„There is something a
man can´t run away from!”
(John Wayne als Ringo
Kid in „Stagecoach“, 1939)
Worin besteht der „Geist des Westens“ – „The Spirit of the
West“? Er wird verkörpert durch Kampf und Freiheit, Abenteuer und
Rechtschaffenheit – übersetzt aus den amerikanischen Begrifflichkeiten „frontier
and freedom, adventure and fairplay.“
High Noon |
In „High Noon“, dem möglicherweise bekanntesten Western
aller Zeiten, steht ein Sheriff allein im Kampf gegen einen Schurken, der
früher das kleine Städtchen Hadleyville terrorisierte und der nun, aus der Haft
entlassen, zurückkehrt. Während die die Kumpanen des Bösewichts schon am
Bahnhof auf den Mittagszug warten, wird Sheriff Will Kane, der sich eigentlich schon
nicht mehr im Amt befindet, aber der Verantwortung nicht ausweichen will, von
der Bürgerschaft des Ortes sträflich allein gelassen.
Gary Cooper als Sheriff Will Kane verbindet in High Noon das
stille Pflichtethos des Westerners mit der Todesangst eines in die Jahre
gekommenen und müde wirkenden Ordnungshüters.
High Noon leistet also perfekten staatsbürgerlichen
Unterricht, „indem er das ganze Spektrum von Verlegenheits-Antworten und
Feigheits-Handlungen demonstriert, das die Bürgerschaft in der konkreten
Gefahrensituation manifestiert.“
Kritisiert wurde diese Darstellung von Western-Legende John
Wayne, der es für „a little bit un-american“ hielt, dass eine Bürgerschaft, die
den Ort Hadleyville gegen alle Widrigkeiten von Natur und Banditentum aufgebaut
hat, vor vier Schurken zurückschreckt.
Rio Bravo |
Der von Regisseur Howard Hawks gedrehte Western „Rio Bravo“
mit John Wayne als Sheriff John T. Chance, Dean Martin als Trinker Dude, Walter
Brennan als alter Krüppel Stumpy und Ricky Nelson als jugendlicher Heißsporn
Colorado ist daher nichts anderes als eine Art Kontrastprogramm zu „High Noon“.
Die vier Hauptakteure nehmen den Übeltäter Joe Burdette fest
und verschanzen sich – ohne um weitere Unterstützung nachzusuchen – gegen eine
Übermacht im örtlichen Gefängnis. Alles ist darauf gerichtet, Burdettes Männer
auf Distanz zu halten oder auszuschalten.
Zwischendurch schaut John Wayne seinen drei Hilfssheriffs
genüsslich dabei zu, wie sie „My Rifle, my Pony and me“ singen.
Egal ob „High Noon“ oder „Rio Bravo“, Rechtsempfinden und
Gerechtigkeitssinn, Entschlossenheit und Tatkraft sind Kernelemente des
klassischen Westerns: „A man‘s gotta do what a man‘s gotta do“ gibt es hier in
verschiedenen Variationen:
- „There is something a man can´t run away from.” (John Wayne in „Stagecoach“, 1939)
- “Some things a man has to do, so he does ‘em.” (James Stewart“Winchester 73, 1950).
- “A man has to be what he is.” (Alan Ladd in „Shane“, 1953)
„Es sind Cowboys, die die Herde nach Westen treiben. es sind
Farmer, die mit Waffengewalt ihr Land gegen Viehzüchter verteidigen. Es sind
Marshalls und Sheriffs, die Outlaws und Revolverhelden verfolgen. Es sind
Kavallerie-Offiziere, die die Indianer niederringen. Schließlich sind es
einsame Reiter, die das Land durchqueren und ihr Schicksal mit sich tragen.“
Seinen offenen und verdeckten Zivilisationsauftrag erfüllt
der Westerner durch Entschlossenheit, Tatkraft und: Gerechtigkeit: Dahinter
steht die „Frontier-Erfahrung“, die auf den Kampf gegen die vielfältigen
Gefahren jenseits der Grenzen der Zivilisation. Dazu gehören die übermächtigen
Naturgewalten ebenso wie die wilden Indianerstämme, die in blutigen Kämpfen
niedergerungen werden mussten.
Der Mann, der Liberty Valance erschoss |
So werden in den Westernfilmen die Helden zu
Gerechtigkeits-Helden, „weil sie nicht anders können, als sich auf die Seite
des Rechts – auch im Gewand der Rache – zu stellen.“ Hervorragend zu beobachten
ist dies in John Fords Spätwestern „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“.
Erzählt wird, wie „James Stewart als Senator Ransom Stoddard seine politische Karriere
auf die Legende stützt, den Banditen Liberty (!) Valance in einem Duell
niedergestreckt zu haben. Dabei war es der von John Wayne dargestellte Tom
Doniphon, der im Dunkel der Nacht den entscheidenden Schuss abgab. Der Westerner
Doniphon wird zum Repräsentanten eines auf weitreichenden Freiheiten fußenden,
vorstaatlich kontrollierten Ordnungssystems gegen den überzivilisierten, von
Anwalt Stoddard personifizierten verweichlichten Osten.“
So wird klar, dass der klassische amerikanische Western im
Grunde eine sehr ernste Angelegenheit ist: „Es geht durch und durch um Werte –
männliche (weibliche), ethische, rechtliche, religiöse, politische, zivilisatorische,
patriotische.“
Karawane der Frauen |
Der Film „Karawane der Frauen“ (1951) von William Wellman
beispielsweise würdigt den weiblichen Pioniergeist auf dem Weg nach Westen. „Gezeigt
wird der mühsame Planwagenzug von 150 in Chicago angeworbenen Frauen, die begleitet
von wenigen Cowboys, zwecks Eheschließung in eine frauenarme Ortschaft nach Kalifornien
ziehen. Der harte Weg nach Westen mit Wüsten- und Regenstürmen, Indianerangriff
und mühsamen Pass-Überquerungen in den Rocky Mountains wird als grandiose Frontier-Bewährungsprobe
inszeniert, bei der Abenteuerelemente eine faszinierende Verbindung mit
emotionalen Momenten eingehen.“
Rocky Mountain |
In „Rocky Mountain“ (1950) ist Errol Flynn der Kommandant
einer kleinen Gruppe von Südstaatlern auf der Suche nach Kriegs-Söldnern in
Kalifornien. Er gerät dabei in eine tragische Lage: „Versucht er, die bei einem
Indianerangriff auf eine Postkutsche gerettete Nordstaaten-Leutnantsbraut
Carter vor den lauernden Schoschonen in Sicherheit zu bringen? Oder soll er
sich auf den militärischen Auftrag konzentrieren, Outlaws aus Kalifornien für
den fast schon verlorenen Bürgerkrieg gegen die Unions-Truppen anzuwerben? Mit
seinen tapferen Gefolgsmännern entscheidet er sich dafür, die Indianer in einem
Ablenkungsmanöver in die Schlucht zu lenken, wo dann nach ungleichem Kampf
allesamt heroisch zu Tode kommen. Die zu spät zu Hilfe eilenden Unionstruppen
können nur noch eine ehrenvolle Beisetzung – unter Hissen der
Konföderierten-Flagge – arrangieren.“
Shane |
Der Klassiker „Shane“ (1953) greift den Konflikt zwischen
den neu nach Wyoming kommenden, Zäune um ihr Ackerland ziehenden Farmern und
den alteingesessenen, viehtreibenden Ranchern auf. „Zentrales Sujet ist
allerdings die Faszination des ewig einsamen, zugleich wie ein Erlöser
auftretenden, in braunes Fransenfell gekleideten Revolverhelden Shane, der dank
seiner Schiesskünste nicht nur den Konflikt zugunsten der Farmer löst, sondern
durch die Bewunderung eines kleinen Jungen (und seiner Mutter) zu einer fast
traumhaft-mythischen Western-Figur stilisiert wird.“
Noch einmal: Worin besteht der „Geist des Westens“ – „The
Spirit of the West“? Er wird verkörpert durch Kampf und Freiheit, Abenteuer und
Rechtschaffenheit. In diesem Sinne ist vielleicht auch der Ratschlag Steffen
Hentrichs zu verstehen: „Vielleicht ist ja heute, nachdem bürokratischer
Wohlfahrtsstaat, Gefälligkeitspolitik, intransparentes Finanzgebaren und
postmoderne Gleichgültigkeits-Kultur zu einer beträchtlichen Schwächung
bürgerlicher Primärwerte und Sekundärtugenden geführt haben und der transatlantische
Westen auch zivilisatorisch geschwächt zu sein scheint, eine kleine Renaissance
des Westerners und seiner klaren Handlungs-Maxime geboten.“
Zitate
aus: Klaus Füßmann, Detmar Doering (Hg.): Freedom – Frontier – Ford. Der
amerikanische Western in der politischen Bildung, Friedrich-Naumann-Stiftung
für die Freiheit, Berlin, 2012 (COMDOK GmbH)
LIeber Paideia, ja, das sind die klassischen Themen des amerikanischen Westerns. Ob dies heute noch aktuell ist? Nun, der Bürgersinn und Bürgermut wird immer erfordert bleiben. Allerdings: Selbstjustiz mit der Waffe in der Hand hat wohl keine Zukunft mehr. Wer so handelt, landet heute wohl im Gefängnis und kann nicht mehr mit sehr viel Sympathien rechnen. Aber sich für die "civil rights" und die Bürgergesellschaft stark zu machen, wird immer wichtig bleiben. Denn auch unsere vermeintlich "postmoderne" oder "marktliberale" Gesellschaft ist nicht halb so lustig und frei, wie die Fernsehwerbung und die Propagandisten an den Unis und in den Medien uns vermitteln wollen.
AntwortenLöschenLieber Klaus Gauger,
LöschenSie haben völlig Recht: Selbstjustiz und Revolverballerei hat in einer modernen Gesellschaft nichts zu suchen. Das Problem liegt aber meines Erachtens eher auf der anderen Seite. Moderne Paternalisten gehen ja davon aus, dass einige Menschen den legitimen Anspruch haben, das Verhalten anderer Menschen so zu beeinflussen, dass diese länger, gesünder und besser leben. Konkret sieht das so aus, dass ein allgemeiner Konsens mit dem politisch korrekten Verhalten unterstellt wird und jedes abweichende Verhalten ausdrücklich deklariert werden muss. Nur: Dass man die Freiheit hat, zu sagen, was man denkt, besagt nicht viel, wenn man nicht mehr zu denken wagt, was man nicht sagen darf.
Heute könnte man das Maß der Freiheit also daran messen, wieweit es gelingt, sich dem unterstellten Konsens der Politischen Korrektheit nicht zu unterwerfen. Das wäre dann die Aufgabe der heutigen Westerner ...
Herzliche Grüße
Paideia
Lieber Paideia, nun, ich halte mich in solchen Fragen der persönlichen Freiheit immer an das "harm principle" von John Stuart Mill (am klarsten in seinem Werk "On Liberty" von 1859 formuliert). The harm principle holds that the actions of individuals should only be limited to prevent harm to other individuals. John Stuart Mill articulated this principle in On Liberty, where he argued that, "The only purpose for which power can be rightfully exercised over any member of a civilized community, against his will, is to prevent harm to others". So ist es. Wenn ich also niemandem Schaden damit zufüge, kann ich machen was ich will. Ein Beispiel: In meiner Wohnung darf ich rauchen so viel ich will, solange ich mir damit nur selbst schade. Aber wenn andere Menschen (zum Beispiel kleine Kinder) in der Wohnung sind oder ich an einem Arbeitsplatz rauche, an dem auch andere Menschen arbeiten, ist das nicht in Ordnung (Passivrauchen!). Betreibe ich Fallschirmspringen oder irgendeine andere Risikosportart, bei der ich mich nur selbst gefährde, ist das mein Problem. Rase ich mit dem Porsche über die Autobahn und gefährde damit andere Autofahrer oder fahre ich mit über 100 Sachen durch ein Wohnviertel, ist das nicht in Ordnung. Und so weiter. Gefährde ich mich also nur selbst, ist das mein Problem. Gefährde oder beschädige ich andere Menschen mit dem was ich tue, ist das ein Grund, mir das zu verbieten. Ein weiterer wichtiger Punkt von "On Liberty" ist Mills Grundsatz: „Over himself, over his own body and mind, the individual is sovereign.“ (Dt.: „Über sich selbst, über seinen eigenen Körper und Geist, ist ein Individuum souverän.“) Mill sagt das als Gegensatz zur Tyrannei der Mehrheit. „Tyrannei der Mehrheit“ nennt er die ungewählte Macht der Mehrheit, die durch Kontrolle der Etiquette und Moral schreckliche Dinge tun kann. Herzliche Grüsse, Klaus Gauger
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