Donnerstag, 17. April 2014

Der amerikanische Western und seine zivilisatorische Botschaft


 „There is something a man can´t run away from!”
(John Wayne als Ringo Kid in „Stagecoach“, 1939)

Worin besteht der „Geist des Westens“ – „The Spirit of the West“? Er wird verkörpert durch Kampf und Freiheit, Abenteuer und Rechtschaffenheit – übersetzt aus den amerikanischen Begrifflichkeiten „frontier and freedom, adventure and fairplay.“

High Noon
In „High Noon“, dem möglicherweise bekanntesten Western aller Zeiten, steht ein Sheriff allein im Kampf gegen einen Schurken, der früher das kleine Städtchen Hadleyville terrorisierte und der nun, aus der Haft entlassen, zurückkehrt. Während die die Kumpanen des Bösewichts schon am Bahnhof auf den Mittagszug warten, wird Sheriff Will Kane, der sich eigentlich schon nicht mehr im Amt befindet, aber der Verantwortung nicht ausweichen will, von der Bürgerschaft des Ortes sträflich allein gelassen.  

Gary Cooper als Sheriff Will Kane verbindet in High Noon das stille Pflichtethos des Westerners mit der Todesangst eines in die Jahre gekommenen und müde wirkenden Ordnungshüters.

High Noon leistet also perfekten staatsbürgerlichen Unterricht, „indem er das ganze Spektrum von Verlegenheits-Antworten und Feigheits-Handlungen demonstriert, das die Bürgerschaft in der konkreten Gefahrensituation manifestiert.“

Kritisiert wurde diese Darstellung von Western-Legende John Wayne, der es für „a little bit un-american“ hielt, dass eine Bürgerschaft, die den Ort Hadleyville gegen alle Widrigkeiten von Natur und Banditentum aufgebaut hat, vor vier Schurken zurückschreckt.

Rio Bravo
Der von Regisseur Howard Hawks gedrehte Western „Rio Bravo“ mit John Wayne als Sheriff John T. Chance, Dean Martin als Trinker Dude, Walter Brennan als alter Krüppel Stumpy und Ricky Nelson als jugendlicher Heißsporn Colorado ist daher nichts anderes als eine Art Kontrastprogramm zu „High Noon“.

Die vier Hauptakteure nehmen den Übeltäter Joe Burdette fest und verschanzen sich – ohne um weitere Unterstützung nachzusuchen – gegen eine Übermacht im örtlichen Gefängnis. Alles ist darauf gerichtet, Burdettes Männer auf Distanz zu halten oder auszuschalten.

Zwischendurch schaut John Wayne seinen drei Hilfssheriffs genüsslich dabei zu, wie sie „My Rifle, my Pony and me“ singen.

Egal ob „High Noon“ oder „Rio Bravo“, Rechtsempfinden und Gerechtigkeitssinn, Entschlossenheit und Tatkraft sind Kernelemente des klassischen Westerns: „A man‘s gotta do what a man‘s gotta do“ gibt es hier in verschiedenen Variationen:

  • „There is something a man can´t run away from.” (John Wayne in „Stagecoach“, 1939)
  • “Some things a man has to do, so he does ‘em.” (James Stewart“Winchester 73, 1950).
  • “A man has to be what he is.” (Alan Ladd in „Shane“, 1953)

„Es sind Cowboys, die die Herde nach Westen treiben. es sind Farmer, die mit Waffengewalt ihr Land gegen Viehzüchter verteidigen. Es sind Marshalls und Sheriffs, die Outlaws und Revolverhelden verfolgen. Es sind Kavallerie-Offiziere, die die Indianer niederringen. Schließlich sind es einsame Reiter, die das Land durchqueren und ihr Schicksal mit sich tragen.“

Seinen offenen und verdeckten Zivilisationsauftrag erfüllt der Westerner durch Entschlossenheit, Tatkraft und: Gerechtigkeit: Dahinter steht die „Frontier-Erfahrung“, die auf den Kampf gegen die vielfältigen Gefahren jenseits der Grenzen der Zivilisation. Dazu gehören die übermächtigen Naturgewalten ebenso wie die wilden Indianerstämme, die in blutigen Kämpfen niedergerungen werden mussten.

Der Mann, der Liberty Valance erschoss
So werden in den Westernfilmen die Helden zu Gerechtigkeits-Helden, „weil sie nicht anders können, als sich auf die Seite des Rechts – auch im Gewand der Rache – zu stellen.“ Hervorragend zu beobachten ist dies in John Fords Spätwestern „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“. Erzählt wird, wie „James Stewart als Senator Ransom Stoddard seine politische Karriere auf die Legende stützt, den Banditen Liberty (!) Valance in einem Duell niedergestreckt zu haben. Dabei war es der von John Wayne dargestellte Tom Doniphon, der im Dunkel der Nacht den entscheidenden Schuss abgab. Der Westerner Doniphon wird zum Repräsentanten eines auf weitreichenden Freiheiten fußenden, vorstaatlich kontrollierten Ordnungssystems gegen den überzivilisierten, von Anwalt Stoddard personifizierten verweichlichten Osten.“

So wird klar, dass der klassische amerikanische Western im Grunde eine sehr ernste Angelegenheit ist: „Es geht durch und durch um Werte – männliche (weibliche), ethische, rechtliche, religiöse, politische, zivilisatorische, patriotische.“

Karawane der Frauen
Der Film „Karawane der Frauen“ (1951) von William Wellman beispielsweise würdigt den weiblichen Pioniergeist auf dem Weg nach Westen. „Gezeigt wird der mühsame Planwagenzug von 150 in Chicago angeworbenen Frauen, die begleitet von wenigen Cowboys, zwecks Eheschließung in eine frauenarme Ortschaft nach Kalifornien ziehen. Der harte Weg nach Westen mit Wüsten- und Regenstürmen, Indianerangriff und mühsamen Pass-Überquerungen in den Rocky Mountains wird als grandiose Frontier-Bewährungsprobe inszeniert, bei der Abenteuerelemente eine faszinierende Verbindung mit emotionalen Momenten eingehen.“

Rocky Mountain
In „Rocky Mountain“ (1950) ist Errol Flynn der Kommandant einer kleinen Gruppe von Südstaatlern auf der Suche nach Kriegs-Söldnern in Kalifornien. Er gerät dabei in eine tragische Lage: „Versucht er, die bei einem Indianerangriff auf eine Postkutsche gerettete Nordstaaten-Leutnantsbraut Carter vor den lauernden Schoschonen in Sicherheit zu bringen? Oder soll er sich auf den militärischen Auftrag konzentrieren, Outlaws aus Kalifornien für den fast schon verlorenen Bürgerkrieg gegen die Unions-Truppen anzuwerben? Mit seinen tapferen Gefolgsmännern entscheidet er sich dafür, die Indianer in einem Ablenkungsmanöver in die Schlucht zu lenken, wo dann nach ungleichem Kampf allesamt heroisch zu Tode kommen. Die zu spät zu Hilfe eilenden Unionstruppen können nur noch eine ehrenvolle Beisetzung – unter Hissen der Konföderierten-Flagge – arrangieren.“

Shane
Der Klassiker „Shane“ (1953) greift den Konflikt zwischen den neu nach Wyoming kommenden, Zäune um ihr Ackerland ziehenden Farmern und den alteingesessenen, viehtreibenden Ranchern auf. „Zentrales Sujet ist allerdings die Faszination des ewig einsamen, zugleich wie ein Erlöser auftretenden, in braunes Fransenfell gekleideten Revolverhelden Shane, der dank seiner Schiesskünste nicht nur den Konflikt zugunsten der Farmer löst, sondern durch die Bewunderung eines kleinen Jungen (und seiner Mutter) zu einer fast traumhaft-mythischen Western-Figur stilisiert wird.“

Noch einmal: Worin besteht der „Geist des Westens“ – „The Spirit of the West“? Er wird verkörpert durch Kampf und Freiheit, Abenteuer und Rechtschaffenheit. In diesem Sinne ist vielleicht auch der Ratschlag Steffen Hentrichs zu verstehen: „Vielleicht ist ja heute, nachdem bürokratischer Wohlfahrtsstaat, Gefälligkeitspolitik, intransparentes Finanzgebaren und postmoderne Gleichgültigkeits-Kultur zu einer beträchtlichen Schwächung bürgerlicher Primärwerte und Sekundärtugenden geführt haben und der transatlantische Westen auch zivilisatorisch geschwächt zu sein scheint, eine kleine Renaissance des Westerners und seiner klaren Handlungs-Maxime geboten.“

Zitate aus: Klaus Füßmann, Detmar Doering (Hg.): Freedom – Frontier – Ford. Der amerikanische Western in der politischen Bildung, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Berlin, 2012 (COMDOK GmbH)


3 Kommentare:

  1. LIeber Paideia, ja, das sind die klassischen Themen des amerikanischen Westerns. Ob dies heute noch aktuell ist? Nun, der Bürgersinn und Bürgermut wird immer erfordert bleiben. Allerdings: Selbstjustiz mit der Waffe in der Hand hat wohl keine Zukunft mehr. Wer so handelt, landet heute wohl im Gefängnis und kann nicht mehr mit sehr viel Sympathien rechnen. Aber sich für die "civil rights" und die Bürgergesellschaft stark zu machen, wird immer wichtig bleiben. Denn auch unsere vermeintlich "postmoderne" oder "marktliberale" Gesellschaft ist nicht halb so lustig und frei, wie die Fernsehwerbung und die Propagandisten an den Unis und in den Medien uns vermitteln wollen.

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    1. Lieber Klaus Gauger,
      Sie haben völlig Recht: Selbstjustiz und Revolverballerei hat in einer modernen Gesellschaft nichts zu suchen. Das Problem liegt aber meines Erachtens eher auf der anderen Seite. Moderne Paternalisten gehen ja davon aus, dass einige Menschen den legitimen Anspruch haben, das Verhalten anderer Menschen so zu beeinflussen, dass diese länger, gesünder und besser leben. Konkret sieht das so aus, dass ein allgemeiner Konsens mit dem politisch korrekten Verhalten unterstellt wird und jedes abweichende Verhalten ausdrücklich deklariert werden muss. Nur: Dass man die Freiheit hat, zu sagen, was man denkt, besagt nicht viel, wenn man nicht mehr zu denken wagt, was man nicht sagen darf.
      Heute könnte man das Maß der Freiheit also daran messen, wieweit es gelingt, sich dem unterstellten Konsens der Politischen Korrektheit nicht zu unterwerfen. Das wäre dann die Aufgabe der heutigen Westerner ...
      Herzliche Grüße
      Paideia

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    2. Lieber Paideia, nun, ich halte mich in solchen Fragen der persönlichen Freiheit immer an das "harm principle" von John Stuart Mill (am klarsten in seinem Werk "On Liberty" von 1859 formuliert). The harm principle holds that the actions of individuals should only be limited to prevent harm to other individuals. John Stuart Mill articulated this principle in On Liberty, where he argued that, "The only purpose for which power can be rightfully exercised over any member of a civilized community, against his will, is to prevent harm to others". So ist es. Wenn ich also niemandem Schaden damit zufüge, kann ich machen was ich will. Ein Beispiel: In meiner Wohnung darf ich rauchen so viel ich will, solange ich mir damit nur selbst schade. Aber wenn andere Menschen (zum Beispiel kleine Kinder) in der Wohnung sind oder ich an einem Arbeitsplatz rauche, an dem auch andere Menschen arbeiten, ist das nicht in Ordnung (Passivrauchen!). Betreibe ich Fallschirmspringen oder irgendeine andere Risikosportart, bei der ich mich nur selbst gefährde, ist das mein Problem. Rase ich mit dem Porsche über die Autobahn und gefährde damit andere Autofahrer oder fahre ich mit über 100 Sachen durch ein Wohnviertel, ist das nicht in Ordnung. Und so weiter. Gefährde ich mich also nur selbst, ist das mein Problem. Gefährde oder beschädige ich andere Menschen mit dem was ich tue, ist das ein Grund, mir das zu verbieten. Ein weiterer wichtiger Punkt von "On Liberty" ist Mills Grundsatz: „Over himself, over his own body and mind, the individual is sovereign.“ (Dt.: „Über sich selbst, über seinen eigenen Körper und Geist, ist ein Individuum souverän.“) Mill sagt das als Gegensatz zur Tyrannei der Mehrheit. „Tyrannei der Mehrheit“ nennt er die ungewählte Macht der Mehrheit, die durch Kontrolle der Etiquette und Moral schreckliche Dinge tun kann. Herzliche Grüsse, Klaus Gauger

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