Abschließende Bemerkungen
Wilhelm von Humboldt |
Im Hinblick auf den
Zweck des Staates wendet sich Humboldt gegen die Ansicht, der Sinn des Staates
bestünde darin, das
„Glück zu befördern“, also alle übrigen Zwecke zu verfolgen, die „unter dem
Namen des positiven Wohlstandes vereint“ werden können.
Stattdessen verteidigt
Humboldt den Grundsatz, dass allein „die Erhaltung der Sicherheit sowohl gegen
auswärtige Feinde, als innerliche Zwistigkeiten den Zweck des Staates
ausmachen, und seine Wirksamkeit beschäftigen muss.“
In den letzten Kapiteln
seiner Abhandlung widmet sich Humboldt zwei weiteren wichtigen Fragen der Staatsphilosophie,
einerseits der Finanzierbarkeit des Staates, andererseits der Möglichkeiten
einer Umsetzung seiner Gedanken in die Praxis.
Humboldt ist der Meinung, dass der Staat natürlich „hinlängliche
Einkünfte“ haben müsse, „auch um den eingeschränktesten Zweck zu erfüllen.“
Aber ebenso ist er der Ansicht, dass „auch bei Finanzeinrichtungen jene Rücksicht
des Zwecks der Menschen im Staate, und der daher entspringenden Beschränkung
seines Zwecks nicht aus den Augen gelassen werden darf.“ Nicht Die Quantität
der Mittel bestimme also den Zweck bzw.
die Wirksamkeit des Staates, sondern umgekehrt der Zweck und die Wirksamkeit
mache eine bestimmte Quantität der Mittel notwendig.
Man dürfe bei diesem Thema vor allem nicht vergessen, „dass der
Staat, welchem so enge Grenzen der Wirksamkeit gesetzt sind, keiner großen
Einkünfte bedarf.“
So müsse auch – ähnlich wie bei der Rechtsprechung – die Frage des Unterhaltes der staatlichen Strukturen ein Mittel
sein, „welches den beherrschenden und den beherrschten Teil der Nation miteinander verbindet, welches dem ersteren den Besitz der ihm anvertrauten Macht
und dem ein letzteren den Genuss der ihm übrig gelassenen Freiheit sichert.“
Wie viel Geld braucht der Staat? Eigentlich wenig ...! |
Das Problem sei gleichwohl, dass „in den meisten Staaten von Jahrzehnt zu Jahrzehnt das Personal der Staatsdiener und der Umfang der Registraturen zunimmt und die Freiheit der Untertanen abnimmt.“ Daher dürfe nicht vergessen werden, dass der Zweck des Staates, die Sicherheit der Bürger zu garantieren, damit diese in Freiheit ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, sogar noch über der Staatsverfassung stehe. Jeder Staat werde daher „immer nur, als ein notwendiges Mittel, und, da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist, als ein notwendiges Übel gewählt.“
Schließlich widmet sich Humboldt der „Anwendung der vorgetragenen
Theorie auf die Wirklichkeit.“ Zwar sei der Wunsch, „dasjenige, was die Theorie als richtig
bewährt, auch in der Wirklichkeit ausgeführt zu sehen“ natürlich, aber, „wie
edel in seinen Quellen er sein mag, so hat er doch nicht selten schädliche
Folgen hervorgebracht, und sei oft sogar schädlicher, als die kältere
Gleichgültigkeit.“
Ganz im Sinne der – späteren – liberalen utopiekritischen Positionen
geht auch Humboldt davon aus, dass es Ideen gibt, „welche der Weise nie nur
auszuführen versuchen würde. Ja für die schönste, gereifteste Frucht des
Geistes ist die Wirklichkeit nie, in keinem Zeitalter, reif genug; das Ideal
muss der Seele des Bildners jeder Art nur immer, als unerreichbares Muster
vorschweben.“
Gerade daher sei es eine Pflicht, in der Anwendung von Theorien
vorsichtig zu sein und stets „zu prüfen, inwiefern die im Vorigen theoretisch
entwickelten Grundsätze in die Wirklichkeit übertragen werden könnten.“
Wolle man also einen „Übergang von dem gegenwärtigen Zustande zum
neu beschlossenen […] bewirken, lasse man, soviel möglich, jede Reform von den
Ideen und den Köpfen der Menschen ausgehen.“ Dahinter steht Humboldts
Überzeugung, dass das, „was nicht von dem Menschen selbst gewählt […] wird […],
das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er
nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.“
So hätten „gleichförmige Ursachen […] gleichförmige Wirkung. Je
mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende,
sondern auch alles Gewirkte.“
So müsse der Regierende immer „zwei Dinge unausbleiblich im Auge
haben“: Einerseits die Theorie, andererseits „den Zustand der individuellen
Wirklichkeit, die er umzuschaffen bestimmt wäre.“
„Beide Gemälde müsste er nun mit einander vergleichen, und der
Zeitpunkt, einen Grundsatz der Theorie in die Wirklichkeit zu übertragen, wäre
der, wenn in der Vergleichung sich fände, dass, auch nach der Übertragung, der
Grundsatz unverändert bleiben, und noch eben die Folgen hervorbringen würde, welche
das erste Gemälde darstellte.“
Ob dies gelingt, hängt letztlich davon ab, ob die Menschen
„empfänglich genug für die Freiheit sind, welche die Theorie lehrt.“
Auf den Versuch kommt es an!
Zitate aus: Wilhelm von
Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu
bestimmen, Volltext
im Deutschen Textarchiv, hier: Kapitel XV bis XVI
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