Lucius Apuleius wurde um 123 in Madaura, einer damals blühenden Kolonie an der fernen Grenze des römischen Weltreiches (heute Algerien), geboren. Seiner ungewöhnliche Begabung führte ihn bald nach Karthago und anschließend an die Akademie von Athen. 155 siedelte er nach Rom über und arbeitete dort als Rechtsanwalt. Schließlich kehrte er als Provinzialpriester des Kaiserkultes nach Karthago zurück.
Als Redner, Dichter und Philosoph war er gleichermaßen in der lateinischen als auch griechischen Sprache zuhause. Seinen andauernden Ruhm verdankt er seinem Hauptwerk, den „Metamorphosen“, auch bekannt unter dem Titel „Der goldene Esel“. Lucius, der Held des Romans, schildert hier seine gefährlichen und amourösen Abenteuer in Nordafrika, berichtet von Begegnungen und märchenhaften Geschichten, die ihm unterwegs erzählt werden. Die kleineren und größeren Erzählungen innerhalb des Romans, deren umfangreichste und berühmteste das Märchen von Amor und Psyche ist, sind eingebettet in den Erzählstrom einer Odyssee voller unerwarteter Wendungen.
Gleich im ersten Buch wird in einer kleinen Anekdote vom Händler Aristodemos erzählt, der sein Brot durch den Handel mit hochwertigen Produkten verdiene, die er auf lokalen Märkten einkaufe und dann gewinnbringend verkaufe: „Ich heiße Aristomenes, bin aus Ägina und treibe in Thessalien, Ätolien, Böotien Handel mit Honig vom Berge Ätna, mit Käse und so dergleichen Waren mehr, die in den Gasthäusern gebraucht werden.“
Auf die Nachricht hin, in der mittelgriechischen Stadt Hypata sei ein bestimmter Frischkäse sehr günstig zu haben, sei er auf schnellstem Weg dorthin geeilt, um dann aber festzustellen, dass der Großhändler Lupus (lat. Wolf) bereits den gesamten Käse aufgekauft habe: „Einstmals nun zieh’ ich Kundschaft ein, daß zu Hypata, der angesehensten Stadt in ganz Thessalien, frischer, wohlschmeckender Käse um sehr billigen Preis zu haben sei. Ich mache mich eiligst dahin auf, gleich den ganzen Vorrat wegzuschnappen. Allein ich armer Schelm mußte zur bösen Stunde ausgegangen sein, meine Hoffnung, einen trefflichen Schnitt zu machen, schlug mir fehl; wie ich hinkam, hatte schon tags zuvor Kaufmann Wolf allen Käse weggekauft.“
Phönizisches Handelsschiff |
Diese kleine Anekdote zeigt, dass Märkte bereits in der Antike funktionierten und eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben spielten. Diese Rolle jedoch im Detail zu rekonstruieren, ist gleichwohl unmöglich. Nur in Ausnahmefällen geben Quellen Auskunft darüber, wie die verschiedenen Formen des kaufmännischen Austausches ineinandergriffen. So kann man auf einem ägyptischen Papyrus die Instruktionen ablesen, die der Finanzminister eines ungenannten Ptolomäerkönigs seinen Beamten mit auf den Weg gab. Sie sollen einerseits kontrollieren, dass die Waren auf den Märkten nicht zu Preisen angeboten würden, die über den vorgeschriebenen lägen, andererseits aber die Qualität der Produkte überprüfen, deren Preis nicht per Dekret festgesetzt sei, den die Händler also frei festsetzen konnten (nach Sommer, 97).
Wir können davon ausgehen, dass es in den antiken Städten Menschen mit ausreichend Kaufkraft gab. Dennoch mussten die Güter in die Städte gelangen, bevor sie dort ihre Abnehmer finden konnten. Diese Schnittstelle zwischen Produzenten und Konsumenten waren schon damals Märkte. Ihr Einzugsbereich richtete sich nach der Größe der Städte, aber auch nach der Art der gehandelten Güter.
Das Forum des Kaisers Trajan diente nicht nur imperialer Repräsentation, sondern enthielt auch zahlreiche Geschäfte |
So wurden Bedarfsgüter, die in der Region nicht hergestellt werden konnten – oder anderswo in besserer Qualität verfügbar waren – aus anderen Teilen des römischen Reiches importiert. Für die Städte – zumal für die größeren – war ein funktionierender Markt eine Existenzfrage.
Natürlich sind Märkte nicht nur die physischen Plätze, an denen Produkte den Besitzer wechseln. Der Markt ist, wirtschaftlich betrachtet, eine Arena, in der Angebot auf Nachfrage trifft. Als Preisermittlungsmechanismus ist der Markt insofern autonom, „als keine anderen Institutionen (Normen in Form von Gerechtigkeitserwägungen oder Bürokratien in Form von Verordnungen) auf die Preisermittlung Einfluss haben – lediglich Angebot und Nachfrage steuern der reinen Lehre nach das Verhalten der Marktteilnehmer (ebd., 96).
Der „Staat“ hatte bei alldem die Aufgabe, mit einer Reihe von Dienstleistungen die Sicherheit und Gerechtigkeit des Marktgeschehens zu gewährleisten und eine Infrastruktur zu schaffen, die regionale und überregionale Transaktionen ermöglicht. Eine solche Infrastruktur gab es auch in antiken Staaten, z.B. in Athen.
Der Plan des antiken Piräeus (nach Judeich) |
Nirgendwo im Mittelmeer wurden mehr Waren umgeschlagen, als im Piräus, dem Hafen Athens. Wer hier als Händler seine Waren anbot, konnte sicher sein, sie auch verkaufen zu können. Hier gab es eine Infrastruktur, die die kaufmännische Aktivität begünstigte: „So verfügten Athens Märkte, die agoraí, über Marktaufseher (agoranómoi), die das Marktgeschehen überwachten, Streit schlichteten und Preise kontrollierten. Zur Überprüfung der Maße und Gewichte gab es eigene Amtsträger, die metronómoi; außerdem es ein rudimentäres Bankwesen, durch das Händler – gegen einen erheblichen Risikoaufschlag – an Kapital kommen konnten“ (ebd., 89). Für die Wahrung der Interessen der Stadt sorgten die Aufseher über den Handelsplatz, die epimeletai tou emporíou, die dafür zuständig waren, dass beispielsweise ein Drittel des umgeschlagenen Getreides auf dem örtlichen Markt verkauft werden musste. Der Getreidepreis wurde auf diese Weise für die Athener Bevölkerung künstlich niedrig gehalten. Für die Händler warf diese Regelung gleichwohl noch ausreichend Gewinn ab.
Die Anekdote von Apuleius jedenfalls illustriert sehr schön, wie individuelle Akteure die zwischen den Märkten schwankenden Preisen für sich zu nutzen versuchten. Manchmal jedoch konnte ihnen die begrenzte Verfügbarkeit von Informationen einen Strich durch die Rechnung machen …
Zitate aus: Apuleius, Der Goldene Esel, übersetzt von August Rode, Berlin 1920 (Propyläen-Verlag), online im Projekt Gutenberg unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/5948/1 - Weitere Literatur: Michael Sommer: Wirtschaftsgeschichte der Antike, München 2013 (C.H. Beck)
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