Donnerstag, 15. Januar 2015

Pascal und die Wette auf die Existenz Gottes

Populäre Argumente für die Existenz Gottes gehen üblicherweise davon aus, dass der Gläubige nach seinem Tod freudig ein jenseitiges ewig-seliges Leben erwarten kann. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Ansicht ist Blaise Pascal.

Blaise Pascal (1623 - 1662)
Pascal ist sich zwar darüber im Klaren, dass die Frage nach der Existenz Gottes niemals theoretisch entschieden werden kann. Aber die Konsequenz aus dieser Feststellung, nämlich, dass man skeptisch bleiben muss und eben nicht an Gott glaubt, lehnt Pascal jedoch ab und schlägt stattdessen vor, in Form einer Wette auf die Existenz Gottes zu setzten.

Pascal argumentiert dabei im Hinblick auf die praktischen Folgen für unserer Leben: Was haben wir zu gewinnen oder zu verlieren, wenn wir entweder auf die Existenz Gottes setzen oder auf seine Nichtexistenz?

Glauben wir Pascal zufolge an die Existenz Gottes und führen entsprechend ein gottgefälliges Leben, so gewinnen wir, falls Gott wirklich existiert, die ewige Glückseligkeit. Falls Gott aber nicht existiert, dann verlieren wir lediglich bestimmte irdische Befriedigungen, auf die wir aufgrund unseres gottgefälligen Lebensstils verzichtet haben.

Wenn wir nicht an die Existenz Gottes glauben, Gott aber tatsächlich existiert, so verlieren wir die ewige Seligkeit, auch wenn wir bestimmte irdische Genüsse ausgelebt haben. Sollte Gott in diesem Fall nicht existieren, dann besteht unserer Gewinn in dem Genuss der irdischen Befriedigungen.

Schematisch lässt sich Pascals Argumentation also wie folgt darstellen:

  • Man glaubt an Gott, und Gott existiert → in diesem Fall wird man mit dem Himmel belohnt → Man hat gewonnen.
  • Man glaubt an Gott, und Gott existiert nicht → in diesem Fall gewinnt man nichts, aber → Man verliert auch nichts.
  • Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert nicht → in diesem Fall gewinnt man nichts, aber → Man verliert auch nichts.
  • Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert → in diesem Fall wird man mit der Hölle bestraft → Man hat verloren.

Aus dieser Analyse der Möglichkeiten folgerte Pascal, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben. Aber: So einleuchtend die Argumentation auf den ersten Blick erscheinen mag – sie hält einer rationalen Prüfung nicht stand. 

Die Pensées
(erstmals veröffentlicht 1670)
Der entscheidende Punkt dabei ist folgender: „Pascal geht ohne jede Argumentation einfach davon aus, dass, falls  es ein Leben nach dem Tod gibt, dieses Leben nur von Gott bereitgestellt sein kann und dass außerdem unser Glaube an die Existenz Gottes eine unverzichtbare Voraussetzung diese ewigen seligen Lebens ist.“ Das Problem aber ist, dass ausgerechnet diese zwei Annahmen alles andere als selbstverständlich sind. Denkbar wären auch folgende Alternativen: 
  • Wovon es auch immer abhängen mag, dass ein Mensch das ewige Leben erlangt, es hängt in keinem Fall von der Existenz Gottes ab.
  • Gott existiert und schenkt allen Menschen ohne jede Gegenleistung das ewige Leben, also auch denen, die kein gottgefälliges irdisches Leben geführt haben.
  • Gott existiert und schenkt den Menschen das ewige Leben in Abhängigkeit davon, ob sie die Gebote einer humanen Moral in der Praxis befolgt haben, aber unabhängig davon, ob sie dies als Gläubige oder Ungläubige getan haben. 
  • Gott existiert, legt aber keinen Wert auf einen Glauben, der sich an dem praktischen Handeln der Menschen orientiert, sondern allein an der Fähigkeit des Menschen zu theoretischer Erkenntnis, mit der Gott den Menschen schließlich ausgestattet hat.
Alle diese Annahmen sind theoretische Annahmen und somit schwer zu begründen, nur: „Die Alternative Pascals ist ihrerseits nicht weniger mit bestimmten, schwer zu begründenden Annahmen – insbesondere Annahmen über ein gottgefälliges Leben – verbunden. Pascal formuliert diese Annahmen jedoch gar nicht explizit; und noch weniger begründet er sie. Er legt sie einfach, als handle es sich um ganz selbstverständliche Wahrheiten, seiner Wette auf die Existenz Gottes zugrunde.“

Paul Thiry d'Holbach (1723 - 1789)
Etwa 100 Jahre nach Pascal schrieb der französische Philosoph der Aufklärung, Paul Thiry d’Holbach: „Wenn ein Gott existierte und wenn dieser Gott ein von Gerechtigkeit, Vernunft und Güte erfülltes Wesen wäre, was hätte ein tugendhafter Atheist dann zu fürchten, der im Moment seines Todes – in der Annahme für immer zu entschlafen – einem Gott gegenüberstände, den er Zeit seines Lebens verkannt und ignoriert hat? 

`O Gott, der du dich unsichtbar gemacht hast´, würde er sagen, `unbegreifliches Wesen, das ich zu entdecken nicht fähig war, verzeih mir, dass der beschränkte Verstand, den du mir gabst, dich nicht hat erkennen können. Was es mir denn möglich, dein geistiges Wesen mit Hilfe meiner Sinne zu erfassen? 

Mein Geist vermochte sich nicht der Autorität einiger Menschen zu beugen, die über dich so wenig wissen konnten wie ich und die allein darin übereinstimmten, mich lauthals zum Opfer jener Vernunft aufzufordern, die du mir geschenkt hattest´“ (zit. nach Hoerster, 120).
  
Zitate aus: Norbert Hoerster: Die Frage nach Gott, München 2010  -  Weitere Literatur: Blaise Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Themen, Stuttgart 2004 (reclam), hier: Abteilung II: Nichteingeordnete Papiere, Serie II, Fragment 418, S. 224ff

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