Gelangweilten.“
Ebenso ist der Künstler zum Produzenten
geworden - für Wagner ein skandalöser Vorgang, da Kunst doch als Ausdruck
menschlicher Schöpferkraft eine Würde an sich besitzt. Er vergleicht das künstlerische
Handwerk, das dem schaffenden Künstler, dem das Produzieren seiner „Arbeit“
eine Freude macht und ihn befriedigt, mit der Tätigkeit des Handwerkers, der
meist ohne Freude und mit dem Zwang, nämlich fremde Bedürfnisse gegen
Geldzahlungen zu befriedigen, sein Tun nur als Mühe, als traurige, saure Arbeit
sieht.
So könne der Künstler nunmehr auch mehr und
mehr durch Maschinen ersetzt werden und wäre somit ein Sklave der Industrie,
„deren Fabriken ein jammervolles Bild tiefster Entwürdigung des Menschen, ein
beständiges, geist- und leibtötendes Mühen ohne Luft und Liebe; oft fast ohne
Zweck“ darstellen.
Die Sklaverei des Kapitalismus entwürdige die
Kunst, setze sie herab zum bloßen Mittel: „Unterhaltung für die Massen,
Luxusvergnügen für die Reichen.“ Auf den Künstlern laste der Zwang zur
oberflächlichen Originalität. Wer etwas gelten wolle, müsse sich krampfhaft von
seinen Mitbewerbern unterscheiden. Es herrscht das Geld und die Orientierung am ökonomischen
Nutzen – das ist die Religion der Gegenwart.
Die Schuld daran trägt für Wagner vor allem das
Christentum, dem er zunehmend jede Kunstkompetenz absprach. Sarkastisch tönt es
aus ihm heraus: „Wenn es wirklich das seinem Glauben entsprechende Kunstwerk
schaffen wollte, könne es nicht die sinnliche Schönheit der Welt, welche für
den Christen ja eine Erscheinung des Teufels ist, darstellen.“
Wagner ist hier durch die Religionskritik
Ludwig Feuerbachs beeinflusst, dessen „Wesen des Christentums“ (1841) er zuvor gelesen
hatte und dem der seine nächste Schrift „Das Kunstwerk der Zukunft“ (1850)
widmete.
Siegfried trinkt Fafners Blut (Illustration A. Rackham) |
Mit Feuerbach sieht er in den Göttern
Projektionen der freien Schöpferkraft des Menschen und aus diesem Grund muss
die Idee des freien Menschen die Stelle der Religion einnehmen. Für Wagner ist
die Gestalt Siegfrieds eine solche künstlerisch brauchbare Verkörperung der
Freiheit. Hier lässt sich ein Mensch erkennen, der sich von der Gewalt der
Götter freimacht. In der Antike hatte Wagner die Gestalt des Prometheus
verherrlicht, Siegfried ist für ihn ein neuer Prometheus.
Ein Vierteljahrhundert arbeitet Wagner am
Nibelungendrama. Dargestellt wird die große Geschichte vom Untergang der
Götter. Den Göttern, die in diesem Spektakel auftreten, muss man den Glauben
entziehen. So wird im Ring der Nibelungen dem Menschen, der sich befreit von
der drückenden Last eines Götterhimmels, eine glanzvolle Bühne geboten.
Literatur:
Richard
Wagner: Die Kunst und die Revolution, Leipzig 1849 (Verlag Otto
Wiegand) -- Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre,
Frankfurt a.M. 2010 (Fischer Tb)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen