Donnerstag, 18. September 2014

Adam Smith und der Lohn der Arbeit

Adam Smith (1723 - 1790)
Im Jahre 1776 erscheint „Der Wohlstand der Nationen“ des schottischen Moralphilosophen und Nationalökonomen Adam Smith. Smith urteilt grundsätzlich positiv über die Veranlagung des Menschen, seine eigene Lage verbessern zu wollen, denn er ist der Überzeugung, dass sich erst im Zuge dieser ständigen individuellen Anstrengung auch die produktiven Kräfte eines Landes überhaupt erst entwickelt werden können.

Das Werk von Smith ist ein klares Plädoyer für eine freie Marktwirtschaft. Dies wird auch in seinen Gedanken zur Lohntheorie deutlich. Smith plädiert für den freien Arbeitsmarkt, wo Angebot und Nachfrage die Höhe des Lohnes bestimmen.

Die Höhe des Lohns ist zunächst einmal abhängig von dem Kapital, das die Unternehmer (oder Landwirte) zur Entlohnung der Arbeiter zur Verfügung haben: In den allermeisten Fällen sind die Arbeiternehmer „auf einen Unternehmer angewiesen, der ihnen das Rohmaterial und ihren Lohn und Unterhalt so lange vorschießt, bis das Produkt ihrer Arbeit fertig ist. Er teilt sich mit ihnen den Ertrag ihrer Arbeit, … den Wert, den die Arbeiter dem bearbeiteten Rohmaterial hinzufügen. Und in diesem Anteil besteht sein Gewinn“ (57).

Die unterste Grenze des Lohns wird durch den Subsistenzlohn bestimmt, der gerade so hoch ist, dass die Erhaltung der Arbeitskräfte gewährleistet wird. „Der Mensch ist darauf angewiesen, von seiner Arbeit zu leben, und sein Lohn muss mindestens so hoch sein, dass er davon existieren kann. Meistens muss er sogar noch höher sein, da es de Arbeiter sonst nicht möglich wäre, eine Familie zu gründen“ (59).

"Der Ertrag der Arbeit ist die natürliche Vergütung oder der Lohn der Arbeit“
(Adam Smith, 56)

Solange aber die Nachfrage nach Arbeit stärker wächst als das Angebot wird auch der Lohnsatz steigen. Eine bessere Entlohnung führt wiederum zu erhöhter Arbeitsproduktivität. „Unter gewissen, für die Arbeiter günstigen Umständen gelingt es ihnen bisweilen jedoch, einen Lohn durchzusetzen, der beträchtlich über dieser Höhe des Existenzminimums liegt, also über dem offenbar niedrigstem Satz, der eben noch mit unserer Vorstellung von Humanität vereinbar ist“ (60).

Wenn also in einem Land „die Nachfrage nach Arbeitern, Gesellen oder Dienstboten, die nur von ihrem Lohn leben“, ständig zunimmt und wenn jedes Jahr mehr Arbeitsplätze vorhanden sind als im Jahr zuvor, dann haben die Arbeiter einerseits keinen Anlass, sich zu gewerkschaftlich organisieren, um höhere Löhne zu erreichen. Der Mangel an Arbeitskräften führe nämlich zu einem Wettbewerb unter den Unternehmern, die sich andererseits gegenseitig überbieten, um Arbeiter zu bekommen, „so dass sie freiwillig die natürliche Absprache über eine gemeinsame Lohnpolitik durchbrechen“ (60).

Lohnverhandlung
Die Löhne werden zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vertraglich ausgehandelt. Weil die Arbeitgeber hier Verhandlungsvorteile besitzen, solle der Staat die Vertragsvermittlung fördern: „Was üblicherweise Arbeitslohn ist, hängt überall von dem Vertrag ab, den beide Parteien gewöhnlich miteinander vereinbaren, wobei die Interessen der beiden keineswegs die gleichen sind. Der Arbeiter möchte so viel wie möglich bekommen, der Unternehmer so wenig wie möglich geben“ (58).

So ist die Höhe des Lohns also auch abhängig von dem vorhandenen Arbeitsangebot, das wiederum mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängt: „Die Nachfrage nach Lohnarbeitern steigt also zwangsläufig, wenn Einkommen und Kapital in einem Lande zunehmen, aber auch nur unter dieser Voraussetzung. Wachstum von Einkommen und Kapital bedeutet Zunahme des nationalen Wohlstands, was wiederum die entscheidende Voraussetzung für eine wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften ist. Es ist nicht die absolute Höhe des nationalen Wohlstands, sonder seine kontinuierliche Zunahme, von welcher ein Anstieg der Arbeitslöhne abhängt“ (60f)

So entscheidet letztlich unter den Bedingungen der Vertragsfreiheit der Markt allein über das Lohnniveau. Die Frage, ob es eine allein aus der erbrachten Leistung „gerecht“ ableitbare Vergütung geben kann, muss daher in einer freien Gesellschaft eindeutig verneint werden. So weist Norbert Hoerster in seinem Buch „Was ist eine gerechte Gesellschaft?“ darauf hin, dass die Vergütung für eine Leistung allein das Ergebnis eines Vertrages ist. Wie die Leistung eines Menschen zu vergüten sei, hänge in einer freien Gesellschaft aber ausschließlich von der Nachfrage der Menschen ab.

Dort wo gut regiert wird, wird auch fleißig und zum Wohle aller gearbeitet ...(Fresco von Ambrogio Lorenzetti im Alten Rathaus von Siena)

Die Arbeitsproduktivität – und darin eingeschlossen das Lohnniveau - ist somit zugleich ein natürliches Symptom und notwendige Folge eines steigenden Wohlstandes eines Landes: „Die reichliche Entlohnung der Arbeit ist somit nicht nur Folge sondern zugleich natürliches Kennzeichen eines zunehmenden Wohlstandes, während andererseits die schlechte Versorgung der ärmeren Arbeiterschicht ein untrügliches Zeichen für eine Stagnation ist. Hungern gar die Armen, so drückt dies aus, dass sich die Wirtschaft rasch zurückentwickelt“ (64).

Die Verbesserung der Lebensumstände der unteren Schichten ist auch für die Gesellschaft insgesamt vorteilhaft. „Und ganz sicher kann keine Nation blühen und gedeihen, deren Bevölkerung weithin in Armut und Elend lebt. Es ist zudem nicht mehr als recht und billig, wenn diejenigen, die alle ernähren, kleiden und mit Wohnung versorgen, soviel vom Ertrag der eigenen Arbeit bekommen sollen, dass sie sich selbst richtig ernähren, ordentlich kleiden und anständig wohnen können“ (68).

Schließlich weist Smith noch aus motivationstheoretischer Sicht auf den persönlichen Einsatz und Fleiß hin, denn ein hohes Entgelt für die Arbeit „spornt auch den einfachen Mann zu größerem Fleiß an, der, wie jede andere menschliche Eigenschaft in dem Maße zunimmt, in dem er angeregt wird. Reichlicher Unterhalt erhöht den körperlichen Einsatz des Arbeiters. Er wird sich bis zum Äußersten anstrengen, wenn er wirklich hoffen kann, dass sich seine Lage verbessert und er im Alter sorgenfrei, vielleicht sogar gut leben kann. Dort, wo die Löhne hoch sind, finden wir daher die Arbeiter immer fleißiger, gewissenhafter und auch schneller bei der Hand als dort, wo sie niedrig sind“ (70f).

Schaut man sich die Entwicklung des realen Pro-Kopf-Einkommens in den letzten hundert Jahren an, dann wird Smiths These eindeutig bestätigt und die Verelendungstheorie des Marxismus ebenso eindeutig widerlegt.

Zitate aus: Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 2009 (dtv)   -   Norbert Hoerster: Was ist eine gerechte Gesellschaft? Eine philosophische Grundlegung. München 2013 (C.H. Beck)

2 Kommentare:

  1. Was passiert wenn der "Markt" nicht mehr in der lage ist flächendeckend existenzsichernde Löhne zu zahlen? Der Staat soll sich ja ausdrücklich nicht in die Lohnfindung (Mindestlohn"einmischen.

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  2. Lieber Herr Büttner, ein sehr wichtiger und richtiger Einwand. Es gehört selbstverständlich zu den Aufgaben eines modernen Rechtsstaates, die Rahmenbedingungen für eine soziale und solidarische Gesellschaft festzulegen. Selbst für Adam Smith gehört dies zu den klassischen Aufgaben des Staates, die sich schlicht aus der Beobachtung ergeben, dass der Mensch in seinem Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber nicht immer von sich aus die ethischen Normen beachtet, die für ein lebensfähiges Gemeinwesen und ein friedliches Zusammenleben der Menschen notwendig sind.
    Aus diesem Grund muss es in jedem Gemeinwesen Einrichtungen geben, die die Macht haben, das Leben und das Eigentum nach außen und nach innen zu schützen, Streit und Auseinandersetzungen gerecht zu schlichten und den Menschen im Staat jene Güter und Dienstleistungen anzubieten, die „ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug … sein könnte, um die anfallenden Kosten zu decken“ (s. http://diepaideia.blogspot.com.es/2012/12/adam-smith-und-die-erziehung.html). Herzliche Grüße, Paideia

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