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Am
27. Mai 1933, also kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten hält
Martin Heidegger seine berühmte Rektoratsrede. Seit dem 21. April 1933 ist er
Rektor der Universität Freiburg und nur wenige Tage später, am 1. Mai 1933,
tritt Heidegger demonstrativ in die NSDAP ein, obwohl es für Professoren im
Gegensatz zu anderen Beamten keinen Zwang zur Parteimitgliedschaft gab.
Heidegger
sieht im Nationalsozialismus die Möglichkeit einer überfälligen Veränderung der
Gesellschaft. Es geht für ihn dabei
nicht nur um den Kampf gegen die Funktionsuntüchtigkeit des Weimarer
Parlamentarismus und für ein neues – völkisches – Gemeinschaftsgefühl. Vielmehr
ist der Nationalsozialismus für ihn „etwas viel Erhabeneres, ist der Versuch,
auf den Spuren Nietzsches in einer götterlosen Welt einen Stern zu gebären“ (Romantik, 344).
Seine
Rektoratsrede mit dem Titel „Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität“ drückt Heideggers Wunsch aus, die nationalsozialistische
Revolution aktiv mitzugestalten. Heidegger hält seine Rede nicht als
Mitläufer, sondern als entschlossener Revolutionär.
Seine
Rede ist letztlich ein Lehrstück darüber, dass Romantik besser von der Politik
ferngehalten werden sollte, wie Rüdiger Safranski in seinem Buch über die
Romantik erklärt. Beispielsweise beschwört Heidegger in seiner Rede das typische romantische Pathos von
Augenblick und Entscheidung. In der nationalsozialistischen Revolution nehme für Heidegger eine Elite des Volkes bewusst die
Verlassenheit des heutigen Menschen auf und setzt ihre historische Mission
in die Tat um.
Um
den Ereignissen die notwendige Tiefe zu geben, zieht Heidegger „alle Register
einer politisch-metaphysischen Romantik“ (ebd, 344). Er „selbst inszeniert sich
als geistiger Stoßtruppführer. Alle zusammen gehören sie zum Stoßtrupp, zur
verwegenen Schar, und der Führer noch ein wenig mehr“ (ebd., 345).
Heidegger
fordert in seiner Rede eine grundlegende Erneuerung der Universität: „Der
Aufbau einer neuen geistigen Welt für das deutsche Volk wird zur wesentlichen
Aufgabe der deutschen Universität. Das ist nationale
Arbeit von höchstem Sinn und Rang“ (Heidegger, 273). Das Verhältnis von
Professoren und Studierenden solle daher dem von Führern
und Gefolgschaft entsprechen.
Vor
allem müsse die Universität – ähnlich wie in der Antike – eine Ganzheit wiedergewinnen,
nicht nur „irgendetwas Jenseitiges ergrübeln, sondern es geht einfach darum am Werke zu sein. So übersetzt Heidegger
den griechischen Ausdruck `energeia´“ (ebd., 278).
Folglich spricht Heidegger von der Notwendigkeit der drei Dienste:
„Arbeitsdienst – Wehrdienst –
Wissensdienst“. Hier verwendet Heidegger das mittelalterliche Bild
von den drei Ordnungen „Bauern – Krieger – Priester.“ Die Stelle der Priester
nehmen nun – in Anlehnung und zugleich völliger Verkennung der
platonischen Gedanken – nicht mehr die Priester, sondern die Philosophen ein.
Nun
also steht der Priester-Philosoph Heidegger da und hält seine Rede,
„emporgereckt und martialisch mit Worten klirrend, der Priester ohne Botschaft
vom Himmel, der metaphysische Sturmbandführer, umgeben von Fahnen und
Standarten“ (Romantik, 346).
Heideggers
Haltung wird Karl R. Popper später als Romantizismus bezeichnen, jene „irrationale
Einstellung, die sich an Träumen von einer schönen Welt berauscht ... Dieser mag einen himmlischen Staat in der Vergangenheit oder in
der Zukunft suchen, aber er wendet sich immer an unsere Gefühle, niemals an
unsere Vernunft. Sogar mit der besten Absicht, den Himmel auf der Erde
einzurichten, vermag er diese Welt nur in eine Hölle zu verwandeln – eine jener
Höllen, die Menschen für ihre Mitmenschen bereiten“ (Popper, 200)
Überdeutlich
zeigt sich in Heideggers Rede also der „Kurzschluss zwischen Romantik und
Politik. Ein Verkennen der Grenzen der politischen Sphäre, in der pragmatische
Vernunft, Sicherheit, Übereinstimmung, Friedensstiftung, Gerechtigkeit
maßgeblich sein sollten, nicht Abenteuerlust, Wille zu Extremen, Intensitätshunger, Liebe und
Todeslust.
Immer
aber bleibt das Missverständnis, dass man in der Politik etwas sucht, was man
dort niemals finden wird: Erlösung, das wahre Sein, Antwort auf die letzten
Fragen, Verwirklichung der Träume, Utopie des gelingenden Lebens,
den Gott der Geschichte, Apokalypse und Eschatologie“ (ebd., 347).
Dies
ist es, was sich Isaiah Berlin zufolge bei Heidegger also gut beobachten
lässt: „die Machtergreifung der subjektiven Einbildungskraft zuerst auf
geistigem Gebiet und dann in der Politik, was zur Zerstörung überkommener
humaner Ordnungen geführt habe“ (ebd., 348). Es ist eben so, dass der Dionysiker erst ausnüchtern sollte, ehe er politischen Boden betritt (ebd., 325).
Am
27. April 1934 trat Heidegger vom Amt des Rektors zurück, da seine
Hochschulpolitik weder an der Universität noch bei der Partei genügend
Unterstützung fand. Der Grund war nicht, wie er dies später selbst darstellte,
dass er die nationalsozialistische Hochschulpolitik nicht länger mittragen
wollte, vielmehr ging ihm diese nicht weit genug!
Zitate
aus: Rüdiger Safranski: Romantik.
Eine deutsche Affäre, Frankfurt am Main 20010 (fischer) -- Rüdiger Safranski:
Ein Meister aus Deutschland. Heidegger
und seine Zeit, Frankfurt am Main 2002 (fischer) -- Weitere
Literatur: Karl Raimund Popper: Die
offene Gesellschaft und ihre Feinde, Tübingen 1992 (Mohr / Siebeck)
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