Emile Michel Cioran ist einer der wichtigsten
philosophischen Essayisten des 20. Jahrhunderts. Seine zahlreichen Bücher
enthalten locker zusammengestellte Aphorismen, Kurzprosa und Essays, in denen er
seine deutlich pessimistische und skeptische Weltsicht darlegt.
In seinem Buch „Die verfehlte Schöpfung“
wendet sich Cioran gegen die christliche Vorstellung, die Welt sei die
Schöpfung eines guten und weisen Gottes. Sein Essay dazu trägt den
bezeichnenden Titel „Der böse Demiurg“.
Cioran geht von der anthropologischen
Prämisse aus, dass der Mensch – mit Ausnahme einiger Sonderfälle – nicht zum
Guten neigt. Versucht der Mensch aber, das Gute zu tun, dann „muss er sich
überwinden, sich Gewalt antun.“ Viel lieber dagegen sucht der Mensch nach
Möglichkeiten, seinen Schöpfer zu provozieren oder zu demütigen.
So ist es schwer bis unmöglich, „zu glauben,
dass der gute Gott, der `Vater´, mit dem Skandal der Schöpfung etwas zu tun
hatte.“ Vielmehr muss man davon ausgehen, dass dieser Gott nichts für diese
Schöpfung kann, sondern, dass sie auf einen „skrupellosen“ und „korrumpierten“
Gott weist:
Die klassische Sicht: Der gute Schöpfergott (Holzschnitt von Melchior Schwarzenberg - 1535) |
„Die Güte schafft nicht, ihr mangelt es an
Phantasie; deren bedarf es aber, um eine Welt herzustellen, wie hingepatzt sie
auch sei. Notfalls mag eine Tat oder ein Werk aus der Mischung von Güte und Bosheit
entstehen. Oder ein Weltall. Vom unsrigen aus ist es jedenfalls bedeutend
leichter, auf einen anrüchigen als auf einen ehrenwerten Gott zu tippen.
So strampelt sich das Christentum seit Jahrhunderten
damit ab, der Welt die Evidenz eines allmächtigen, allwissenden, allbarmherzigen
und allgütigen Gottes aufzuzwingen – eine Evidenz, die letztlich keine ist.
„Wir können nicht umhin zu denken, dass die
im Zustand des Entwurfes gebliebene Schöpfung nicht abgeschlossen werden konnte
und es auch nicht verdiente und dass sie insgesamt ein Fehler ist.“
Der berühmte Fehltritt des Menschen – das Naschen
am Baum der Erkenntnis – erscheint also eher als „die verkleinerte Fassung
einer weit schwereren Untat.“
Wenn die Genesis verkündet „Seid fruchtbar
und mehret euch“ (Gen 1,28), dann sei dies letztlich eine kriminelle
Aufforderung, die unmöglich aus dem Munde eines guten Gottes gekommen sein
konnte. Wenn er sich wirklich seiner Schöpfungstat bewusst gewesen wäre, hatte
er vermutlich befohlen „Seid selten“. Und
niemals hätte er hinzugefügt: „Und macht euch die Erde untertan!“
Worin liegt also die Schuld des Menschen?
Allein darin, „dass wir mehr oder weniger dienstfertig dem Beispiel des
Schöpfers gefolgt sind“ – als Geschöpfe aus „den Händen eines unglücklichen und
bösen Gottes, eines verfluchten Gottes.“
Zitate
aus: Emile Michel Cioran: Die verfehlte Schöpfung, Frankfurt a.M.1979
(Suhrkamp), hier: S. 7ff
Emil Cioran war wirklich negativ und depressiv gestrickt und hat den Schopenhauerschen Pessimismus bis zum Äußersten getrieben. Den Gedanken eines Demiurgen als Schöpfergott gibt es schon seit dem Platonismus und dieser Gedanke war natürlich auch in der spätantiken und frühchristlichen Gnosis virulent. Ein schöner Artikel und ein interessantes Thema.
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