Hans Theodor Woldsen Storm ist hinlänglich als Schriftsteller, Lyriker und als Autor von
Novellen und Prosa des deutschen Realismus mit norddeutscher Prägung bekannt. Weniger bekannt ist seine ablehnende Haltung gegenüber jeder Religion im Allgemeinen und gegenüber dem Christentum im Besonderen.
Theodor Storm (1817 - 1888) |
Als Norddeutscher ist Storm evangelischer Konfession und
nimmt die kirchlichen Akte zu Taufe, Konfirmation, Eheschließung und Beerdigung
als selbstverständlich und notwendig - aber nur, wenn sie ihn nicht persönlich betreffen. Sein
Sohn Hans wird später dreimal in der Woche zum Religionsunterricht geschickt.
Man feiert die Konfirmation der Kinder.
Unübersehbar aber ist Storms fundamentale Gegnerschaft zur Kirche. Sie gründet sich wohl auf sein Heidentum in seinem friesischen Thule, wie auch Thomas Mann meinte.
Ihre genauere Gründung hat sie in der Ablehnung der kirchlichen
Glaubensbotschaft: "Jesus Christus, Gottes Sohn, nehme das Kreuz auf sich für die
Sünden der Welt, leide und sterbe dafür, erstehe vom Tod auf, fahre auf gen
Himmel, sitze dort zur Rechten Gottes, von woher er kommen werde, um Lebende
und Tote zu richten. Der Glaube an den Heiligen Geist, an die Gemeinschaft der
Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben, Amen."
Dieser Glaube fehlt Storm, ja er lehnt ihn heftig und
kräftig ab und bringt ihn in seinem Gedicht »Crucifixus« auf den Punkt:
Am Kreuz hing sein gequält Gebeine,
Mit Blut besudelt und geschmäht;
Dann hat die stets jungfräulich reine
Natur das Schreckensbild verweht.
Doch die sich seine Jünger nannten,
Die formten es in Erz und Stein,
Und stellten’s in des Tempels Düster
Und in die lichte Flur hinein.
So, jedem reinen Aug’ ein Schauder,
Ragt es herein in unsere Zeit;
Verewigend den alten Frevel,
Ein Bild der Unversöhnlichkeit.
Die Verse zielen mit ihren Giftpfeilen auf die Jünger, also auf
die Kirche. Der Mann hat nie christlich geglaubt; in dem Gedicht »Crucifixus«
hat er dem Kreuzeszeichen eine Antipathie bewiesen, die an Mephistos Worte
erinnert: Ich weiß es wohl, es ist ein Vorurteil / Allein genug, mir ist’s
einmal zuwider …, schreibt Thomas Mann in seinem Storm-Essay.
Storm kennt Goethes Faust sehr gut; Mephisto hat ihm mit
seiner Antwort auf Faustens Frage Was gibt’s Mephisto, hast du Eil? Was
schlägst vorm Kreuz die Augen nieder? im »Urfaust« aus der Seele gesprochen.
Storm hatte bei der Vereidigung auf die preußische
Verfassung zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden das Ende der Eidesformel in actu corporali geschworen und »selbst
gelesen, genehmigt, unterschrieben« mit Hans Theodor Woldsen Storm.
Wie mag ihm, dem Kirche wie Adel das Gift in den Adern der
Nation bedeuten, zu Mute gewesen sein, als er diesen Eid schwört? Das Wort
»Gott« oder »Herr« geht ihm sonst leicht über die Lippen; in seinen Briefen
taucht es immer wieder auf in Floskeln wie »So Gott will« oder »Das weiß nur
Gott«; auch in seinen Gedichten: Du hast sie, Herr, in meine Hand gegeben.
Die Eidesformel, war für ihn wohl nicht nur reine Firmsache, auch wenn er sie mit voller, fester
Stimme spricht. Was ihn runterzieht, ist das dienen, was ich nie gekonnt habe, wozu er nun aber
als Gerichts-Assessor verpflichtet ist. Die Heimat erscheint ihm in der Fremde
als Hort der Freiheit, diese Freiheit ist ihm nun genommen. Dienen und Freiheit
ist für den preußischen Beamten kein Widerspruch; Storm kann da nicht folgen,
insofern ist ihm die Eidesleistung ein verhängnisvoller Akt.
Storms Wohnhaus in Husum |
Ein weiterer Beweis für Storms kirchenfeindliche Haltung ist
der Umgang mit dem Tod seiner Ehefrau Constanze. Den Sarg tragen Mitglieder des Gesangvereins.
Flieder und Rotdorn stehen in voller Blüte. Zur Familiengruft auf dem
St.-Jürgen-Friedhof gehen sie zehn Minuten; eine winzige Trauergemeinde
marschiert im heraufdämmernden Frühsommermorgen. Storms Bruder Aemil und sein
drei Söhne begleiten Storm. Neben Storm geht sein ältester Sohn, Hans.
So schildert
es Ingrid Bachér (*1930), eine Storm-Urenkelin, in ihrem dokumentarischen Roman
über den Stormsohn Hans: Zur Beerdigung ging sein Vater allein mit ihm,
auf ihn gestützt hinter dem Sarg her, der in die Familiengruft gebracht wurde,
morgens früh um drei, als die Stadt noch schlief. Der Witwer trug einen weißen
Hut und schrie zuweilen vor Schmerz, während der Junge ihn ruhig und
verzweifelt hielt. Die Urenkelin wird das nicht erfunden haben; so wird es
gewesen sein.
Storm folgt seinem Eigensinn und seiner Überzeugung und
stellt sich öffentlich gegen das bürgerlich Übliche. Ihn trägt sein
aristokratischer Stolz und die familiäre Tradition: kein Pastor, keine Predigt,
kein kirchliches Begräbnis, kein Gebet, kein Lied. So soll es sein, so ist es
mit Constanze verabredet.
Zu Hause habe Storm dann stundenlang Klavier
gespielt, schreibt Gertrud. Musik ist ihm Trost wie die Poesie. Noch am selben
Abend schreibt er das Gedicht »In der Gruft bei den alten Särgen«.
In der
Gruft bei den alten Särgen
Steht nun ein neuer Sarg,
Darin vor meiner Liebe
Sich das süßeste Antlitz barg.
Den
schwarzen Deckel der Truhe
Verhängen die Kränze ganz;
Ein Kranz von Myrtenreisern,
Ein weißer Syringenkranz.
Was noch vor
wenig Tagen
Im Wald die Sonne beschien,
Das duftet nun hier unten:
Maililien und Buchengrün.
Geschlossen
sind die Steine,
Nur oben ein Gitterlein;
Es liegt die geliebte Tote
Verlassen und allein.
Vielleicht
im Mondenlichte,
Wenn die Welt zur Ruhe ging,
Summt noch um die weißen Blüten
Ein dunkler Schmetterling.
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