Donnerstag, 14. August 2014

Sommerlektüre: Wilhelm von Humboldt und die Grenzen des Staates - Teil 7


Abschließende Bemerkungen

Wilhelm von Humboldt
In seiner 1792 verfassten Abhandlung „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ verteidigt Humboldt das Anliegen, dass jeder Einzelne ein freies und selbstbestimmtes Leben führen kann - gegen den umfassenden Ordnungsanspruch des Staates.

Im Hinblick auf den Zweck des Staates wendet sich Humboldt gegen die Ansicht, der Sinn des Staates bestünde darin, das „Glück zu befördern“, also alle übrigen Zwecke zu verfolgen, die „unter dem Namen des positiven Wohlstandes vereint“ werden können.

Stattdessen verteidigt Humboldt den Grundsatz, dass allein „die Erhaltung der Sicherheit sowohl gegen auswärtige Feinde, als innerliche Zwistigkeiten den Zweck des Staates ausmachen, und seine Wirksamkeit beschäftigen muss.“

In den letzten Kapiteln seiner Abhandlung widmet sich Humboldt zwei weiteren wichtigen Fragen der Staatsphilosophie, einerseits der Finanzierbarkeit des Staates, andererseits der Möglichkeiten einer Umsetzung seiner Gedanken in die Praxis.

Humboldt ist der Meinung, dass der Staat natürlich „hinlängliche Einkünfte“ haben müsse, „auch um den eingeschränktesten Zweck zu erfüllen.“ Aber ebenso ist er der Ansicht, dass „auch bei Finanzeinrichtungen jene Rücksicht des Zwecks der Menschen im Staate, und der daher entspringenden Beschränkung seines Zwecks nicht aus den Augen gelassen werden darf.“ Nicht Die Quantität der Mittel bestimme also den Zweck  bzw. die Wirksamkeit des Staates, sondern umgekehrt der Zweck und die Wirksamkeit mache eine bestimmte Quantität der Mittel notwendig.

Man dürfe bei diesem Thema vor allem nicht vergessen, „dass der Staat, welchem so enge Grenzen der Wirksamkeit gesetzt sind, keiner großen Einkünfte bedarf.“

So müsse auch – ähnlich wie bei der Rechtsprechung  die Frage des Unterhaltes der staatlichen Strukturen ein Mittel sein, „welches den beherrschenden und den beherrschten Teil der Nation miteinander verbindet, welches dem ersteren den Besitz der ihm anvertrauten Macht und dem ein letzteren den Genuss der ihm übrig gelassenen Freiheit sichert.“

Wie viel Geld braucht der Staat? Eigentlich wenig ...!

Das Problem sei gleichwohl, dass „in den meisten Staaten von Jahrzehnt zu Jahrzehnt das Personal der Staatsdiener und der Umfang der Registraturen zunimmt und die Freiheit der Untertanen abnimmt.“ Daher dürfe nicht vergessen werden, dass der Zweck des Staates, die Sicherheit der Bürger zu garantieren, damit diese in Freiheit ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, sogar noch über der Staatsverfassung stehe. Jeder Staat werde daher „immer nur, als ein notwendiges Mittel, und, da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist, als ein notwendiges Übel gewählt.“

Schließlich widmet sich Humboldt der „Anwendung der vorgetragenen Theorie auf die Wirklichkeit.“ Zwar sei der Wunsch, „dasjenige, was die Theorie als richtig bewährt, auch in der Wirklichkeit ausgeführt zu sehen“ natürlich, aber, „wie edel in seinen Quellen er sein mag, so hat er doch nicht selten schädliche Folgen hervorgebracht, und sei oft sogar schädlicher, als die kältere Gleichgültigkeit.“

Ganz im Sinne der – späteren – liberalen utopiekritischen Positionen geht auch Humboldt davon aus, dass es Ideen gibt, „welche der Weise nie nur auszuführen versuchen würde. Ja für die schönste, gereifteste Frucht des Geistes ist die Wirklichkeit nie, in keinem Zeitalter, reif genug; das Ideal muss der Seele des Bildners jeder Art nur immer, als unerreichbares Muster vorschweben.“

Gerade daher sei es eine Pflicht, in der Anwendung von Theorien vorsichtig zu sein und stets „zu prüfen, inwiefern die im Vorigen theoretisch entwickelten Grundsätze in die Wirklichkeit übertragen werden könnten.“

Wolle man also einen „Übergang von dem gegenwärtigen Zustande zum neu beschlossenen […] bewirken, lasse man, soviel möglich, jede Reform von den Ideen und den Köpfen der Menschen ausgehen.“ Dahinter steht Humboldts Überzeugung, dass das, „was nicht von dem Menschen selbst gewählt […] wird […], das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.“

"Was nicht von dem Menschen selbst gewählt wird, das geht nicht in sein Wesen über."

So hätten „gleichförmige Ursachen […] gleichförmige Wirkung. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.“

So müsse der Regierende immer „zwei Dinge unausbleiblich im Auge haben“: Einerseits die Theorie, andererseits „den Zustand der individuellen Wirklichkeit, die er umzuschaffen bestimmt wäre.“

„Beide Gemälde müsste er nun mit einander vergleichen, und der Zeitpunkt, einen Grundsatz der Theorie in die Wirklichkeit zu übertragen, wäre der, wenn in der Vergleichung sich fände, dass, auch nach der Übertragung, der Grundsatz unverändert bleiben, und noch eben die Folgen hervorbringen würde, welche das erste Gemälde darstellte.“

Ob dies gelingt, hängt letztlich davon ab, ob die Menschen „empfänglich genug für die Freiheit sind, welche die Theorie lehrt.“

Auf den Versuch kommt es an!

Zitate aus: Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, Volltext im Deutschen Textarchiv, hier: Kapitel XV bis XVI

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