Johannes Althusius (1557 - 1638) |
Johannes Althusius entstammte zwar einer
bäuerlichen Familie, konnte aber Rechtswissenschaft in Basel studieren. Nach
seiner Promotion zum Doktor der Rechte in Basel 1586 wurde Althusius als erster
Rechtsgelehrter an die von der Föderaltheologie geprägte
calvinistisch-reformierte Hohe Schule Herborn berufen. 1604 wurde Althusius zum
Rechtssyndikus der Stadt Emden berufen. Er hatte dieses wichtige Amt bis ins
hohe Alter inne.
1603 erschien sein Hauptwerk, die "Politica Methodice
Digesta", in dem er seine föderalen Gedanken zusammenfasst. Dieses Werk
machen ihn zum wichtigsten frühen Denker der föderalistischen Tradition in
Deutschland.
Politik ist für Althusius „die Kunst, die Menschen
zusammenzuschließen, damit sie untereinander ein gesellschaftliches Leben
begründen, pflegen und erhalten.“ Gegenstand der Politik ist daher zunächst die
Lebensgemeinschaft, in der die Menschen sich einem „ausdrücklichen oder
stillschweigenden Vertrag untereinander zur wechselseitigen Teilhabe all dessen
verpflichten, was zum Zusammenleben notwendig und nützlich ist.“ Es ist also
die wechselseitige Gemeinschaft und praktische Teilhabe, die dem individuellen
Bedürfnis nach Unabhängigkeit ebenso Rechnung trägt wie der gegenseitigen Hilfe
zum Leben aller Mitglieder der Gemeinschaft und daher „das gesellschaftliche Leben
begründet und bewahrt.“
So habe auch schon Cicero behauptet, „das Volk sei eine
Vereinigung, die sich aufgrund rechtlicher Übereinstimmung und des
gemeinschaftlichen Nutzens wegen zusammengeschlossen hat. Auf diese Weise
werden die Vorteile und Lasten einer Gemeinschaft jeweils ihrer Natur
entsprechend empfangen oder getragen.“
Althusius unterscheidet nun zwei Formen von Gemeinschaft:
„In der einfachen privaten Gemeinschaft gehen verschiedene Menschen durch
besonderen Vertrag eine Symbiose ein, in die sie das einbringen, was sie
besitzen und was zu ihrem Wohl beiträgt.“ Eine solche Gemeinschaft – Althusius
denkt hier im Anschluss an Aristoteles an die Familie – kann mit Recht als eine
ursprüngliche bezeichnet werden und alle anderen gehen von ihr aus. In der
öffentlichen Gemeinschaft verbinden sich mehrere private Gemeinschaften, um
eine rechtlich verfasste Ordnung zu begründen.“
Der Ursprung aller Gemeinschaft: Die Familie |
Das politische Selbstverständnis von Althusius könnte man
also als radikal subsidiär bezeichnen. So wie in der calvinistischen
Kirchenverfassung die örtliche Gemeinde der eigentliche Souverän ist, so sieht
Althusius jegliche staatliche Souveränität als eine Ableitung von ursprünglich
kleinen, auf persönlicher Verbindung beruhenden Gemeinschaften wie
beispielsweise der Familie.
Letztlich muss daher jeder legitime Staat föderale
Strukturen aufweisen. Die Teilgliederungen wiederum haben die Aufgabe, den
Staat zu kontrollieren und in an seinen eigentlichen und ursprünglichen Zweck,
die Herrschaft des Rechts, zu binden.
Den Repräsentanten der Teilgliederungen – Althusius nennt
sie „Ephoren“ – obliegt es, der Freiheit des obersten Magistrats – also der
Regierung – Grenzen zu setzen und ihm im Fall des Unrechts oder der Gefahr für
das Gemeinwesen entgegenzutreten, ihn in den Grenzen seines Amtes zu halten und
schließlich auf jede erdenklich Art und Weise darauf zu achten, „dass das
Gemeinwesen nicht durch private Zu- oder Abneigung, durch Tun bzw. Unterlassen
oder Müßiggang des obersten Magistrats Schaden nimmt.
Die Aufgaben der Ephoren besteht aber nicht nur darin,
darüber zu urteilen, ob der oberste Magistrat seine Pflicht erfüllt oder nicht,
sondern auch darin, „ihm Einhalt zu gebieten und Widerstand zu leisten, wenn er
tyrannisch wird und die Souveränitätsrechte missachtet und es unternimmt, das
dem Gemeinschaftskörper zustehende Recht zu verletzen oder ihm zu entziehen.“
So gehört zu den vornehmlichen Aufgaben des föderalen
Staates der Schutz der Untertanen sowie „die rechtmäßige Verteidigung gegen
Ungerechtigkeit und zugefügte Gewalt“ – auch und gerade die Ungerechtigkeit und
Gewalt, die durch die staatliche Macht selbst verursacht wird.
Weil also die unterschiedlichen Handlungen der Einzelnen auf
den Nutzen des ganzen Gemeinwesens und die Gemeinschaft gerichtet werden sollen,
so müssen „Untergeordnete und Höhergestellte durch eine Art Gleichheit des
Rechts miteinander verbunden werden.“
Die Rechtsordnung und die Gleichheit vor dem Gesetz - der Schlüssel zur Freiheit! |
Das Recht zielt somit „auf den hinlänglichen
Lebensunterhalt, die Autarkie, eigene Ordnung und gute Gesetzlichkeit der
universalen Gemeinschaft, lenkt die Handlungen der Einzelnen sowie sämtlicher
Glieder und schreibt ihnen angemessene Aufgaben vor.“
Die Macht, dieses gemeinsame Recht – heute würden wir den
Begriff „Verfassung“ verwenden – zu begründen und sich ihm zu verpflichten
kommt dem Volk bzw. allen vereinten Gliedern zu.
Die Souveränität steht also „nicht den Einzelnen, sondern
sämtlichen Gliedern des Reichs zusammen und dem ganzen Gemeinschaftskörper zu:
ebenso wie es nicht von einem Einzigen, sondern nur von sämtlichen Gliedern der
universalen Gemeinschaft zugleich begründet werden kann, genau so sagt man,
dass es nicht Sache Einzelner, sonder vielmehr die sämtlicher Glieder ist.“
Die Ausübung des Rechts ist also nicht die Sache eines
Einzelnen. Das Recht ist auch nicht das Eigentum eines Einzelnen, sondern
sämtlicher Glieder des Reiches, die einvernehmlich darüber verfügen und beraten
können.
Aber: „Was sie einmal festgelegt haben, das müssen sie auch
halten und leisten, falls nicht aufgrund gemeinsamen Willensentschlusses etwas
anderes bestimmt wird.“
So stellt Althusius fest: „Auch besteht das Gemeinwesen
nicht des Königs wegen, sondern der König und jeder andere oberste Magistrat und
des Reichs und Gemeinwesens willen. Denn das Volk geht seiner Natur nach sowie
in zeitlicher Hinsicht betrachtet seinen Regenten voraus, es ist mächtiger und
steht höher als diese.“ Hier lässt sich deutlich der antike Gedanken der Dike erkennen.
Es ist daher durchaus der Majestät des Herrschers würdig, wenn er
bekennt, „an die Gesetze gebunden zu sein. So sehr hänge seine Autorität von
der des rechts ab, und größer als die Herrschaftsgewalt sei es in der Tat,
diese den Gesetzen zu unterstellen.“
Althusius beruft sich hier auf Platon, der sagt: „Ich sehe
den Untergang für jeden Staat kommen, in dem nicht das Gesetz über den
Herrscher bestimmt, sonder dieser über das Gesetz“ (De legibus, lib. 4).
Zitate
aus: Detmar Doering: Kleines Lesebuch über den Föderalismus, Sankt Augustin
2013 (Academia Verlag), S. 31ff - Weitere Literatur: Johannes Althusius: Politica, Berlin 2003
(Duncker und Humblot)
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