Stein (1757 - 1831) |
Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein war ein preußischer Beamter und Staatsmann und gehörte – mit
Wilhelm von Humboldt – zu
den großen Vertretern der preußischen Reform-Ära.
In seiner im Jahre 1807 verfassten Nassauer Denkschrift hatte
von Stein das Reformprogramm für den preußischen Staat entworfen. Dabei
spielten nicht nur funktionelle Erwägungen für einen Wiederaufbau Preußens eine
Rolle, sondern in erster Linie politisch-pädagogische Ideen. Hauptziel der
Reformen war die „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns, die Benutzung
der schlafenden und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden
Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und
Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für
Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre“ (Nassauer Erklärung, 1807).
Mit dem Edikt zur Bauernbefreiung (1807) wurde die
Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit aufgehoben sowie die Freiheit der
Berufswahl eingeführt. Mit der Städteordnung (1808) bezweckte Stein, dass die
Gestaltung der Verwaltung mit gewachsenen lokalen und non-zentralen Strukturen
verbunden wurde. Provinziale und Kommunale Selbstverwaltung war für Stein dabei
nicht nur eine Vorbedingung für Effizienz, sondern sie sollte zugleich der Machtbegrenzung
gegenüber der Zentralregierung dienen.
Stein ist der festen Überzeugung, dass die zentralisierte
Bürokratie mehrere „wesentliche unzertrennliche Unvollkommenheiten“ besitzt:
„Kostbarkeit, Einseitigkeit und Systemsucht, Schwerfälligkeit und Lähmung der
Unterbehörden, Vernichtung des Gemeingeistes und der Selbsttätigkeit.“
Gottesdienst für die ersten preußischen Stadtverordneten (1808, Nicolaikirche in Berlin) |
Stein kritisiert demnach nicht nur die hohen Kosten, die
eine vertikal organisierte doppelte und teilweise sogar dreifache Staats- und
Verwaltungsstruktur verursacht, ihm geht es wesentlich um Effizienz: So „soll
eine aus 10-12 Personen bestehende Regierung die öffentlichen Angelegenheit, so
4- bis 500 000 Seelen betreffen von der Geburt an bis zum Kirchhof, von der
Hebamme bis zum Gottesacker, erkennen, verwalten, entscheiden; da es nun
durchaus unmöglich ist, dass dieses gründlich geschehe, so entsteht ein
Aufgreifen einzelner Gegenstände, in Ansehung der übrigen aber eine gehaltlose
Papiertätigkeit.“
Das Problem der Bürokratie ist weiterhin, dass sie
gewöhnlich Personen anvertraut ist, die ihre „Grundsätze selten aus dem
lebendigen Leben schöpfen“, sondern vielmehr zur „Systemsucht“ neigen oder „zur
Empfänglichkeit für die Meinungen einzelner, eines momentan Einfluss habender
Personen.“
Weil sich der Gemeingeist aber nur durch unmittelbare
Teilnahme am öffentlichen Leben ausbildet – „zunächst aus Liebe zur
Genossenschaft, zur Gemeinde, zur Provinz entspringt und sich stufenweise zur
Vaterlandsliebe erhebt“ -, würde durch Bürokratie eben dieser Gemeingeist und
der Wille zur Selbstständigkeit vernichtet.
All diese Mängel könnten Stein zufolge behoben werden, in
jedem Fall aber gemindert werden, durch eine non-zentrale Verwaltungsstruktur,
ausgehend von der Gemeinde, dem Kreis oder der (kleinen) Provinz. Auf diese
Weise könnte man „in den toten Aktenkram Leben bringen … und Gemeingeist
erwecken und verbreiten.“
So werde „das Volk nicht in einem großen, unförmlichen
Klumpen zusammengeworfen, sondern die gegliederten Absonderungen, so aus dem
Eigentum und den Verschiedenheiten seines Besitzstandes, dem Gewerbe und der
Art des Gemeinde-Verbandes entstehen, beachtet werden sollen, wodurch sich eine
vollständige Darstellung aller wesentlichen Interessen bildet.“
Eigenverantwortung - Subsidiarität - Dezentralismus |
Was ist also das Wesen und zugleich das Ziel der kommunalen
Selbstverwaltung? „Ist sie so gebildet, dass sie ein freies Leben, eine
lebendige Teilnahme an den Gemeinde-Angelegenheiten erweckt und nährt, so
enthält sie die reinste Quelle der Vaterlandsliebe, so knüpft sie an den
väterlichen Herd, an die Erinnerungen der Jugend, an die Eindrücke, so die
Ereignisse des ganzen Lebens gelassen.“
Wenn die Kommunale Selbstverwaltung selbst aus tüchtigen,
angesehenen und selbstgewählten Mitgliedern besteht, dann sichert eine solche
Ordnung „die wahre praktische Freiheit, die täglich und stündlich sich in jedem
dinglichen und persönlichen Verhältnis des Menschen äußert, und schützt gegen
amtliche Willkür und Aufgeblasenheit.“
Zitate aus: Detmar
Doering: Kleines Lesebuch über den Föderalismus, Sankt Augustin 2013 (Academia
Verlag), S. 69ff (aus einem Memorandum aus dem Jahr 1822, in dem Stein dem
Kronprinzen Friedrich Wilhelm gegenüber die Gründzüge seiner früheren Politik
erläutert) - Weitere Literatur: Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein: „Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizei-Behörden in der preußischen Monarchie“ (Nassauer Denkschrift), Nassau 1807.
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