Hans Christian Andersen (1805 - 1875) |
Als Märchendichter ist Hans Christian Andersen weltberühmt. Dass er auch ein ausgezeichneter Reiseschriftsteller war, ist
hingegen weniger bekannt.
Im Herbst 1840, in der Mitte seines Lebens, unternahm
Andersen eine Reise über Deutschland und Italien nach Griechenland und
anschließend weiter nach Smyrna und Konstantinopel. Seine Erlebnisse schildert
er in einem Buch, das 1842 zunächst unter dem Titel „Eines Dichters Bazar“
erschien.
Andersen reist nach Griechenland in einer Zeit, als sich das
Land und seine Hauptstadt Athen in einer Zeit des Umbruchs befinden. Erst 10
Jahre zuvor erfolgte die Gründung des neugriechischen Staates und die
Übersiedelung der Königshofes und der Regierung von Nafplion nach Athen.
Die
nördliche Staatsgrenze verlief zwischen dem Golf von Arta im Westen und dem
Golf von Volos im Osten. Der südlichste Punkt war Kap Tainaron, die Südspitze
der Peleponnes. Ebenso wie der gesamte Norden des heutigen Griechenlands
mussten auch die Ionischen Inseln, Kreta und der Dodekanes noch Jahre auf die
Befreiung von der türkischen Herrschaft warten. Von den Inseln gehörten also
lediglich die Kykladen, die Sporaden und die Argosaronischen Inseln zu
Griechenland.
Athen war um 1834 kaum mehr als ein größeres Dorf mit etwa
300 Häusern und um die 1800 Einwohner. Knapp 10 Jahre später lag die
Einwohnerzahl schon bei 21698.
Neben vielen genauen und feinfühligen Beobachtungen ragt die
Beschreibung Andersens von seiner erstmaligen Ankunft in Athen heraus – die
nicht frei von einer gewissen Idealisierung ist …
„Wir fuhren im Galopp, es staubte furchtbar, aber es war ja
klassischer Staub. Bald erreichten wir den Olivenhain, Minervas heiligen Hain!
Eine hölzerne Bude war an jeder Seite des Weges errichtet. Zitronen und Apfelsinen
lagen hier ausgebreitet, garniert mit einer Reihe Flaschen, die Wein und Likör
enthielten. Während unsere Pferde mit frischem Wasser getränkt wurden, kamen
Bettler mit großen zinnernen Schalen, wir alle gaben ihnen, es waren ja
Griechen (…).
Athen von Nordwesten aus gesehen |
Vor uns lag jetzt die Akropolis, wie ich sie oft auf Bildern
gesehen, aber jetzt war es Wirklichkeit! Der steile Lykabettos mit seiner
schimmernd weißen Eremitenwohnung trat deutlich hervor, ich sah Athen. Weniger
Schritte vor der Stadt, dicht am Wege zur Rechten, steht der Theseustempel mit
seinen prächtigen Marmorsäulen, die von der Zeit gelblich braun geworden sind.
Ich sah ihn! Ich konnte mich nicht
recht in den Gedanken finden, dass ich in Griechenland sei, dass ich in Minervas
Stadt hineinrollte.“
Besonders fasziniert war Andersen
von der Akropolis: „Während meines Aufenthaltes in Athen, bei Sonnenschein und
Regen, besuchte ich täglich die Akropolis. Durch einen Besuch derselben feierte
ich meinen Geburtstag, hier las ich meine Briefe aus der Heimat; die Akropolis
war der Ort in Athen, welchen ich zuletzt besuchte, als ich fort sollte, auf
der Akropolis verweilt mein Gedanke am längsten, wenn er Griechenland besucht.
Hier fühlte ich keinen Mangel, den
ausgenommen, dass nicht alle meine Lieben diesen Anblick mit mir teilen
konnten.
Ein Sonnenuntergang von hier gesehen
ist das Erhabenste, was ich kenne! Ich sah einen solchen, ich saß auf den
Stufen zum Parthenon. Alles war öde und tot gegen den Hymettos hin, schwarze
Vögel schwebten über dem Tal, wo eine einsame weiße Säule steht.
Die Sonne sank hinter dem Golf von
Salamis, und die Berge strahlten in den stärksten Tinten, Ägina war blau wie
die frischesten Veilchen. Dieselben Farben, dieselben Bergformationen, wie ich
sie erblickt, haben Plato, Sokrates und die Großen jener Zeit von derselben
Stelle aus gesehen.
Es war derselbe Schauplatz, welchen
sie betraten; ich hatte während eines Augenblicks ein Gefühl, als wäre ich in
die Zeit jener großen Erinnerungen und Begebenheiten zurückversetzt!
Die Sonne ging unter, und ohne
vorhergehende Dämmerung wimmelten die funkelnden Sterne hervor über den
gigantischen, zerbrochenen Tempeln. (…)
Griechenlands Natur ist in ihrer
Trauer zu groß, als dass man darüber weinen könnte; man wird durch sie
erhoben!“
Zitate
aus: Hans Christian Andersen: Griechenland und der Orient. Eine märchenhafte
Reise, Athen 2011 (Verlag der Griechenland Zeitung) -
Bilder aus: Armand Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld: Griechenland in
Wort und Bild. Eine Schilderung des hellenischen Königreiches, London 1992.
Reprint der Ausgabe 1887 (Phaidon)
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