Johann Peter Eckermann (1792 - 1854) |
Weniger die eigenen Gedichte, als vielmehr die Niederschrift
seiner Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens haben Johann
Peter Eckermann weithin bekannt gemacht. Insbesondere die ersten
zwei Bände seiner Unterhaltungen mit Goethe (veröffentlicht 1836) gelten als
authentisch und werden in Publizistik, Literatur und Wissenschaft immer wieder
als Quelle herangezogen.
Während einige seiner Zeitgenossen Eckermann verspotteten –
Heinrich Heine nannte ihn „Goethes Papagei“ – urteilten andere positiv über
ihn. Nietzsche bezeichnete die „Gespräche mit Goethe“ sogar als das beste
deutsche Buch, das es gibt.
Eckermann selbst sieht sich weniger als Sekretär Goethes,
sondern mehr als Gefährte und Freund des Dichters, in dessen Dienst er neun
Jahre seines Lebens und seiner Schaffenskraft stellt. Goethe nennt ihn denn
auch seinen „geprüften Haus- und Seelenfreund“ und „getreuen Eckart“ und lässt
ihm im Jahre 1825 einen Doktorgrad der Universität Jena verleihen, was
Eckermann peinlich ist: „Ich musste es geschehen lassen, aber ich war nur
glücklich, als ich noch ein ganz einfacher Herr Eckermann war.“
In jedem Fall haben die von Eckermann veröffentlichten
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens ihre Originalität und
Gültigkeit auch für heutige Leser behalten. Viele Textstellen können als
Leitsätze und Lebensweisheiten auch ohne den weiteren Textzusammenhang, für
sich genommen, stehen, und nicht wenige dürfen als treffende Kommentare oder
kritische Anmerkungen zu Phänomenen unserer Gegenwart gelesen werden und
stehenbleiben.
Dazu gehören mit Sicherheit auch die Anmerkungen Goethes zur
Größe des antiken Griechenlands im Vergleich zum damaligen kulturellen und
geistigen Niveau in Deutschland:
„Also, mein Guter, ich wiederhole: es kommt darauf an, daß
in einer Nation viel Geist und tüchtige Bildung im Kurs sei, wenn ein Talent
sich schnell und freudig entwickeln soll.
Wir bewundern die Tragödien der alten Griechen; allein recht
besehen, sollten wir mehr die Zeit und die Nation bewundern, in der sie möglich
waren, als die einzelnen Verfasser. Denn wenn auch diese Stücke unter sich ein
wenig verschieden, und wenn auch der eine dieser Poeten ein wenig größer und
vollendeter erscheint als der andere, so trägt doch, im groben und ganzen
betrachtet, alles nur einen einzigen durchgehenden Charakter.
Schauspieler in tragischer Szene (Altes Museum, Berlin) Foto: Paideia |
Dies ist der Charakter des Großartigen, des Tüchtigen, des
Gesunden, des Menschlich-Vollendeten, der hohen Lebensweisheit, der erhabenen
Denkungsweise, der reinen und kräftigen Anschauung, und welche Eigenschaften
man noch sonst aufzählen könnte. Finden sich nun aber alle diese Eigenschaften
nicht bloß in den auf uns gekommenen dramatischen, sondern auch in den
lyrischen und epischen Werken; finden wir sie ferner bei den Philosophen,
Rhetoren und Geschichtsschreibern, und in gleich hohem Grade in den auf uns
gekommenen Werken der bildenden Kunst: so muß man sich wohl überzeugen, daß
solche Eigenschaften nicht bloß einzelnen Personen anhaften, sondern daß sie
der Nation und der ganzen Zeit angehörten und in ihr in Kurs waren.
Wie ärmlich sieht es dagegen bei uns Deutschen aus! – Was
lebte denn in meiner Jugend von unsern nicht weniger bedeutenden alten Liedern
im eigentlichen Volke? Herder und seine Nachfolger mußten erst anfangen sie zu
sammeln und der Vergessenheit zu entreißen: dann hatte man sie doch wenigstens
gedruckt in Bibliotheken.
Und später, was haben nicht Bürger und Voß für Lieder
gedichtet! (...) Allein was ist davon lebendig geworden, so
daß es uns aus dem Volke wieder entgegenklänge? – Sie sind geschrieben und
gedruckt worden und stehen in Bibliotheken, ganz gemäß dem allgemeinen Lose
deutscher Dichter.
Von meinen eigenen Liedern, was lebt denn? Es wird wohl eins
und das andere einmal von einem hübschen Mädchen am Klaviere gesungen, allein
im eigentlichen Volke ist alles Stille. Mit welchen Empfindungen muß ich der
Zeit gedenken, wo italienische Schiffer mir Stellen des ›Tasso‹ sangen!
Heroen und Adoranten (Altes Museum, Berlin) Foto: Paideia |
Wir Deutschen sind von gestern. Wir haben zwar seit einem
Jahrhundert ganz tüchtig kultiviert, allein es können noch ein paar
Jahrhunderte hingehen, ehe bei unseren Landsleuten so viel Geist und höhere
Kultur eindringe und allgemein werde, daß sie gleich den Griechen der Schönheit
huldigen, daß sie sich für ein hübsches Lied begeistern, und daß man von ihnen
wird sagen können, es sei lange her, daß sie Barbaren gewesen.“
Kurz vor seinem Tod setzte der greise Goethe seinen
Mitarbeiter Friedrich Wilhelm Riemer gemeinsam mit Eckermann gegen eine
Gewinnbeteiligung testamentarisch zum Herausgeber seines literarischen
Nachlasses ein, doch nahm nach Goethes Tod 1832 in Weimar bald kaum noch jemand
Notiz von dem kränkelnden, allmählich verarmenden Eckermann. 1836 erschienen
endlich seine lange vorbereiteten Gespräche mit Goethe, doch waren die
Honorare so gering, dass er davon nicht lange zehren konnte. Am 3.
Dezember 1854 starb Eckermann krank und vereinsamt in Weimar.
Zitate
aus: Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe. Ausgewählt und mit einem
erläuternden Register versehen von Dr. Hellmuth Steger, München 1949 (Deutsches
Verlagshaus Bong)
"Froh empfind ich mich nun auf klassischem Boden begeistert,
AntwortenLöschenVor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir.
Hier befolg ich den Rat, durchblättre die Werke der Alten
Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt;
Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt beglückt..." (Goethe)