Die Idee, der Untergang der Menschheit ließe sich einzig und allein durch einen Weltstaat oder eine Weltföderation verhindern, ist nicht neu. Eine Weltregierung wurde schon bei den griechischen Philosophen und Kosmopoliten, unter ihnen Platon, Aristoteles und Zenon von Kition, diskutiert. Die wohl berühmteste Forderung nach einer Weltregierung wurde von Immanuel Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795) formuliert.
Auch der britische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell, einer der größten Pazifisten des 20. Jahrhundert, machte im Jahr 1948 den Vorschlag, die Vereinigten Staaten sollten durch Kriegsdrohung und notfalls Krieg die Sowjetunion zwingen, einem zu gründenden Weltstaat beizutreten. Sein Aufsatz „Der Weg zum Weltstaat“ wurde im Rahmen seiner „unpopulären Betrachtungen“ zwei Jahre später veröffentlicht.
Russells
Vorschlag war ein Akt der Verzweiflung, den er relativ schnell wieder
zurücknahm. Aber bevor man ihn entrüstet von sich weist, sollte man ihn wenigstens
einen Moment lang aushalten, denn Russell zufolge gibt es gewichtige Gründe,
die einen Sieg Amerikas über die Sowjetunion für wünschenswert erscheinen
lassen.
Bertrand Russell |
Der wichtigste Grund ist für Russell die Tatsache, „dass in
Amerika mehr Achtung vor der Freiheit und anderen Werten einer zivilisierten
Lebensform besteht als in Russland.“
Russell veranschaulicht diese Ansicht an der Entwicklung Polens
nach dem Ende des 2. Weltkrieges als Teil des sowjetischen Machtbereiches. „In
Polen gab es blühende Universitäten, deren Professoren große geistige
Leistungen aufzuweisen hatten. Einige von ihnen sind glücklicherweise
entkommen; die übrigen aber sind einfach verschwunden. Das Unterrichtswesen ist
jetzt auf das Erlernen der orthodoxen stalinistischen Lehre beschränkt worden,
und die höhere Schulbildung ist lediglich den Jugendlichen zugänglich, deren
Eltern `unbelastet´ sind. Geistige Werte können durch ein derartiges
Bildungssystem nicht geschaffen werden. Der Mittelstand wurde durch Massendeportationen
vernichtet (...) Politiker der Mehrheitsparteien wurden liquidiert,
eingekerkert oder zur Flucht gezwungen. Wer den Verdacht der Regierung erregt
hat, kann oft nur dadurch sein Leben retten, dass er seine Freunde an die
Polizei verrät und bei den folgenden Gerichtsverhandlungen Meineide schwört.
Wenn dieses Regime während einer Generation an der Macht bleibt, wird es
zweifellos seine Ziele erreichen. Die traditionelle polnische Feindschaft gegen
Russland wird durch die kommunistische Orthodoxie ersetzt werden. Wissenschaft
und Philosophie, Kunst und Literatur werden zu knechtischen Anhängseln des
Regierungssystems werden, geistlos, beschränkt und dumm. Kein Individuum wird
selbst denken oder auch nur fühlen, jeder wird eine bloße Nummer in der Masse
sein.“
Russell ist sich sicher, dass diese Mentalität nach einem russischen
Sieg in der in der ganzen Welt herrschen würde. Selbst wenn als Folge des
Sieges eine gewisse Nachgiebigkeit der sowjetischen Regierung letztlich zu
einer Lockerung der Kontrollmaßnahmen führen müsste, so bliebe es insgesamt
sehr zweifelhaft, ob man je wieder zur Achtung der Einzelpersönlichkeit
zurückkehren würde: „Aus diesen Gründen wäre ein russischer Sieg in meinen
Augen ein schreckliches Unglück.“
Ein Sieg der Vereinigten Staaten hätte dagegen Russell
zufolge weit weniger drastische Folgen. „Zunächst einmal würde es sich nicht um
einen Sieg der Vereinigten Staaten allein handeln, sondern eines
Bündnissystems, in dem die anderen Mitglieder einen großen Teil ihrer
Unabhängigkeit behalten hätten. Man kann sich auch kaum vorstellen, dass die
amerikanische Armee die Professoren von Oxford und Cambridge zur Zwangsarbeit
nach Alaska schicken würde. Ebenso wenig glaube ich, dass sie einen Mann wie
Attlee wegen Beteiligung an einer Verschwörung anklagen und damit zwingen
würde, nach Moskau zu fliehen, lauter Analogien zu den Dingen, die die Russen
in Polen getan haben. Auch nach dem Sieg einer von den USA geführten Allianz
würde es immer noch eine britische, französische, italienische und, wie ich
hoffe, auch deutsche Kultur geben. Es würde nicht die gleiche tote Uniformität
entstehen, die die Folge einer sowjetrussischen Herrschaft wäre.
Die Moskauer Orthodoxie ist viel durchdringender als die von
Washington. Ein amerikanischer Erbbiologe kann von der Lehre Mendels halten,
was er will; wenn man aber in Russland als Biologe nicht mit Lysenko
übereinstimmt, läuft man Gefahr, auf geheimnisvolle Weise zu verschwinden. In
Amerika kann man getrost, wenn man sich dazu veranlasst fühlt, ein kritisches
Buch über Lincoln, schreiben: in Russland würde ein Buch, in dem Lenin kritisiert
wird, nicht veröffentlicht und der Verfasser selbst liquidiert werden.
Mahnmal für die Opfer der Repression, Moskau, Garten der Künste (Foto: Bundesstiftung Aufarbeitung) |
Als amerikanischer Volkswirtschaftler kann man die Meinung
vertreten, dass Amerika auf eine Depression zusteuert, oder auch das Gegenteil;
in Russland wagt kein Volkswirtschaftler zu bezweifeln, dass in Amerika die
Depression vor der Tür steht.
In Amerika kann ein Philosoph ein Idealist, ein Materialist,
ein Pragmatist, ein Positivist sein, oder was ihm sonst gefällt, er kann auf
Kongressen mit Leuten diskutieren, die anderer Meinung sind, und die Hörer
können sich ein Urteil darüber bilden, wer recht hat. In Russland muss man ein
dialektischer Materialist sein. Allerdings überwiegt manchmal das
materialistische Element das dialektische oder umgekehrt, und wer den
Entwicklungen der offiziellen Metaphysik nicht mit der erforderlichen
Wendigkeit folgt, hat Schlimmes zu befürchten.
Stalin zwar weiß jederzeit die Wahrheit über die Metaphysik,
aber man darf nicht glauben, dass die Wahrheit in diesem Jahr so lautet wie im
vergangenen. In einer solchen Welt muss das geistige Leben stagnieren, und
selbst der technische Fortschritt muss zum Stillstand kommen.“
Die Grundlage aber eines demokratischen Rechtsstaates ist
und bleibt die Freiheit, denn „Freiheit ist wichtig, nicht nur für die
Intellektuellen, sondern für jeden.“ Da es aber in Russland keine Freiheit
gibt, habe die sowjetische Regierung ein größeres Maß wirtschaftlicher
Ungleichheit schaffen können, als es in England oder Amerika besteht.
Schließlich könnte die kommunistische Oligarchie, die alle
Mittel der öffentlichen Meinungsbildung kontrolliert, Ungerechtigkeiten und
Grausamkeiten begehen, die kaum möglich wären, wenn sie allgemein bekannt
würden.
Dagegen können nur die Demokratie und die volle
Öffentlichkeit des Staatslebens die Machthaber hindern daran hindern, einen
Sklavenstaat mit Luxus für wenige und Armut für viele aufzurichten, wie es die
Sowjetregierung überall da getan hat, wo sie die absolute Herrschaft ausübt.
„Freiheit ist wichtig, nicht nur für die Intellektuellen, sondern für jeden.“ |
Natürlich – Russell ist schließlich nicht blind - gibt es in
der ganzen Welt wirtschaftliche Ungleichheit, aber unter einem demokratischen
Regime wird sie allmählich schwächer, in einer Oligarchie dagegen stärker
werden: Aber „überall da, wo eine Oligarchie an der Macht ist, droht die
wirtschaftliche Ungleichheit zu einem Dauerzustand zu werden, eben weil eine
erfolgreiche Revolution unter den modernen Verhältnissen unmöglich ist.“
Zitate aus: Bertrand Russell: Unpopuläre
Betrachtungen, Zürich 2009 (Europa Verlag) - Siehe auch: Paideia - Arthur Koestler und der Kommunismus, Teil 1 und Teil 2
Alle Zusammenhänge erschließen sich auf einen Blick, sobald die Metaphern auf der linken Seite nicht länger mit irgendetwas anderem (vermeintlicher "Unsinn" mit eingeschlossen) in Verbindung gebracht werden, als ihrer wirklichen Bedeutung auf der rechten Seite:
AntwortenLöschenHimmel und Erde = Nachfrage (Geld) und Angebot (Waren)
Garten Eden / Paradies = freie (d. h. monopolfreie) Marktwirtschaft
Früchte tragende Bäume = Gewinn bringende Unternehmungen
Baum des Lebens = Geldkreislauf
Baum der Erkenntnis = Geldverleih
Frucht vom Baum der Erkenntnis = Urzins (S. Gesell) / Liquiditätsprämie (J. M. Keynes)
Gott (Jahwe) = künstlicher Archetyp: "Investor"
Mann / Adam = Sachkapital / der mit eigenem Sachkapital arbeitende Kulturmensch
Frau / Eva = Finanzkapital / der in Sachkapital investierende Kulturmensch
Tiere auf dem Feld = angestellte Arbeiter ohne eigenes Kapital (Zinsverlierer)
Schlange = Sparsamkeit (die Schlange erspart sich Arme und Beine)
Nachkommen der Schlange = Geldersparnisse
Nachkommen der Frau = neue Sachkapitalien
Kopf der Schlange = Kapitalmarktzins (Sachkapitalrendite)
Erbsünde = Privatkapitalismus (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz)
Vertreibung aus dem Paradies = Verlust der Unterscheidungsfähigkeit zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus
Cherubim = Denkblockaden
Beste Grüße