Der holländische Maler Meister von Alkmaar erhält seinen Namen nach
seinem Hauptwerk, den „Sieben Werken der Barmherzigkeit“ aus der St.
Laurenskirche im niederländischen Alkmaar.
Das Werk, datiert auf das Jahr 1504, gilt als
wichtiges Dokument der frühen holländischen Malerei. Auf sieben Tafeln zeigt
der Künstler die sieben christlichen Werke der Barmherzigkeit:
Hungernde speisen - Dürstende erquicken - Nackte bekleiden - Tote begraben |
Fremde beherbergen - Kranke pflegen - Gefangene besuchen |
Das Bild stellt den Begriff der
Barmherzigkeit als Grundforderung christlicher Nächstenliebe anschaulich dar.
Sechs der Werke verlangte Jesus in seiner Rede vom Jüngsten Gericht (Mt
25,31ff), das siebte Werk (Tote zu begraben) steht im Buch Tobias (Tob 1,21).
Philosophisch ist das Thema Barmherzigkeit
unter dem Begriff Altruismus einzuordnen. Altruismus beschreibt die ethische
Einstellung, die – von Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit geleitet – auf das
Wohl anderer ausgerichtet ist. Dies kann in letzter Konsequenz auch das
allgemeine Wohl der Menschheit sein. Damit steht der Altruismus im Gegensatz zum ethischen Egoismus als dem Versuch, die Moralität von Handlungen
von der Nützlichkeit der Tat für den Handelnden selbst her zu begründen.
Eine moderne Begründung des Altruismus findet
sich bei Arthur Schopenhauer (1788-1860), der das Mitleid als die natürliche
Grundlage aller Moral bezeichnet.
Nach Schopenhauer gibt es beim Menschen überhaupt
nur drei Triebfedern für seine Handlungen: Den Egoismus, „der das eigene Wohl will
und der grenzenlos ist“, die Bosheit, „die das fremde Wehe will und die bis zur
Grausamkeit geht“ und das Mitleid, „das das fremde Wohl will und das bis zum
Großmut geht.“
Die Haupttriebfeder im Menschen ist für
Schopenhauer der Egoismus, den er als „den Willen zum Dasein“, also zum
Überleben definiert.
In der Regel entspringen alle Handlungen des
Menschen aus dem Egoismus: „Der Egoismus
ist seiner Natur nach grenzenlos: Der Mensch will unbedingt sein Dasein
erhalten, will es von Schmerzen, zu denen auch jeder Mangel gehört, unbedingt
freihalten. Er will die größtmögliche Summe an Wohl. Er will nicht nur jeden
Genuss, zu dem er fähig ist, er will auch immer neue Fähigkeiten und
Möglichkeiten des Genusses entwickeln.“
Unwillen, Zorn und auch Hass regen sich im
Menschen immer dann, wenn sich jemand seinem Egoismus entgegenstellt. Diese
werden dann zu Feinden, die er letztlich vernichten will: „`Alles für mich, und
nichts für die anderen´ – so lautet sein Wahlspruch. So wird aus dem Egoismus
Bosheit.“
Arthur Schopenhauer (1788-1860) |
Dennoch schränkt Schopenhauer diese dominante Seite des Menschen ein: „Nichts
empört so unser moralisches Gefühl wie Grausamkeit. Jedes andere Verbrechen
können wir vielleicht verzeihen, nur Grausamkeit nicht.“ Letztlich geht es also hier um die Frage, wieso Menschen grausam sein können, so ganz ohne Mitleid.
Mitleid ist für Schopenhauer das Gegenteil
von Grausamkeit. „Wenn es also der Mangel an Mitleid ist, der eine Tat zu einer
abscheulichen und unmoralischen Tat werden lässt, dann ist Mitleid die
eigentliche moralische Triebfeder des Menschen. Die Menschen wären nichts als
Ungeheuer, hätte ihnen die Natur nicht das Mitleid gegeben.“
Mitleid setzt voraus, dass sich „bei fremden
Wehe mitleide, d.h. sein Wehe unmittelbar fühle, wie ich sonst nur mein eigenes
fühle und deshalb sein Wohl unbedingt will, wie ich sonst nur mein eigenes
will.“ Dies erfordere, dass der Mensch mit dem Leidenden identifiziere, d.h.
dass die Schranke zwischen Ich und Nicht-Ich für einen Augenblick aufgehoben
wird bzw. der Unterschied zwischen Eigenem und Fremden verschwindet, was schon in
dem berühmten Zitat des spanischen Dichters Calderón (*1600) ausgesprochen
wird: „... que entre el ver / padecer y el padecer / ninguna distancia habia“
(dt.: „das zwischen Leiden / sehen und
leiden/ kein Unterschied sei“).
Schopenhauer geht so weit zu behaupten, dass
nur „insofern eine Handlung aus Mitleid entsprungen ist, sie moralischen
Wert hat. Handle ich aus Mitleid, ist der Zweck meiner Handlung einfach der: Ich
habe geholfen, ich habe jemanden von seinem Leiden befreit – und erwarte nichts
dafür als Gegenleistung.“ So besteht in der Teilnahme und in der Aufhebung des
Leidens die Grundlage aller Menschenliebe und Humanität.
Zitate
aus: Arthur Schopenhauer: Preisschrift über die Grundlage der Moral, in: Sämtliche
Werke, Bd. III, Darmstadt 1965 (Wiss. Buchgesellschaft) - Weitere Literatur: Marie-Christine Beisel: Schopenhauer und die Spiegelneurone: Eine Untersuchung der Schopenhauer'schen Mitleidsethik im Lichte der neurowissenschaftlichen Spiegelneuronentheorie, Würzburg 2012 (Königshausen & Neumann)
Hochinteressant die Sendung "Schopenhauer und die Spiegelneuronen" aus der Reihe "Das Philosophische Radio" (WDR 5) mit Marie-Christine Beisel und Jürgen Wiebicke
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