Sonntag, 25. März 2012

Thomas Hobbes und der gesunde Menschenverstand

Thomas Hobbes 
Im Jahre 1651 erscheint eines der bedeutendsten Werke der politischen Philosophie und philosophischen Ethik, der „Leviathan oder Stoff, Form und Gestalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates“ von Thomas Hobbes. 

Thomas Hobbes geht davon aus, dass die Menschen im Naturzustand, d.h. vor der Existenz einer staatlichen Ordnung, „hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten gleich geschaffen“ sind. Diese Gleichheit der Fähigkeiten ist jedoch äußerst problematisch, denn aus ihr entsteht „eine Gleichheit der Hoffnung unsere Absichten erreichen zu können. Und wenn daher zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind … bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen.“

„Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, so lautet Hobbes´ Fazit. So sieht er „in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht. Die erste führt zu Übergriffen der Menschen des Gewinnes, die zweite der Sicherheit und die dritte des Ansehens wegen.

Die direkte Konsequenz aus der von Hobbes festgestellten Natur des Menschen ist der „Krieg aller gegen alle“ (bellum omnium contra omnes). Eine normale wirtschaftliche Tätigkeit ist unter diesen Umständen ebenso wenig möglich wie gesellschaftliche Beziehungen, denn „es herrscht, was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes – das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft und kurz.“

Hier zeigt sich nun, dass Hobbes Gedanken ein exzellentes Beispiel für den Einfluss des Menschenbildes auf die praktisch-philosophischen Ideen eines Philosophen sind. Die Konsequenzen, die Hobbes für die politische Philosophie zieht, führten über die bekannte Idee des Gesellschaftsvertrages zum aufgeklärten Absolutismus.

Ebenso interessant sind die Folgen für die philosophische Ethik. Hobbes leitet nämlich nun notwendige Rechtsprinzipien aus dem Naturrecht ab: „Das natürliche Recht … ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener Vernunft als das zu diesem Zweck geeignete Mittel ansieht.“

Dieses Naturrecht drängt den Menschen nun dazu - trotz seiner Wolfsnatur - den elenden Kriegszustand zu beenden und "sich um Frieden zu bemühen“. So formuliert Hobbes das "grundlegende Gesetz der Natur" wie folgt:

„Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung will für notwendig hält, und er soll sich mit so viel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde … Dem entspricht das Gesetz der Heiligen Schrift: Was ihr wollt, das euch andere tun sollen, das tut ihnen.“

The Golden Rule (Norman Rockwell, 1961) 

Letztlich zielt Hobbes Ethik also auf einen aufgeklärten ethischen Egoismus. Geht man davon aus, dass die egoistischen Wünsche und Bedürfnisse der Individuen nicht harmonieren, so wird die Goldene Regel zu einem Rat der Klugheit eines rationalen, weitsichtigen Egoismus, der es dem einzelnen nahelegt, das eigene Wünschen und Wollen zugunsten des langfristig gesehenen eigenen Vorteils einzuschränken.

Die Furcht vor dem gewaltsamen Tod steht dem Glücksverlangen 
und dem angenehmen Leben entgegen. Darum rät die Vernunft oder einfach der gesunde Menschenverstand im Interesse der Selbsterhaltung und des Wohllebens, die eigene Willkür einzuschränken.

Die Goldene Regel ist zunächst nichts anderes als eine zweckrationale Kalkulation im Dienste des individuellen Selbstinteresses, die uns auffordert, die Gleichheit der anderen als Konkurrenten zu respektieren. Darüber hinaus ist die Goldene Regel ein idealtypisches sittliches Prinzip, das eine soziale Ordnung begründet, geht man von gemeinsamen Bedürfnissen und allgemeinen Interessen aus.

Zitate aus: Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gestalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, Frankfurt a.M. 1976 (Ullstein), hier: Kapitel 13 und 14.

2 Kommentare:

  1. Hobbes wäre vermutlich nie mit der Geschichte der Antike in Berührung gekommen und noch viel weniger hätte er sie übersetzen können, wenn er nicht eine klassische Bildung genossen hätte. Diese wiederum prädestinierte ihn für seinen Beruf als Hauslehrer, der ihm durch die aufgetragenen Reisen die Chance eröffnete, mit vielen berühmten Gelehrten, die teilweise ebenfalls Schriftsteller waren, in Kontakt zu kommen. Zudem gelangte er an adelige Personen, was sein Ansehen und seinen Einfluss mehrte.

    AntwortenLöschen
  2. Das ist ein Sehr schöner Text

    AntwortenLöschen