Donnerstag, 19. März 2015

Freiherr vom Stein und die Nachteile zentralistischer Bürokratie

Stein (1757 - 1831)
Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein war ein preußischer Beamter und Staatsmann und gehörte – mit Wilhelm von Humboldt  – zu  den großen Vertretern der preußischen Reform-Ära.

In seiner im Jahre 1807 verfassten Nassauer Denkschrift hatte von Stein das Reformprogramm für den preußischen Staat entworfen. Dabei spielten nicht nur funktionelle Erwägungen für einen Wiederaufbau Preußens eine Rolle, sondern in erster Linie politisch-pädagogische Ideen. Hauptziel der Reformen war die „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre“ (Nassauer Erklärung, 1807).

Mit dem Edikt zur Bauernbefreiung (1807) wurde die Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit aufgehoben sowie die Freiheit der Berufswahl eingeführt. Mit der Städteordnung (1808) bezweckte Stein, dass die Gestaltung der Verwaltung mit gewachsenen lokalen und non-zentralen Strukturen verbunden wurde. Provinziale und Kommunale Selbstverwaltung war für Stein dabei nicht nur eine Vorbedingung für Effizienz, sondern  sie sollte zugleich der Machtbegrenzung gegenüber der Zentralregierung dienen.

Stein ist der festen Überzeugung, dass die zentralisierte Bürokratie mehrere „wesentliche unzertrennliche Unvollkommenheiten“ besitzt: „Kostbarkeit, Einseitigkeit und Systemsucht, Schwerfälligkeit und Lähmung der Unterbehörden, Vernichtung des Gemeingeistes und der Selbsttätigkeit.“

Gottesdienst für die ersten
preußischen Stadtverordneten
(1808, Nicolaikirche in Berlin)
Stein kritisiert demnach nicht nur die hohen Kosten, die eine vertikal organisierte doppelte und teilweise sogar dreifache Staats- und Verwaltungsstruktur verursacht, ihm geht es wesentlich um Effizienz: So „soll eine aus 10-12 Personen bestehende Regierung die öffentlichen Angelegenheit, so 4- bis 500 000 Seelen betreffen von der Geburt an bis zum Kirchhof, von der Hebamme bis zum Gottesacker, erkennen, verwalten, entscheiden; da es nun durchaus unmöglich ist, dass dieses gründlich geschehe, so entsteht ein Aufgreifen einzelner Gegenstände, in Ansehung der übrigen aber eine gehaltlose Papiertätigkeit.“

Das Problem der Bürokratie ist weiterhin, dass sie gewöhnlich Personen anvertraut ist, die ihre „Grundsätze selten aus dem lebendigen Leben schöpfen“, sondern vielmehr zur „Systemsucht“ neigen oder „zur Empfänglichkeit für die Meinungen einzelner, eines momentan Einfluss habender Personen.“

Weil sich der Gemeingeist aber nur durch unmittelbare Teilnahme am öffentlichen Leben ausbildet – „zunächst aus Liebe zur Genossenschaft, zur Gemeinde, zur Provinz entspringt und sich stufenweise zur Vaterlandsliebe erhebt“ -, würde durch Bürokratie eben dieser Gemeingeist und der Wille zur Selbstständigkeit vernichtet.

All diese Mängel könnten Stein zufolge behoben werden, in jedem Fall aber gemindert werden, durch eine non-zentrale Verwaltungsstruktur, ausgehend von der Gemeinde, dem Kreis oder der (kleinen) Provinz. Auf diese Weise könnte man „in den toten Aktenkram Leben bringen … und Gemeingeist erwecken und verbreiten.“

So werde „das Volk nicht in einem großen, unförmlichen Klumpen zusammengeworfen, sondern die gegliederten Absonderungen, so aus dem Eigentum und den Verschiedenheiten seines Besitzstandes, dem Gewerbe und der Art des Gemeinde-Verbandes entstehen, beachtet werden sollen, wodurch sich eine vollständige Darstellung aller wesentlichen Interessen bildet.“

Eigenverantwortung - Subsidiarität - Dezentralismus
Was ist also das Wesen und zugleich das Ziel der kommunalen Selbstverwaltung? „Ist sie so gebildet, dass sie ein freies Leben, eine lebendige Teilnahme an den Gemeinde-Angelegenheiten erweckt und nährt, so enthält sie die reinste Quelle der Vaterlandsliebe, so knüpft sie an den väterlichen Herd, an die Erinnerungen der Jugend, an die Eindrücke, so die Ereignisse des ganzen Lebens gelassen.“

Wenn die Kommunale Selbstverwaltung selbst aus tüchtigen, angesehenen und selbstgewählten Mitgliedern besteht, dann sichert eine solche Ordnung „die wahre praktische Freiheit, die täglich und stündlich sich in jedem dinglichen und persönlichen Verhältnis des Menschen äußert, und schützt gegen amtliche Willkür und Aufgeblasenheit.“

Zitate aus: Detmar Doering: Kleines Lesebuch über den Föderalismus, Sankt Augustin 2013 (Academia Verlag), S. 69ff (aus einem Memorandum aus dem Jahr 1822, in dem Stein dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm gegenüber die Gründzüge seiner früheren Politik erläutert)  -   Weitere Literatur: Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein: „Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizei-Behörden in der preußischen Monarchie“ (Nassauer Denkschrift), Nassau 1807.




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